Angola – Teil 6: Von Käsefondue in Angola und Freunden fürs Leben

5 Uhr morgens – es ist noch dunkel als uns der Wecker aus dem Schlaf reißt und wir kurze Zeit später zur abenteuerlichen Fahrt zurück in die Hauptstadt Angolas, nach Luanda, aufbrechen. Die fast 5 Stunden dauernde Fahrt verläuft angespannt und in beinahe vollkommener Stille – bis auf die sehr fiesen Geräusche, die unser geliebtes Rotkäppchen von sich gibt. Wenn man nicht wüsste, dass es „nur“ ein Auto ist, könnte man behaupten Rotkäppchen vor Schmerzen winseln zu hören. Max sitzt angespannt im Fahrersitz und versucht mit viel Gefühl die Gänge nach mehrfachem Kupplungstreten in die korrekte Position zu bringen und generell so wenig wie möglich zu schalten. Dies ist auf einer mit teils hüfttiefen Schlaglöchern durchfressenen Asphaltstraße ein wahres Kunststück. Meine Aufgabe ist es dabei frühzeitig Abzweigungen und Kreuzungen anzusagen und ansonsten die Klappe zu halten, um nicht die ohnehin schon zum Zerreißen angespannten Nerven noch mehr zu strapazieren. Zwar schaffen wir es dank Max‘ Finger- bzw. besser gesagt Fußspitzengefühl und Rotkäppchens Durchhaltevermögen ohne weitere Panne zurück in die Vororte von Luanda zu gelangen, doch dort beginnt eine Suchfahrt der ganz besonderen Art. Martin hatte uns am Abend zuvor durch die Beschreibungen des selbsternannten Maestro versucht zu erklären, wo wir die Werkstatt ausfindig machen können, bei der die in Rotkäppchen verbauten Ersatzteile gekauft worden sind – welche entweder falsch ausgesucht oder unsachgerecht verbaut wurden. Doch wie soll man in einer Millionenstadt mit unzähligen Werkstätten und ohne Straßennamen nur die richtige finden?

Nach erfolglosem Auf- und Abfahren entlang der vielbefahrenen Einfallschneiße in Richtung Stadtmitte, geben wir schließlich auf und rufen in unserer Verzweiflung erneut unseren Helfer Martin an. Dieser schafft es tatsächlich den Werkstattbetreiber ausfindig zu machen und zu organisieren, dass dieser uns auf einem nahgelegenen Parkplatz eines Supermarktes abholt. Gut so, wie sich später herausstellt, da die Werkstatt nicht wie ursprünglich angenommen an der Hauptstraße liegt, sondern über tiefe Sandpisten, die durch einen Wellblechvorort von Luanda führen, zu erreichen ist. Die mit einem großen Stahltor abgeriegelte „Werkstatt“ weist kein Schild auf, das auf die Existenz dieser hinweisen würde. Ohne Hilfe hätten wir diesen Ort sicherlich nicht gefunden.

Nun stehen wir endlich in der Einfahrt der „Werkstatt“, die zumindest neben einigen verrosteten und einigen teils modern wirkenden Land Rover Modellen auch eine kleine Werkstattrampe im Freien aufweist. Darüber hinaus liegen überall alte Autoteile, Schrauben, ein paar Essensreste und Reifen auf dem Sandboden. Eine weitere Freiluftwerkstatt auf Sandboden also – aber zumindest die Werkstatt-Mannschaft scheint auf den ersten Blick etwas vertrauenswürdiger zu sein und ambitioniert uns aus dieser misslichen Lage zu befreien und unser Rotkäppchen wieder auf Vordermann zu bringen.

Neue Werkstatt – neues Glück

Doch die Arbeiten können nicht sofort, sondern erst an den Folgetagen begonnen werden. Das bedeutet, dass wir unser Auto mit samt unseren Habseligkeiten hier zurücklassen müssen, da eine Übernachtung auf dem Werkstatthof nicht möglich ist. Das Gelände wird durch bissige Wachhunde nachts geschützt und man uns sagt, dass uns diese „zerfleischen“ würden. Das muss dann doch nicht sein.

Andere Kunden & scheints auch Freunde des Werkstattbesitzers, die gut Englisch sprechen können, helfen uns bei der Übersetzung der von uns festgestellten Mängel und erklären sich zudem sofort bereit uns zusammen mit ein paar von uns schnell für eine Übernachtung in der Stadt zusammengepackten Sachen mit ins Stadtzentrum mitzunehmen. Und wäre dies nicht schon Hilfsbereitschaft genug, lädt uns Martin ein, dass wir bei ihm und seiner Frau Renu in Luanda übernachten können. Er würde nicht erlauben, dass wir uns in dieser misslichen Lage ein teures Hotel suchen müssten und würde sich freuen uns zu beherbergen. Dabei muss man sich bewusst sein, dass wir Martin & Renu bisher nur von einem einzigen gemeinsamen Abend in Kalandula kennen und ihre Hilfe schon mehr als genug in Anspruch genommen hatten, um mit dem Maestro zu kommunizieren. Als wir schließlich direkt an der Strandpromenade von Luanda aus dem Wagen unserer Mitfahrgelegenheit springen, sind wir ziemlich beeindruckt. Das Gebäude, das uns Martin als seine Wohnadresse genannt hatte, liegt direkt gegenüber dem Meer in bester Lage und als wir mit dem Aufzug ins obere Stockwerk fahren, ahnen wir bereits, dass wir jeden Moment einen gigantischen Ausblick genießen können. Und so ist es auch – eine riesige Glasfront im Wohnzimmer gibt einen wunderschönen Blick auf die Strandpromenade und das Meer preis, während auch der Rest der Wohnung mehr als großzügig, geschmackvoll eingerichtet und vor allem sehr wohnlich ist. Wir fühlen uns sofort wie bei Freunden zuhause und werden auch entsprechend empfangen. Da sowohl Martin als auch Renu unterwegs beim Arbeiten sind, öffnet uns ihr Freund Sundip aus Indien die Tür, den wir bereits bei der Lodge als fröhlichen, leicht sarkastisch angehauchten Zeitgenossen kennenlernen durften und der uns sofort Essen zubereitet und uns unser Zimmer zeigt, in dem wir heute übernachten dürfen. Zudem informiert er uns, dass Martin darauf bestanden hat, dass wir das Fort von Luanda besichtigen. Auch wenn Sundip nicht sonderlich überzeugt von diesem Vorhaben zu sein scheint, lassen wir uns kurze Zeit später von Martin’s Chauffeur (Wahnsinn, welchen Luxus man hier als Expert in Luanda, der teuersten Stadt Afrikas genießen kann!) abholen und zur Festung namens Sao Miguel bringen. Wir sind Martin sehr dankbar für diesen organisierten Ausflug. Zwar wären wir selbst wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen, doch bringt uns dieser kleine Ausflug mit Kultur, Geschichte & einen tollen Blick auf Luanda auf neue Gedanken und wir verbringen mit Sundip einen äußerst unterhaltsamen Nachmittag. Das von den Portugiesen errichtete Fort, das lange Zeit zum Schutz von Luandas Hafen und dessen Sklavenhandel gedient hatte, ist nun ein Militärmuseum, über das man gemütlich schlendern kann.

Als wir von unserem Ausflug zurückkommen, empfangen uns Renu und Martin sehr herzlich und laden uns schließlich zu einem leckeren Abendessen in einem schicken Restaurant mit Rooftopbar ein. In mir brodelt die Gefühlswelt – einerseits bin ich niedergeschlagen & traurig über das möglicherweise drohende Ende, sollten die Mechaniker es nicht schaffen unser Rotkäppchen wieder fit zu bekommen und gleichzeitig verbringen wir gerade mit unseren neuen Freunden einen wunderschönen Abend mit leckerem Essen und Trinken, wie wir es schon seit 4 Monaten nicht mehr erlebt haben und dürfen hier in eine Welt eintauchen, die wir sonst niemals zu Gesicht bekommen hätten.

Große Schlemmerei in Luanda – da kann man kurz mal die Sorgen um Rotkäppchen vergessen

Dabei fällt stark auf, dass im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern, es hier keine privilegierte weiße Oberschicht gibt, die sich alleinig ein verhältnismäßig teures Essen und Trinken leisten kann. Vielmehr sitzen bunt gemischt die verschiedenen Ethnien an den Tischen rechts und links von uns und genießen gemeinsam einen schönen Abend. Eigentlich traurig, dass einem dies derart prägnant auffällt und damit zeigt, welches Bild ich bisher hier in Afrika teils bewusst und teils unbewusst wahrgenommen habe. Umso mehr aber freue ich mich hier in Luanda zu sehen, wie es eigentlich sein könnte und sollte. Auch der leckerste Abend geht irgendwann zu Ende und Max und ich fallen erschöpft und seit langem wieder richtig vollgegessen ins Bett.

Ein kulinarisches Highlight jagt das nächste: Denn am nächsten Morgen ist Samstag und das bedeutet Renu & Martin müssen nicht in die Arbeit fahren, sondern verbringen mit uns und Sundip einen gemütlichen Vormittag mit einem ausführlichen Brunch. Dabei gibt es nicht nur köstliche frische Papaya, sondern Martin kommt auf eine geniale Idee: Vom letzten Deutschlandbesuch hat er Käsefondue mitgebracht und fand, dass es jetzt an der Zeit sei, es mit uns gemeinsam zu verputzen. Als hätte er geahnt, wie glücklich mich die Aussicht auf Käse machen würde! Dadurch dass es in den meisten Ländern, die wir in den letzten Monaten durchquert haben, keine ausreichende Kühlkette gibt, ist Käse Mangel- bzw. Luxusware. D.h. man bekommt außer analogen Scheiblettenkäse, der nicht gekühlt werden muss, kaum Käseprodukte und wenn dann nur zu horrenden Preisen, weshalb wir schon seit einer gefühlten Ewigkeit keinen richtigen Käse mehr gegessen haben. Und nun steht er vor uns – flüssig & heiß dampfend. Ich bin im absoluten Käsehimmel und einfach nur unendlich dankbar für diese tollen Gastgeber, die scheints spüren, wie sie uns glücklich machen können.

Nachdem wir vollgefuttert und glücklich am Küchentisch sitzen und den letzten Käse aus dem Topf gekratzt haben, schmieden wir weitere Pläne. Da Martin sehr eindeutig klargestellt hat, dass wir nicht darauf hoffen brauchen vor Montag ein Feedback von der Werkstatt zu erhalten, überlegen wir gemeinsam, was wir bis dahin unternehmen könnten. Dabei steht seitens Renu & Martin nicht zur Debatte, ob diese Ausflüge mit oder ohne uns stattfinden sollen. Wir sind schon fester Bestandteil der kleinen Ausflugstruppe zusammen mit Sundip und so geht es zu fünft in Martin’s Wagen in Richtung Kwanza River. Es tut richtig gut in entspannter Gesellschaft einen Ausflug zu starten und dabei viel Hintergrundwissen über Angolas Land & Leute zu erfahren und einfach nur den Moment genießen zu können. Und so verlassen wir auf der Hauptstraße EN100 Luanda Richtung Süden und stehen kurze Zeit später vor einem beeindruckenden Naturschauspiel. Am sogenannten „Viewpoint of the Moon“ parken wir das Auto. Eine surreale Mondlandschaft erstreckt sich vor unseren Füßen Richtung Meer.

Surreale Mondlandschaft im Süden von Luanda

Die Miradouro la Lua, wie diese sonderlich wirkende Landschaft bzw. der Ausblick darauf genannt wird, ist über Jahrhunderte hinweg durch Regen- & Winderosion entstanden und wirkt befremdlich und wunderschön zugleich. Wir können uns kaum satt sehen an diesem schönen Ausblick und wünschten, man könnte hier campen – wenn wir doch unser Rotkäppchen wieder hätten!

So aber fahren wir weiter gen Süden, bis wir den Kwanza River erreichen, auch Rio Cuanza genannt, der die Provinz Luanda von der Provinz Bengo trennt und sich einmal quer durchs Land schlängelt, um schließlich im Meer zu enden. Leider sind wir etwas zu spät, um noch eine Bootstour entlang des Rivers zu unternehmen, doch ein kurzer Spaziergang an der Landzunge, an der das Süßwasser auf das Meerwasser trifft und ein anschließend kühles Bier mit Ausblick auf diese wunderschöne, grüne und fruchtbare Landschaft ist auch nicht schlecht.

Meermündung des Kwanza Rivers

Leider werden wir in dieser Stimmung aus den schönen Gedanken gerissen, da uns ein Anruf von unserem Automechaniker erreicht. Er habe sich Rotkäppchen angesehen und die Teile seien falsch verbaut worden und hätten auf der Fahrt von Kalandula nach Luanda stark gelitten, weshalb erneut Ersatzteile besorgt werden müssen. Auch wäre eine zu kleine Kupplungs-Scheibe eingebaut worden. Heißt im Klartext: Besorgung neuer Autoteile und weiteres Warten, bis die Reparatur tatsächlich vorgenommen werden kann. Vor allem mit dem Sonntag vor der Tür, brauchen wir mit einem Aufbruch vor Dienstag aus Luanda nicht zur rechnen. Ein weiterer Rückschlag – aber Martin & Renu wissen uns erneut aufzumuntern. Nicht nur bestehen sie darauf, dass wir bis zur finalen Reparatur ihre Gäste in Luanda sind, sondern sie laden uns auch noch auf leckere Choco Fritto ein– fangrischer Tintenfisch, der frittiert wird und mit Zitrone beträufelt weggefuttert werden kann. Einfach herrlich. Was würden wir nur ohne diese wahnsinnig herzlichen Menschen machen?

Wieder geht ein Tag zu Ende – Mondschein hinter einem Baobab-Baum