„Pas de problème“ haben sie gesagt…
“La route est bonne“ haben sie gesagt…
In dieser Nacht schwöre ich mir, dass ich nie wieder auf angetrunkene, kongolesische Trucker-Fahrer hören werde! Aber mal der Reihe nach.
Nachdem wir Dolisie verlassen und von der frisch geteerte Hauptstraße auf das sandige Straßenwirrwarr abgebogen sind, das sich durch die Ausläufer der Stadt schlängelt, wird uns bewusst, dass die beschriebenen 2-3h Fahrzeit bis zum Erreichen der 120 Kilometer entfernten Grenze zwischen der Republik Kongo und der Demokratischen Republik Kongo vielleicht etwas optimistisch geschätzt waren. Wir fahren vorbei an Wellblechhütten, auf dem sandigen Boden spielenden Kindern und kamikazehaft die Straße kreuzenden Hunden und Hühnern, die wohl nicht sonderlich an ihrem Leben zu hängen scheinen. Dabei versuchen wir uns einzureden, dass die Straße vielleicht hinter der Stadt besser werden würde, da dort weniger Verkehr herrscht.

Doch leider bleibt diese Vorstellung ein Wunschtraum. Bis zum ersten kleinen Dorf hinter Dolisie, worüber man uns erzählt hatte, dass man bis dorthin ca. 30 Minuten brauchen würde, benötigen wir ganze 3 Stunden! Als wir das kleine Dorf bestehend aus kleinen Hütten rechts und links der Straße durchqueren, findet unsere Fahrt jäh an einem Schlagbaum sein Ende. Hier werden wir von einem Polizisten abgefangen und dieser führt uns zunächst in seine „Polizeistation“, wo wir uns in das große, zerfledderte Buch auf dem wackeligen Holzschreibtisch eintragen sollen. Doch als er uns fragt, wo wir denn hinfahren möchten, schüttelt er verständnislos den Kopf und fragt uns mit besorgtem Gesicht, ob wir den tatsächlich planen würden unser Auto im Fluss zu versenken? Er erklärt uns, dass es in den letzten Tagen so viel geregnet hätte, dass der auf dieser Strecke zu überquerende Fluss aktuell sehr viel Wasser mit sich führt und das Wasser einem bis zur Schulter gehe. Nur mit Glück würde man diesen Fluss durchfahren können, ohne dabei weggespült zu werden. Die Alternative: Man müsse wieder 22 Kilometer zurückfahren, um auf die nur 6 Kilometer entfernte Parallelstraße zu gelangen. Hier wäre die Wasserdurchfahrt kein Problem.
Wir sind hin- und hergerissen, ob wir dem Polizisten glauben schenken sollen, oder doch lieber unser Glück mit Rotkäppchen versuchen sollen. Wofür haben wir denn unser mit einem Schnorchel für tiefe Wasserdurchfahrten ausgestattetes Geländefahrzeug? Doch zuletzt überwiegt die Vernunft und wir drehen um. Gut zwei Stunden fahren wir zurück bis kurz vor Beginn der Stadt Dolisie, um dann den Abzweig nach rechts zur Parallelstraße zu nehmen. Als wir uns endlich über den schmalen Zubringer gequält und die ersten fiesen Kratzer in Rotkäppchens Lack gefahren haben, wissen wir, dass es jetzt kein Zurück mehr gibt. Just in diesem Moment stelle ich fest, dass unser Tracking Device InReach den Geist aufgegeben hat. Es lässt sich nicht mehr anschalten und wir sind somit von der Außenwelt komplett abgeschnitten, da es in dieser verlassenen Gegend natürlich auch kein Internet gibt. Normalerweise nutzen wir das Gerät nur, um für Notfälle gewappnet zu sein und um automatisiert den Daheimgebliebenen in regelmäßigen Abständen unseren Standort mitzuteilen, damit sich keiner um uns zu sorgen braucht. Zudem gibt einem die SOS-Taste des Geräts ein gewisses Gefühl der Sicherheit, da man weiß, dass man im Falle eines Notfalls, Unfalls oder in einer gefährlichen Situation so zumindest ein Hilfe-Signal absenden kann. Das ist nun passé.
Parallel mit dem Ausfall unseres Tracking-Devices wird auch die Straße zunehmend schlechter. Lange Schlammpassagen, Wasserdurchquerungen und kleine Erdrutsche vom Starkregen der letzten Wochen machen die Fahrt mehr und mehr zur Herausforderung.

Dazu kommt noch, dass im Lichte der Dämmerung uns ein Fahrzeug entgegenkommt – das erste wohlgemerkt, seitdem wir von der Hauptstraße abgebogen sind. Ein überladener, stark schwankender Lastwagen erscheint aus dem Nichts vor uns und aufgrund des hohen Grases rechts und links können wir nur schwer seitlich ausweichen, ohne Gefahr zu laufen uns festzufahren. Und so kommt das Unvermeidbare: Wir versuchen uns sehr langsam an dem großen Gefährt vorbeizubewegen, als dieses ebenfalls wieder anfängt anzufahren, dabei ins Schwanken gerät. Ein fieses Kratzgeräusch bestätigt, dass wir uns dabei zu nahe gekommen sind. Wild fuchtelnd springen die jungen Männer, die bisher auf dem Lastwagen gesessen hatten, vom Dach und geben konfuse und widersprüchliche Anweisungen an Max und den Lastwagenfahrer. Während Max zum Fluchen und Schimpfen anfängt, zwänge ich mich aus der kaum zu öffnenden Tür, um seitlich das Gestrüpp niederzutreten und zu prüfen, ob wir hier noch weiter ausweichen können, ohne im Morast steckenzubleiben. Währenddessen wird die Stange, die sich mit unseren seitlich am Auto befestigten Benzinkanistern verkeilt hat, herausgestemmt und langsam arbeiten wir uns in Millimeter-Arbeit an dem großen Ungetüm vorbei. Geschafft! Lediglich die Kanister und deren Halterung haben einige tiefe Kratzer abbekommen. Rotkäppchen an sich ist unversehrt geblieben.
Die Weiterfahrt verläuft ohne weiteren Gegenverkehr, bis wir schließlich von der Dunkelheit der Nacht umgeben sind und uns eingestehen müssen, dass eine Weiterfahrt zu gefährlich wäre. Wir sind laut unserer Karte ungefähr auf Höhe des Dorfes angekommen, bei dem wir von dem Polizisten zum Umdrehen überredet wurden. Seither sind weitere 5 Stunden vergangen. Insgesamt haben wir also von Dolisie aus nur 30 Kilometer geschafft und das in rund 8 Stunden. Weitere 90 Kilometer liegen noch vor uns, bis wir die Demokratische Republik Kongo erreichen.
Wir parken vollkommen erschöpft rechts von der Straße neben einem Holzstand, auf dem scheints Maniok unter dicken Plastikplanen zum Trocknen ausgelegt wurde. Hier in der Nähe muss also ein kleines Dorf sein, doch das interessiert uns in diesem Moment nicht. Die Aufregung der letzten Stunden hat Spuren der Erschöpfung bei uns beiden hinterlassen und ich merke, dass es mir neben den Strapazen des Tages auch so zunehmend schlechter geht. Ohne Abendessen krabble ich mit letzten Kräften in unser Dachzelt, wo ich von Fieberschüben, Glieder-& Kopfschmerzen geplagt und mit Ohren- und Zahnschmerzen eine schreckliche Nacht durchlebe. Bitte lass das kein Malaria sein!
„Pas de problème“ haben sie gesagt…
“La route est bonne“ haben sie gesagt…
In dieser Nacht schwöre ich mir, dass ich nie wieder auf angetrunkene, kongolesische Trucker-Fahrer hören werde!