Für eine derartig strapaziöse Reise für Mensch und Maschine, wie wir sie vorhaben, sollte man unter keinen Umständen die Frage nach dem richtigen Fahrzeug und im zweiten Schritt nach der richtigen Ausstattung für das Fahrzeug auf die leichte Schulter nehmen.
Grundsätzliche Überlegungen
Zunächst ist einmal zu klären, durch welche Länder und v.a. welches Gelände man fahren wird und mit welchen technischen Ausstattungen & mechatronischem Know-How die Werkstätten der einzelnen Länder aufwarten können. In unserem Fall war von Anfang an klar, dass ein Gefährt mit Allrad Pflicht sein würde. Es sollte zudem möglichst wenig Elektronik aufweisen, die während der Fahrt kaputt gehen kann, da unsere Erfahrung auf unseren bisherigen Afrika-Reisen war: Die Leute vor Ort sind sehr erfinderisch und geschickt, wenn es um das Beheben diversen Autopannen geht – z.B. mit Hilfe eines alten Flip Flops (!) einen platten Auto-Reifen wieder fahrtauglich zu machen, ist überhaupt kein Problem. Doch wenn es an das elektronische Auslesen von Fahrzeugdaten und die Reparatur von elektronischen Problemchen geht, sind meist entsprechende Geräte und Ersatzteile Mangelware. Daher war für uns schnell klar, dass ein Land Rover Defender genau der richtige motorisierte Untersatz für unsere Transafrika-Reise ist.
Die Anschaffung des Autos
Allerdings ist diese Art von Auto aktuell stark begehrt – nicht nur, dass schon seit 2016 keine Land Rover Defender mehr gefertigt werden, sondern auch die Begehrlichkeit nach diesen Kult-Mobilen steigt zunehmend. Dies hat zur Folge, dass man sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt nicht nur gegen andere Overlander, Landwirte oder Personen mit tatsächlichem Bedarf an einem Allradgefährt durchsetzen muss, sondern auch gegen die Arzt-Gattin, die mit dem „Fendy“ gerne die Kinder in die Schule bringt.
Auf der Suche nach einem Land Rover Defender 110 landen wir allerdings einen Glücksgriff – über ein Land Rover Autohaus bekommen wir eine Privatadresse genannt. Und Ines, die damalige Eigentümerin, und ihr „Rotkäppchen“, wie ihr Landy von ihr liebevoll genannt wird, sind uns sofort sympathisch. Auch Ines freut sich darüber, dass ihr geliebtes Fahrzeug bald richtigen Auslauf in Afrika bekommen soll und wir werden schnell handelseinig. Wir sind nun stolze Besitzer eines Land Rover Defenders 110 – Td4, Baujahr 2012 mit gut 100.000 Kilometern.

Der Ausbau
Zwar haben wir nun unser Traumauto für die Fahrt nach Afrika gefunden, damit geht aber das Kapitel „Auto“ erst richtig los. Immerhin wollen wir 6 Monate in diesem Vehikel nicht nur sicher von A nach B gelangen, sondern auch drin leben & wohnen – d.h. neben Küche, Schränke, Bett und Stauraum muss auch für ausreichend Strom, Wasser und Komfort gesorgt werden. Ohne einen professionellen Fachmann an der Seite, wird so ein Unterfangen spätestens bei der Elektronik zum Horror. Glücklicherweise ist Flo (Max‘ handwerklich wahnsinnig begabter Bruder) begeistert von unserem Vorhaben und willigt ein, uns beim Ausbau zu unterstützen – oder vielmehr die Projektleiter- & Ingenieurs-Rolle zu übernehmen. Das ist unser Glück, denn mit unseren linken Händen und ohne Flo, wären wir in 2022 noch nicht in Afrika!

Schritt #1 – Ausschlachten
Zunächst gilt es alle überflüssigen, verbauten Teile aus dem Landy zu bekommen. Das bedeutet in unserem Fall 5 Sitze und die seitlichen Verkleidungen des Land Rovers auszubauen. Eigentlich kein schwieriges Unterfangen, wenn nicht gerade immer mindestens eine Schraube angerostet und unbezwingbar ist. Nach etlichen Stunden Arbeit ist aber auch das letzte überflüssige Teil ausgebaut und sicher verstaut.
Schritt #2 – Folierung
Damit nicht jeder sofort erkennt, welche Wertgegenstände sich im Innenraum des Fahrzeugs befinden, haben wir uns entschieden die Fenster im Rückraum professionell folieren zu lassen. Das hat außerdem auch noch den großen Vorteil, dass die Sonne nicht so stark ins Wageninnere knallt und wir beim Schlafen im Innenraum gut abgeschirmt sind von hellem Licht und neugierigen Blicken. Das Ganze haben wir bei der Foliererin unseres Vertrauens gemacht – Janine von PINK Folierung. Die liebe Janine versteht nicht nur sehr viel von Ihrem Handwerk, sondern war auch noch so großzügig uns ihre Werkstatt am Wochenende für den Ausbau zur Verfügung zu stellen – bei Minusgraden & Schnee im Dezember eine mehr als edle Tat!


Schritt #3 – Elektronik
Damit wir unterwegs möglichst unabhängig von externen Stromquellen sind – und oft wird es diese Quellen auch gar nicht geben – haben wir Flo’s Vorschlag eine zweite Batterie einzubauen sofort zugestimmt. Diese kann über zwei Wege aufgeladen werden: Während der Fahrt über die Lichtmaschine oder über eine Solarzelle auf dem Dach. Dafür wird die große 110Ah LandRover Batterie gegen zwei 80Ah Batterien von RunningBull ausgetauscht und der bisherige Platz der Batterie unter dem Fahrersitz bis in den letzten Winkel perfekt ausgenutzt. Im gleichen Schritt hat „Projektleiter Flo“ noch Teile ergänzt, die wir zuvor noch nie gesehen geschweige denn davon gehört hatten, jetzt aber dank geduldiger und ausführlicher Erklärung durch Flo auch wissen wofür sie gut sein sollen: z.B. ein Trennrelais, ein Ladegerät mit externer Lademöglichkeit oder ein Sicherungskasten für die zusätzlich verbauten Verbraucher. Um für das alles genug Platz zu haben, wird eine Cubby-Box-Erhöhung eingebaut, wodurch die Box dann auch endlich eine angenehme Höhe als Armablage erreicht. Ein WIN-WIN Umbau also. Doch die finale Verkabelung und der Anschluss der insgesamt 8 Steckdosen, unserer Kühlbox, der Solarzellen, der Innenraumbeleuchtung und der Duschpumpe muss bis zur Fertigstellung des Innen-& Außenausbaus noch warten.




Schritt #4 – Ausmessen & Einzelteile bestellen
Das Auflisten, Recherchieren, Diskutieren und finale Bestellen der ganzen Einzelteile nimmt fast am meisten Zeit in Anspruch. Die „Projekt Landy“-Whatsappgruppe explodiert zwischendurch beinahe, wenn diverse Einzelteile diskutiert, Links geshared und Ideen & Wünsche hin- und hergeschickt werden. Doch hat man sich erst auf eine Variante verständigt, geht die große Suche nach zeitnaher Verfügbarkeit, bestem Preis & niedrigsten Versandgebühren los. Fast alles muss online bestellt werden, da es nicht wirklich lokale Fachgeschäfte gibt, die Dinge wie Unterbodenschutz, Schubladenauszüge und Solarpanels gelistet oder gar lagernd haben.
Nachdem das Innere des Landys ausgemessen und von Flo erste Detailzeichnungen für den Innenausbau erstellt sind, kann die eigentliche Handarbeit losgehen.
Schritt #5 – Innenausbau
Im Innenbereich von Rotkäppchen hat Flo jeden Zentimeter optimal verplant und akribisch funktional ausgenutzt: Neben einem großen Schrank mit 3 Türen, einer Sitzbank, einer 1-meterlangen ausziehbaren Schublade, einer Kühlbox, einer Vorratsbox, einer Klappbox für Medizin, und einem optionalen Notbett für stürmische Nächte ist alles vorhanden. Das Ganze wird abgerundet mit entsprechender Elektrizität (6 USB-Steckdosen, 2 12Volt-Steckdosen, LED-Lichtleiste), einer Vorrichtung für die Gasflasche und den Wassertank mit Duschbrause. Doch was sich in der Theorie nach einem genialen Coup von Flo anhörte, bedeutete in der Praxis stundenlanges Bohren, Schrauben und Nieten. Dabei schwanden zu später Stunde nicht nur die menschlichen Kräfte, sondern auch das ein oder andere Gerät machte die Grätsche (R.I.P. Flipper, unsere treue Nietzange). Wochenende für Wochenende wurde Rotkäppchen bearbeitet – dabei konnte es schon passieren, dass man 14 Stunden am Stück arbeitete und vollkommen die Zeit vergaß.







Hier ein kurzer Einblick, wie eine der Samstags-Sessions abliefen:

Schritt #6 – Außenausbau inkl. Dachzelt
Während der Innenbereich mehr & mehr Gestalt annahm, blieb der Außenbereich lange Zeit unberührt. Das hing zum einen damit zusammen, dass viele Teile in England bestellt werden mussten und lange auf sich warten ließen (preislich unschlagbar, auch wenn man die Ökobilanz ausblendet muss, um kein schlechtes Gewissen zu bekommen). Zum anderen aber wäre es wenig sinnvoll gewesen über Monate mit Gepäckträger & Dachzelt durch das winterliche München zu zuckeln. Ein dritter Grund waren die Außentemperaturen. Einen Landyausbau bei Minusgraden zu unternehmen ist eine mehr als masochistische Tat, das mussten wir uns leider allzu oft eingestehen. Als wir uns schließlich dem Exterior von Rotkäppchen widmen konnten, hatten wir lediglich noch ein paar wenige Tage, bevor die Reise losgehen sollte. Jetzt galt es Vollgas zu geben. Doch das Wetter war nicht auf unserer Seite und so mussten wir den Dachgepäckträger von Upracks, das Dachzelt von OceanCross und die Xroc-Boxen bei winterlichen Temperaturen anbringen. Zudem kamen auf die Beifahrer-Seite von Rotkäppchen zwei 20-Liter-Kanister, die wir an Aluprofilen befestigten. Diese sollen Rotkäppchen im besten Fall vor langen Durststrecken bewahren und uns somit eine gewisse Flexibilität bei der Streckenwahl geben. Auf der anderen Seite von Rotkäppchen wurden noch Sandbleche angebracht, die von Flo so konstruiert wurden, dass man sie auch problemlos als Ablagefläche runterklappen kann. Zudem wurde die Solarzelle, die vorab auf dem Ocean-Cross Tamani-Dachzelt angebracht worden war noch verkabelt und dafür ein 9x7cm großes Loch in unseren treuen Landy gesägt. Ein grausamer Anblick, wenn ihr mich fragt. Aber was sein muss, muss sein.







Auch zwei LED-Scheinwerfer haben wir noch vorne und hinten angeschraubt, damit wir auch abends ausreichend Licht für Kochaction und ähnliches haben. Was für ein Erlebnis, um 10 Uhr nachts zum ersten Mal die Strahler anzuschalten und vor Freude laut aufzuschreien, wenn beide im hellen Glanz erstrahlen. Aber ab einem gewissen Punkt verwandelt sich Erschöpfung in Euphorie um, und man feiert die kleinen Dinge, die sich als funktionierend herausstellen. Apropos Funktionierend – ab einem gewissen Punkt haben wir aufgehört die Dinge zu zählen, die bei diesem Ausbau auf gut bayerisch „gefuxt“ haben oder einfach nicht so passen wollten, wie sie sollten. Das hatte überhaupt nichts mit fehlerhaften Bauplänen oder zu optimistisch geplanten Details zu tun. Vielmehr wollte einfach die eine Schraube nicht aufgehen, während die andere partout nicht zugehen oder reinpassen wollte. Aber mit viel Geduld, gutem Zureden, jeder Menge WD40 und ein wenig Gefluche wurden die Probleme zu Herausforderungen und wurden dann Dank Flo’s Erfindertum gelöst oder beseitigt. Zu guter Letzt gabs noch einen neuen Unterbodenfahrschutz für Rotkäppchen, damit wir nicht gleich den Bauch aufreißen, wenns mal ins Gelände geht und neue All-Terrain-Reifen, um möglichst für alle Schlamm-, Sand- & Schlaglochpisten gewappnet zu sein.
Schritt #7 – Finetuning
Das Finetuning waren beim gesamten Ausbau aus meiner Sicht die schönsten Dinge. Egal, ob gemeinsames Nähen von Matratzenüberzügen für unser Notbett und die Landy-Bank zusammen mit oder besser gesagt unter Anleitung meiner Firmpatin Heia oder aber das Aufkleben des HAPPY VENTURE Logos auf Rotkäppchen – diese Dinge machten Rotkäppchen immer ein klein wenig „vollständiger“ und die Abreise immer wahrscheinlicher.
So, und nun war es fertig – aus unserem schon in kürzester Zeit sehr liebgewonnenen Rotkäppchen wurde ein fertiges Reisemobil. Auch wenn ich das Gefühl hatte, dass in kürzester Zeit aus einem anfänglich sehr weiblich wirkenden Defender ein deutlich männlicheres Gefährt wurde. Aber seht selbst: