Angola – Teil 7: Autoreparatur in Luanda. Das Auto fährt – ja, nein, vielleicht?

Es ist Sonntag, die Werkstatt in Luanda hat geschlossen und was könnte man Besseres machen an so einem Tag als einen Sonntagsausflug? Renu ist bereits sehr früh aufgestanden, um sich auf den Weg zu ihrer Arbeit zu machen. Sie arbeitet derzeit als Consultant für einen Ressort-Betrieb, der strukturelle Probleme zu haben scheint. Dabei schlägt sie sich wacker trotz fehlender Portugiesisch -Kenntnisse mit uneinsichtigen Mitarbeitern, logistischen Herausforderungen und fehlenden Marketingmaßnahmen rum, die dringend benötigt werden, um zahlungskräftige Kundschaft auf die wunderschöne inselhaft anmutende Landzunge zu locken. Mussulo – die etwas südlich von Luanda gelegene Landzunge verläuft dabei parallel zum Festland und schafft es, den Gast sofort in Urlaubsfeeling zu versetzen. Auf der Ostseite der langgestreckten Landzunge herrscht gemäßigter Wellengang im Vergleich zur sonst sehr stürmischen See und aufgrund der Nähe zu Luanda stellt sie das perfekte Ausflugsziel für gestressten Großstädter dar. Doch die Geschäfte laufen schlecht und man merkt Renu an, wie sehr sie unter den fehlenden Strukturen und Respekt der Mitarbeiter zu kämpfen hat.

Warum also nicht einen Ausflug zum Ressort starten und Renu bei der Arbeit besuchen? Wir verlassen zusammen mit Martin Luanda und parken nach kurzer Autofahrt an einem kleinen Anleger, von wo aus man sich mit einem Motorboot auf die andere Seite zur Landzunge übersetzen lassen kann. Die Überfahrt mit dem Motorboot lässt uns Meeresluft schnuppern und bläst die trüben Gedanken an unser weiterhin funktionsunfähiges Gefährt fort. Wir landen an einem traumhaft schönen Sandstrand an, an dem uns bereits Sonnenliegen, Bastschirme und eine sonnendurchflutete Bar erwarten. Hier kann mans auf jeden Fall aushalten. Renu begrüßt uns freudestrahlend am Bootssteg und freut sich über den unverhofften Besuch.

Nachdem wir uns ein kaltes Getränk an der Bar gegönnt haben, macht Martin den Vorschlag noch etwas über die Landzunge zu spazieren und auf der andere, dem Meer zugewandte Seite baden zu gehen. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Wir verlassen den Ressort-Komplex durch den Hintereingang und stehen abrupt einer vollkommen anderen Realität gegenüber. Sobald man das rausgeputzte und auf Hochglanz pollierte Hotelgelände verlassen hat, finden sich unsere Füße zwar weiterhin auf feinem Sand wieder, aber Dornen, Müll und Hundekot machen das Laufen in unseren FlipFlops über den glühend heißen Sandweg zu einem schweißtreibenden Hindernislauf. Wir kämpfen uns unter der drückenden Mittagshitze über kleine Sandpfade zur Meer zugewandeten Seite von Mussulo. Dabei werden wir nicht müde die Kletten und Dornen, die sich durch unsere Gummisohlen bohren, aus dem Schuhwerk zu pulen. Einige Einheimische, die uns teils barfuß begegnen, scheinen hier weniger Probleme zu haben bzw. definitiv dickere Hornhaut über die Jahre an den Füßen entwickelt zu haben. Auf der anderen Seite der Landzunge erwartet uns eine stürmische See mit hohen Wellen. Während ich noch zögere, ob ich mich hier wirklich in die Fluten stürzen soll, ist Martin schon im Wasser und winkt uns aufmunternd zu ihm zu folgen. Er zeigt uns, wie tief man abtauchen muss, um den wirklich sehr kraftvollen Wellen und der Strömung ein Schnippchen zu schlagen. Das klappt zwar meistens ganz gut, trotzdem werde ich zwei Mal von einer Welle gepackt und auf den Meeresboden gedrückt. So ganz kann ich daher den großen Respekt vor den hohen Wellen und dieser Naturgewalt nicht ablegen. Nachdem wir uns abgetrocknet haben, beobachten wir ein paar Fischer, denen es kunstvoll gelingt, ihr kleines Boot den Wellen zum Trotz unbeschadet an Land zu bringen. Sogleich versammelt sich eine große, wuselige Menschentraube um das Fischerboot und die dazugehörigen Fischer, um deren Ausbeute zu begutachten und um die besten Fische zu feilschen. Ein tolles & farbenfrohes Schauspiel, das wir uns gerne aus der Nähe ansehen.

Am nächsten Morgen erhalten wir die Nachricht, dass weitere Ersatzteile für unseren kaputten Land Rover Defender besorgt werden müssen und weiterhin nicht sicher ist, ob und wann diese gekauft werden können. Entsprechend frustriert versuchen wir uns abzulenken. Da Renu und Martin beide gleich morgens zur Arbeit müssen, wandern wir etwas planlos durch die Stadt. Auf Anraten von Martin besuchen wir das anthropologische Museum der Stadt.

Museumsbesuch in Luanda

Nach einem kurzen Mittagssnack an einem der Imbissstände im Herzen der Stadt, schlendern wir langsam zurück. Um unseren herzlichen Gastgebern, die weiterhin keine Anstalten machen uns rauszuwerfen, sondern vielmehr darauf bestehen uns bis zur vollständigen Reparatur unseres Fahrzeugs bei sich zu behalten, etwas zurückzugeben, beschließen wir abends ein schönes Abendessen zu kochen. Das stellt sich als gar nicht so einfach heraus, wenn man sich erst einmal der Lebensmittelpreise in Luanda bewusst wird. Eine Schale aus Portugal importierte Champignons für knapp 10 Euro ist dabei nicht die einzige Überraschung. Aber Hauptsache es schmeckt am Ende.

Der nächste Tag startet erneut mit einer Hiobsbotschaft – wieder konnten die Ersatzteile nicht besorgt werden und die Warterei fühlt sich langsam an wie ein unangenehm zäher Kaugummi und unser Frustrationslevel steigt von Stunde zu Stunde. Da wir zu einem fixen Termin unsere Freunde aus Deutschland in Namibia treffen wollen, ist unsere geplante Route über Zambia mit einem kurzen Abstecher zu den Victoria-Falls und anschließende Fahrt über Botswana nach Namibia zeitlich nicht mehr umsetzbar. Sofern unser Fahrzeug überhaupt wieder einsatzbereit wird und nicht hier an diesem Ort unser Afrika-Abenteuer endet. Die ein oder andere Träne kullert an diesem Tag über meine Wange, da die Situation so aussichtslos scheint und ich nicht wahrhaben möchte, dass vielleicht der Traum „Vom Nockherberg zum Tafelberg“ schon jetzt zu Ende geträumt ist.

Spaziergang entland der Promenade von Luanda

Um auf etwas andere Gedanken zu kommen, wandern wir zu Fuß zu unseren Freunden vom Segelclub Club Naval, mit denen wir seit unserem ersten Aufenthalt in Luanda im Austausch sind. Wir treffen vor Ort Antoine an, der in einem kleinen ausgebauten Schiffscontainer auf dem Segelclub-Gelände Bootsreparaturen vornimmt und gerade alle Hände voll zu tun hat. Nachdem er uns als erstes ein Beruhigungsbier in die Hand gedrückt hat, bietet er an alles stehen und liegen zu lassen und zusammen mit uns und seinem Mechaniker-Kumpel der Autowerkstatt einen Kontrollbesuch abzustatten. Antoine möchte sicherstellen, dass die Werkstatt, der wir derzeit blind vertrauen müssen und der wir seit Tagen unser Hab und Gut anvertraut haben, auch tatsächlich das hält, was sie verspricht. Nach einer guten Stunde Fahrt stadtauswärts erreichen wir die eisernen Tore der Werkstatt. Dort steht unser Rotkäppchen aufgebockt in einer Ecke und wartet sehnsüchtig darauf endlich wieder zusammengesetzt zu werden.

Kontrollbesuch bei Rotkäppchen – ein trauriger Anblick

Während wir ein paar frische Kleidungsstücke aus den Schränken zusammensuchen, schaut sich Antoine und sein Freund unser Auto und die bisher geleisteten Reparaturen an und lässt sich vom Werkstattbesitzer auf Portugiesisch den aktuellen Stand der Reparatur schildern. Auf der Rückfahrt beruhigt uns Antoine – er und sein Kumpel versichern uns, dass der Mechaniker einen guten Eindruck macht und es nicht so aussieht, dass unser Auto gerade ausgeschlachtet und sämtlich noch neuwertigen Teile durch gebrauchte Ersatzteile ausgetauscht werden. Zudem hat ihnen der Mechaniker versichert, dass am nächsten Morgen alle benötigten Ersatzteile vollständig besorgt sein würden und dann das Einbauen beginnen kann. Zurück am Club geben wir eine Runde Bier für Antoine aus und machen uns dann in der Dämmerung entlang der Promenade zu Fuß zurück zu Martin & Renu’s Apartment. Langsam fühlt es sich so an, als würden wir schon ewig in Luanda leben. Im Vergleich zu den vorangegangenen Monaten, in denen wir kaum länger als eine Nacht an einem Ort verbracht haben, schafft es diese Zwangspause uns zu entschleunigen und wieder an einem Ort Fuß zu fassen – wenn auch unfreiwillig.

Der Mittwoch bricht an und die Ungeduld wächst. Klappt es vielleicht heute, dass wir losfahren und Luanda verlassen können? Während Martin uns versichert, dass dies heute definitiv nicht der Fall sein würde, sind wir voller Hoffnung. Eine morgendliche Jogging-Runde an der Promenade gibt uns neuen Schwung und neue Zuversicht. Wir beginnen unsere 7-Sachen zu packen und uns auf die Abreise vorzubereiten. Martin organisiert uns seinen Fahrer, der uns netterweise zur Autowerkstatt bringt. Und dort sitzen wir dann – 1 Stunde, 2 Stunden,…irgendwann hören wir auf auf die Uhr zu schielen. Denn es bringt nichts: Die Reparaturarbeiten an Rotkäppchen wollen einfach nicht enden. Die Jungs, die auf dem Werkstatthof mithelfen, sind etwas verunsichert und zugleich genervt von unserer Anwesenheit, doch unsere Strategie dadurch etwas mehr Zeitdruck aufzubauen, scheint aufzugehen. Es wird fleißig an Rotkäppchen geschraubt und gearbeitet, aber mindestens so oft verliert einer der Jungs irgendein Autoteil bzw. eine Schraube. Das führt zu gemeinsamen Suchaktionen auf dem sandigen Boden, die teils mehr, teils weniger erfolgreich verlaufen.

Nervenprobe – Warten auf die Reparatur von Rotkäppchen im Schatten eines anderen alten Land Rovers

Während wir auf die Fertigstellung unseres Fahrzeugs warten, stellen wir bei einem kurzen Kontrollblick in das Wageninnere von Rotkäppchen fest, dass sich während der letzten Tage eine Maus als neuer Mitbewohner eingenistet hat. Die offene Fahrzeugkarosserie muss zu einladend gewesen sein, um sich einmal an unseren Vorräten zu vergreifen. Dankenswerterweise hat es die Maus aber nicht geschafft in unsere Vorratskiste vorzudringen, wodurch der Schaden überschaubar bleibt. Es wird dunkel und kurzzeitig schaut es so aus, als dass die Werkstatt-Odyssee endlich ein Ende findet. Die letzten Teile werden verbaut und der Motor in der tiefdunklen Nacht angelassen – doch zu früh gefreut: Die Kupplung funktioniert nicht! Nicht nur uns steht die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, auch der etwas korpulente Mechaniker-Meister ist merklich geknickt. Er kann seine Frustration kaum verbergen und schafft es nicht uns in die Augen zu sehen, als er uns in gebrochenem English von diesem Rückschlag berichtet. Er verspricht uns gleich bei Sonnenaufgang mit seinen Jungs das Problem zu beheben und schickt uns mit der ebenfalls enttäuschten und zugleich überarbeiteten Mannschaft in die gegenüberliegende Bar, in der wir bei einem kühlen Getränk auf Renu & Martin warten. Die zwei haben kurz zuvor eine Freundin zum nahegelegenen Flughafen gebracht und sind daher schnell vor Ort, um uns wieder in die Stadt zurückzufahren. Anstatt selbst genervt zu sein, da wir weiterhin ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen, schaffen es Renu & Martin uns mal wieder aufzuheitern. Ein Besuch beim Italiener und eine große Pizza später sieht die Welt gleich wieder freundlicher aus.

Ein kühles Getränk mit der erschöpften & enttäuschten Werkstatt-Crew

Es ist Donnerstag und das bange Warten geht weiter. Ein Ausflug ins Geldmuseum und ein Fahita-Imbiss später, sitzen wir wieder im Auto von Martin auf dem Weg zur Werkstatt.

Hot Dog auf angolanisch – Cachorro Imbiss

Es ist später Nachmittag, als Rotkäppchen wieder komplett zusammengebaut und fahrtüchtig vor uns steht. Zwar merken wir bei einer kurzen Probefahrt, dass unser Auto einige neue, leicht beunruhigende Geräusche aufweist, doch wir scheinen unsere Reise tatsächlich fortsetzen zu können. Nachdem der Auspuff noch festgezogen wurde (wir hatten Glück, dass Max noch rechtzeitig auffällt, dass dieser nicht korrekt montiert worden war, sonst hätten wir sicherlich auf den nächsten Kilometern unseren Auspuff irgendwo von der Schnellstraße aufsammeln dürfen), wird die abermals sehr hohe Rechnung beglichen und wir können endlich wieder losrollen. Der Abschied von der Werkstattmannschaft ist herzlich und wir erhalten noch einen Land Rover Angola Sticker als Erinnerung auf unser Auto geklebt.

Alle sind happy, dass diese Werkstatt-Odyssee endlich ein Ende findet

Mit deutlich leichterer Geldbörse und dafür einem fahrtüchtigen Zuhause rollen wir winkend vom Hof. Es geht zurück in die Innenstadt Luandas– dieses Mal hoffentlich zum letzten Mal. Es ist zu spät am Abend, um noch die Stadt zu verlassen und daher genießen wir den letzten Abend in Luanda zusammen mit all unseren neu gewonnen Freunden im Club Naval. Ein netter Abend geht zu Ende mit Menschen, die wir in kürzester Zeit ins Herz geschlossen haben und bei denen wir uns wohl nie für ihre Herzlichkeit & bedingungslose Gastfreundschaft und Unterstützung richtig revanchieren werden können. Es bleibt uns nur diese sehr positive Erinnerung mit auf die weitere Reise zu nehmen und sich vorzunehmen selbst mit einem derart großem Herz zukünftig fremden Menschen zu begegnen, die in eine Notlage gekommen sind.