Rotkäppchen fährt wieder & wir nehmen schweren Herzens Abschied von Martin und Renu, die uns noch in letzter Minute jede Menge Leckereien zustecken, damit es uns auf unserer Weiterreise an nichts fehlt. Trotz schwerem Abschied von unseren Freunden, fühlt sich die Fahrt gen Süden an wie ein Befreiungsschlag. Endlich dürfen wir wieder in Rotkäppchen sitzen, sehen wunderschöne Landschaften an uns vorbeiziehen und wissen, dass sicherlich das nächste Abenteuer hinter der nächsten Ecke auf uns wartet. Dieses Gefühl von Freiheit ist unbezahlbar und nach unserem Zwangsstopp in Kalandula und anschließend Luanda haben wir endlich wieder das Gefühl dort angekommen zu sein, wo wir hingehören: Mit Rotkäppchen auf den Straßen Afrikas.
Die Autofahrt führt vorbei an ehrwürdigen, großen Baobab-Bäumen, die hier wie Pilze aus dem Boden zu sprießen scheinen. Die Frucht des Baobabs – auch Affenbrotbaum genannt – schmeckt herrlich säuerlich und ist sehr vitaminreich. Während hier in Angola viele Menschen die Früchte für ihren täglichen Lebensmittelbedarf nutzen, ist diese vermeintliche Super-Fruit in Europa beinahe unbekannt. Schade eigentlich.



Den ersten Stopp, den wir nach ca. 2 Stunden Fahrt einlegen, ist Cabo Ledo. Ein Ausflugs-& Erholungsort für Angolaner und den wenigen Touristen, die Angola derzeit jährlich beherbergt. Die langgezogene Bucht von Cabo Ledo ist wunderschön – ein menschenleerer, kilometerlanger feiner Sandstrand und nette kleine Bungalow-Hütten mit Meerblick erwarten uns. Man merkt, dass sowohl Nebensaison als auch Wochentag ist, weshalb wir unbescholten über die Bungalowanlagen bummeln können, ohne angesprochen zu werden. Doch wir wollen heute noch ein paar Kilometer hinter uns bringen, und verlassen nach einer Stunde Strandspaziergang Cabo Ledo.

Weiter geht die malerische Fahrt nach Porto Amboim, einer etwas größeren Hafenstadt, vorbei an Salzpfannen zur Salzgewinnung und schließlich nach Sumbe, der Hauptstadt der Provinz Cuanza Sul.

Leider gibt es hier auf der Strecke keine offiziellen Camping-Plätze und als die Dämmerung über uns anfängt hereinzubrechen, beginnt die altbekannte Stellplatzsuche. Wir steuern einen Strandabschnitt hinter Sumbe an und haben tatsächlich Glück. Eine verlassene Pousada namens Wembele Eco Resort mit kleinem Freizeitpark wird unser Zuhause für eine Nacht.

Für die wenigen Personen, die hier auf der aufgelassenen Fläche an unserem Auto vorbeilaufen, scheinen sich nicht sonderlich für uns zu interessieren. Nachdem wir uns die Füße noch etwas am Strand vertreten haben und es jetzt stockdunkel ist, machen wir uns im Schein der Taschenlampe zu Fuß auf eine kleine Erkundungstour über das scheints seit einiger Zeit vernachlässigte Gelände. Es geht vorbei an einer großen Wasserrutsche (so etwas haben wir tatsächlich auf unserer gesamten Reise noch nicht gesehen) und mehreren Gebäuden, bis wir bei einem Restaurant landen, das tatsächlich geöffnet zu haben scheint. Da wir es als nur höflich erachten, hier zu Abend zu essen, wenn wir schon kostenfrei hier auf dem Gelände parken können, machen wir es uns in dem riesigen Speisesaal gemütlich, den wir komplett für uns allein haben. Der etwas überraschte Kellner, der wohl heute nicht mit Gästen gerechnet hatte, begrüßt uns freundlich und wir bekommen leckeren Fisch mit Kartoffeln bzw. Steak mit einem Ei serviert. Nachdem unsere Mägen wie in letzter Zeit so oft gut gefüllt sind, geht’s mit der Taschenlampe zurück zu unserem Rotkäppchen. Die erste Nacht seit langem auf dem Dach unseres Land Rovers und dazu noch das Meeresrauschen im Ohr – da kann man einfach nur gut träumen.




Nach einer ruhigen Nacht am Meer klettern wir aus unserem Dachzelt. Ohne Frühstück, dafür mit viel Vorfreude auf den nächsten Tag starten wir Rotkäppchen und fahren in Richtung der zweitgrößten Hafenstadt Angolas namens Lobito. Doch bevor wir die an der Atlantikküste gelegene Hafenstadt erreichen, liegen knapp 200 Kilometer Fahrt vor uns.
Dabei passieren wir ganz unverhofft eine Schlucht, die sich links von der Straße ins Landesinnere erstreckt. Spontan parken wir unser Rotkäppchen am Straßenrand, um uns das spektakuläre Naturschauspiel ein wenig näher anzusehen. Da Angola noch touristisch derart unerschlossen ist, sind diese zufälligen Highlights am Straßenrand keine Seltenheit. Das Land strotzt nahezu an natürlichen Sehenswürdigkeiten, doch bisher fehlen die Touristen, um sich diese anzusehen bzw. diese Highlights kommerziell zu vermarkten.



Wir tauschen unsere Sandalen in festes Schuhwerk und machen uns über einen kleinen schmalen Pfad, auf zu einer kleinen Wanderung. Ein bräunlicher Fluss schlängelt sich hier durch zwei hohe Felswände aus Sandstein und die Erosion hat wunderschöne Schichtmuster in die Talwände gezeichnet. Wir sind fast allein auf dem kleinen Trampelpfad. Nur selten kommen uns einzelne Personen mit Spitzhaken entgegen – hier scheint aufgrund der Fruchtbarkeit des Flusses direkt links und rechts des Flusses Feldanbau betrieben zu werden. Ein Knochenjob, wenn man bedenkt, wie schmal der Weg ist und einige steile Kletterstellen den Zugang zu den kleinen Bananen-& Maniok-Feldern erschweren. So schön die kleine Wanderung mitten durch die Felder entlang der Schlucht auch ist – wir müssen umdrehen. Immerhin wartet eine lange Fahrt über teils unwegsames Gelände auf uns.
Der nächste Halt ist schließlich die Hafenstadt Lobito, die uns mit Wellblech bedeckten, sandsteinfarbenen kleinen Gebäuden und riesigen Müllbergen empfängt.

Im Stadtkern herrscht geschäftiges Treiben. Von allen Ecken kommen uns blau-weiße Kleinbusse entgegen, welche die vielen Pendler und Marktfrauen auf Kurzstrecken oder gar Überlandstrecken transportieren. Wir aber versuchen das wuselige Stadtzentrum schnell hinter uns zu lassen und suchen uns den Weg auf die langgestreckte Halbinsel namens Restinga. Hier geht es deutlich ruhiger zu. Es reihen sich wunderschöne, historische Gebäude (u.a. sehen wir ein altes Kino aus der portugiesischen Kolonialzeit, von dem uns Martin erzählt hatte) aneinander und am Ende der Landzunge entdecken wir neben schicken Villen und Wohnungen einige nette am Sandstrand gelegene Bars & Restaurants, die zum Verweilen einladen. In dieser Stadt prallen wieder einmal Welten aufeinander – auf der einen Seite die arme Gegend am Stadteingang mit den hohen Bergen an achtlos weggeworfenen Plastikmüll, der das Straßenbild prägt und auf der anderen Seite das Reichenviertel auf der Landzunge mit Traumstrand und frisch gefegten Straßen. Verrückt, dass Müllentsorgung und -trennung ein Privileg der Reichen ist, da sich die Armen leider keinen Gedanken über Umweltschutz leisten können, da für sie der reine Gedanke ans Überleben omnipräsent ist. Skurril, da letztlich nur der Erhalt einer intakten Umwelt für uns alle das Überleben sichert.




Bei einer langsamen Bummelfahrt über die langgestreckte Halbinsel entdecken wir ein uns allzu bekanntes Gefährt. Die Spanier, denen wir nun schon mehrfach auf unserer Reise – u.a. in Ghana und der Elfenbeinküste – begegnet sind, parkten neben einer kleinen Bar im Sand und scheinen sich hier für ein paar Tage niedergelassen zu haben. Leider ist das Auto abgesperrt und unsere Bekannten ausgeflogen. Daher hinterlassen wir ihnen einen kleinen Zettel mit einem Gruß von „The Germans with the Land Rover Defender with red roof“ und fahren weiter auf der Suche nach einem kleinen Mittagssnack. In einer kleinen Bar werden wir fündig. Nach ein paar Pommes und einem kurzen Plausch mit den freundlichen angolanischen Besitzern der Bar rollen wir weiter. Zu gerne wären wir hier noch eine Nacht geblieben, hätten ein paar Stunden Badespaß und den Strand genossen und zu Fuß die historischen Gebäude erkundet. Aber wir haben leider zu viel Zeit für unsere Autoreparatur verloren, um uns jetzt derartige Pausen zu gönnen.

Die Fahrt geht weiter an der Küste über die Stadt Benguela von wo aus wir in Richtung Grande Dombe ins Landesinnere abbiegen.




Ab dort wird die Straße zur Tortour. Während zuvor lediglich einige komplett weggebrochene Straßenstück auf der ansonsten meist tadellosen Straße für eine aufmerksame Fahrweise gesorgt haben, fehlt hier von jetzt auf gleich jeglicher Straßenbelag und es geht über eine Rumpelstraße, die sich weiterhin Hauptstraße EN100 schimpft weiter gen Süden. Wir wurden bereits vorab von unseren Freunden gewarnt, dass es diese 90 Kilometer in sich haben würden und für Mensch und Maschine zur Gedulds- und Kraftprobe würde. Leider hatte man nicht übertrieben.



Das frustrierende bei der strapaziösen Fahrt mit maximal 20 km/h durch wunderschöne, abwechslungsreiche Landschaften sind die Betonpfeiler, die andeuten, dass hier einmal Brücken und Straßen geplant wurden und der Ausbau einer vernünftigen Schnellstraße, die den Namen auch verdient hat, hier einfach wohl aufgrund mangelnder Gelder eingestellt wurden. Es bleibt zu hoffen, dass hier bald die Arbeiten wieder aufgenommen werden, bevor die bereits gesetzten Pfeiler wieder baufällig geworden sind.

Wir aber kämpfen uns durch sandige, staubige Pisten Kilometer für Kilometer voran und hoffen, dass wir unsere angestrebte Wildcamping-Stelle noch vor Sonnenuntergang erreichen können.

Die Sonne steht bereits sehr tief, als wir ziemlich geplättet die Abzweigung nach Binga Bay erreichen. Den Namen Abzweigung hat diese Straße allerdings nicht verdient, da hier lediglich eine kaum sichtbare Autospur von der schlechten Sandstraße nach rechts abzweigt. Ohne Google Maps & Maps.me hätten wir diese Abzweigung niemals gefunden. Mit dem Wissen, dass wir diese rumpelige Strecke am nächsten Tag wieder zurückfahren müssen, rumpeln wir also weiter über eine noch unwirtlichere Landschaft dem Sonnenuntergang entgegen. Laut Karte sind es lediglich 10 Kilometer zum Strandabschnitt, den wir als unser Nachtquartier auserkoren haben, doch diese haben es nochmals in sich. Als wir schon kurz davor sind aufzugeben, und einfach am „Straßenrand“ unser Zelt aufzuklappen, bricht plötzlich vor uns das Gebirge steil ab und gibt uns einen Blick auf eine traumhafte Bucht frei.

Wir habens fast geschafft – nur noch die steile, kurvige Straße runterrollen. Das Binga Bay ist ein wahrer Juwel – trotz einiger windschiefer Fischhütten am Eingang zur Bucht scheint hier kein Mensch weit und breit zu sein und die untergehende Sonne über dem Meer entlohnt die Strapazen der stundenlangen Rumpelfahrt. Wieder einmal haben sich die Entbehrungen gelohnt und wir mampfen glücklich unser Abendbrot, während wir den Wellen lauschen und die ersten Sterne vom Himmel runterfunkeln.




