Republik Kongo – Teil 4: Das Visum für Angola

Früh morgens wachen wir am „Panorama“-Parkplatz irgendwo zwischen Pointe-Noire und Dolisie auf. Begleitet vom Vorbeidonnern der Lastwagen packen wir in Windeseile unser Zelt ein und starten die Fahrt gen Dolisie, mit dem Ziel dort ein Visum für Angola aufzutreiben.

Um Punkt 8 Uhr stehen wir vor der angolanischen Botschaft. Doch trotz der angeschlagenen Öffnungszeiten ab 8 Uhr tut sich hier nichts. Wieder einmal wird uns bewusst, dass man trotz monatelanger Reise durch den fremden Kontinent, seine deutschen Wurzeln und die damit einhergehenden Stereotype nicht ganz verleugnen kann: Deutsch-spießige Pünktlichkeit trifft auf afrikanisches Laissez-faire. Das Sprichwort

„Die Europäer haben die Uhr, die Afrikaner die Zeit“

könnte nicht passender sein.

Nach einigem ungeduldigen Warten und Klopfen erbarmt sich endlich einer der Wachmänner und lässt uns wissen, dass die Botschaft heute erst ab 10 Uhr besetzt ist. Wir sollen in 2h zurückkommen. Wir holen uns erst einmal ein Frühstück, kaufen frisches Obst & Gemüse und planen unsere Weiterfahrt. Endlich ist es 10 Uhr. Pünktlich stehen wir wieder vorm Botschaftsgebäude und werden dieses Mal vom Wachmann in den Innenhof der Botschaft geführt, wo wir brav auf zwei Plastikstühlen Platz nehmen und warten. Nach weiteren zähen 15 Minuten dürfen wir vorsprechen und unser Gesuch nach einem Visum vorbringen. Doch schnell wird klar – so einfach wie erhofft wird die Beschaffung des Visums nicht. Der Konsul, der normalerweise die Unterschrift unter das Visum setzt, ist nicht in Dolisie. Ohne Konsul kein Visum, erklärt man uns. Doch so schnell geben wir nicht auf. Wieder wird das beste und höflichste Französisch hervorgekramt und mit Engelszungen erklärt, wie dringend wir das Visum benötigen und warum sie uns den Tag retten würden, wenn doch eine Ausstellung der dringend benötigten Dokumente möglich wäre. Die Angestellte scheint Mitleid mit uns zu haben, oder einfach nur zu hoffen uns möglichst schnell loszuwerden. Sie versucht nochmals ihr Glück beim Stellvertreter.

Während Max weiter geduldig auf die Rückmeldung wartet, beginne ich mich um Plan B zu kümmern: Seit wenigen Tagen gibt es nämlich auch ein Online-Formular, über das man ebenfalls ein Visum für Angola beantragen kann. Zwar ist dieses Verfahren so frisch, dass wir nicht wissen ob es (a) überhaupt funktioniert und (b) die Grenzen dieses Visum-Verfahren kennen bzw. anerkennen werden. Doch als Max geknickt zum Auto zurückkehrt ist klar, dass dies unsere einzige Chance sein wird, um nach Angola einreisen zu dürfen. Die Beamte im Konsulat hat alles versucht und wir hätten tatsächlich von einem Stellvertreter des Konsuls ausnahmsweise die Unterschrift erhalten, doch hat sich herausgestellt, dass es keine Sticker mehr gibt, die man benötigt, um das Visum zu vervollständigen. Es scheitert also an einem kleinen Aufkleber, der das Visum gültig macht.

Also doch Plan B: Mit dem Laptop auf dem Schoss im mittlerweile 40 Grad warmen Landy sitzend, versuche ich an die Visa für Max und mich zu kommen. Dafür müssen Impfnachweise nach bestimmten Vorgaben gescannt, eingefärbt, zugeschnitten und schließlich hochgeladen werden. Außerdem sind Passbilder und Bilder des DRC Visums notwendig. Nach schier endlosen Upload-Versuchen bei mäßig stabilem Internet und vollkommen durchgeschwitzt, schaffe ich es endlich den „Beantragen“-Button zu drücken und es dauert keine Minute, schon erhalte ich eine Bestätigungsmail. Hier scheint tatsächlich keine Prüfung des Visa-Gesuchs oder der beigefügten Dokumente zu erfolgen, sondern das Visum wird ungeprüft ausgestellt. Auch gut! Wir lassen die zwei PDFs noch in mehrfacher Ausführung in einem kleinen Copy-Shop ausdrucken – sicher ist sicher – und springen ziemlich erleichtert in Rotkäppchen. DRC und danach Angola – wir kommen!

Bevor wir uns aber auf den Weg von Dolisie zur ca. 120km entfernten kleinsten Grenze zwischen der Republik Kongo und der Demokratischen Republik Kongo aufmachen, wollen wir auf Nummer Sicher gehen, ob die Strecke dorthin tatsächlich befahrbar ist und wir uns hier nicht unnötig einem Risiko aussetzen. An der vielbefahrenen Kreuzung zwischen Dolisie und der Hauptstraße zwischen den Großstädten Pointe-Noire & Brazzaville bleiben wir also nochmals kurz an einer großen Tankstelle stehen, befüllen zum ersten Mal seit Anfang der Reise unsere Reserve-Benzinkanister und fragen mehrere Lastwagen-Fahrer, wie die Strecke zur Grenze ist und was uns an Straßenqualität erwartet. Zuerst grinsen uns die Fahrer etwas schief an, dann entsteht eine hitzige Diskussion untereinander, die wir leider aufgrund der Sprachbarriere nicht vollumfänglich nachvollziehen können. Vielleicht hätte uns diese Diskussion und die Tatsache, dass die meisten der Fahrer mit blutunterlaufenen Augen bei der zweiten oder dritten Flasche Bier am frühen Vormittag sitzen, stutzig machen sollen. Doch wir freuen uns, als sie nach 5-minütigem Hin- und Her uns versichern, dass die Strecke bis zu dieser kleinen, in kaum einer Karte eingezeichneten und auch auf Google nicht auffindbaren Grenze in ca. 2-3 Stunden machbar wäre und sie dort schon mehrfach langgefahren wären. Die Straße wäre okay. „Pas de problème!“ ist die einhellige Meinung der angetrunkenen Männer. Na, die müssen‘s ja wissen, sind ja schließlich Locals!

Mit dieser Gewissheit im Gepäck, startet also das große Abenteuer Grenzübertritt DRC. Ein Abenteuer, auf das wir wohl gerne beide verzichtet hätten und das wir wohl nie wieder vergessen werden. Eine Geschichte, die wir uns erst getraut haben unseren Familien und Freunden zu erzählen, als wir wieder gesund zurück in Deutschland waren. Aber lest selbst…

Dolisie – mit seinem ganz besonderen Einkaufs-Charme