Blau, blauer, Chefchaouen
Nach unserer ersten Nacht auf marokkanischen Boden, machen wir uns auf in Richtung Chefchaouen – eine malerisch am Berghang gelegene Stadt, die schon von Weitem in den verschiedensten Blautönen leuchtet und einen trotz einer Horde chinesischer Touristen schnell in ihren Bann zieht. Man kann hier ewig durch schmale Gassen schlendern und hinter jeder Ecke wartet ein neues Fotomotiv darauf festgehalten zu werden. Nur die Einheimischen scheuen sich vor stimmungsvollen Fotos und ducken sich bei der geringsten Andeutung eines auf sie gerichteten Fotoapparates weg. Dies liegt zum einen daran, dass laut Koran die Abbildung eines Menschen verboten ist, zum anderen hängt dies mit dem Glauben der örtlichen Bevölkerung zusammen, dass die Kamera den Geist gefangen nimmt – und wer möchte das schon? Daher entscheiden wir uns fleißig die Personen zu fragen, bevor wir den Auslöser abdrücken oder nur Personen von hinten zu fotografieren.









Am frühen Nachmittag verlassen wir Chefchaouen, um Richtung Fès weiterzufahren. Natürlich nicht, ohne noch schnell einen obligatorischen Pfefferminztee getrunken zu haben. Ziel ist der Campingplatz Diamant Vert – der kurz vor der Großstadt liegt.
Fès – die Stadt der Gerber & engen Gassen
Am nächsten Morgen brechen wir früh auf, um Fès zu besichtigen. Rotkäppchen bleibt am Campingplatz zurück, während wir per Taxi in die Stadt fahren wollen. Doch erst einmal müssen wir uns mit den örtlichen Taxi-Gepflogenheiten vertraut machen. Es gibt nämlich Petit Taxi und Grand Taxi. Während erstere einen an die gewünschte Stelle fahren, nimmt einen zweiteres auf einer fest definierten Strecke mit und man muss dem Fahrer sagen, wann man aussteigen möchte. Ohne dies zu wissen, geraten wir natürlich erst einmal an ein Grand Taxi – bei dem uns der Fahrer etwas verdutzt ansieht, als wir ihm sagen, wo er uns genau absetzen soll. Doch Dank der Vermittlung durch einen weiteren Fahrgast auf Französisch klärt sich das Missverständnis schnell auf. Immer wieder bleibt der Fahrer stehen, um neue Passagiere einsteigen und andere aussteigen zu lassen – eigentlich ein ganz praktisches System, dank dem man für wenige Dirham von A nach B gelangt. Wir steigen schließlich in der Neustadt aus, um uns in der Nähe des örtlichen Marktes ein Frühstück zu gönnen. Schnell werden wir fündig & bekommen neben Kaffee „nuss-nuss“, d.h. halb Milch, halb Kaffee noch Honig-Crêpes und Omelette mit Käse. Dabei wird traditionell kein Besteck verwendet, sondern man isst mit Hilfe der Hände bzw. der rechten Hand, da die linke Hand als unrein gilt. Das Café liegt perfekt, um das Straßentreiben zu beobachten und Details des örtlichen Lebens wahrzunehmen, das einem sonst an den meisten Touristen-Plätzen komplett verborgen bleibt. An der einen Straßenecke hat ein Schuhputzer seinen Schuhkasten aufgebaut und wartet auf Kundschaft. Als ein vermeintlich reicher Kunde mit seinem Auto vorfährt und seine Schuhe, die er scheinbar zur Reparatur dagelassen hatte, abholt, ist der Schuhputzer so dankbar, dass er das entgegengenommene Geld (scheinbar nur ein paar wenige Münzen) küsst und schnell einsteckt. Eine weitere Beobachtung ist das im Koran als Gebot festgeschriebene Teilen mit Armen. Dabei soll der, der hat, auch stets mit dem Teilen, der schlecht gestellt ist. Dies beobachten wir, als ein junger Mann vor uns im Café sitzend plötzlich eine ältere Frau, die vorher unscheinbar an einer Ecke gewartet hatte, zu sich ruft. Er fragt sie auf Arabisch, ob sie Hunger habe und lädt sie anschließend auf ein warmes Frühstück ein. Der Wirt eilt herbei, weist ihr einen Tisch zu und die Frau nimmt dankend das Frühstück entgegen. Eine Tat, bei der man bei uns im Zweifel böse Blicke des Café-Betreibers erwarten dürfte. Die aber meinen größten Respekt verdient hat und den islamischen Glauben mit all seinen zum Teil fragwürdigen Auslegungen in meiner Gunst steigen lässt.
Frisch gestärkt starten wir schließlich die Erkundungstour durch Fès. Zu Fuß verlassen wir die Neustadt und wandern durch die beiden Altstädte von Fès – dabei geht es vorbei an hohen Stadtmauern, prunkvollen Toren und durch enge, zum Teil dunkle Gassen, wo allerhand Ware feilgeboten wird. Dabei kommt einem immer mal wieder ein mit Gasflaschen beladener Pferdetreiber entgegen, der scheints die örtlichen Läden und Wohnhäuser mit Gas beliefert. Oder aber ein Esel voll beladen mit Flachbildschirmen – ein skurriler Anblick.

Schließlich landen wir im Handwerkerviertel – während an dem einen Platz Kupferschalen geklopft werden, empfängt uns ein paar Gassen weiter ein etwas unangenehmer Geruch. Hier befindet sich das Gerberviertel – ein Knochenjob, der noch immer von Hand ausgeführt wird und aufgrund der natürlichen wie chemisch hergestellten Laugen nicht gerade gesundheitsfördernd ist. Dabei wird das Leder zuerst in eine Lauge gegeben, um es vom Tierhaar zu befreien und weich zu machen, später wird es in kleinen Becken gefärbt und dann zum Trocknen ausgelegt. Der Beruf wird dabei von Generation zu Generation weitergegeben. Ein faszinierendes Schauspiel, das man von den Balkonen der Lederwarenverkäufer gegen einen kleinen Obolus beobachten kann.


Auf dem Rückweg laufen wir schließlich noch durch den lokalen Souk von Fès, wo die örtliche Bevölkerung scheinbar ihre Einkäufe erledigt. Von überallher überwältigen einen Gerüche – ob von frischen Erdbeeren, eingelegten Oliven, oder aber vom abgehangenen Fleisch. Eine spannende Beobachtung ist dabei, dass der örtliche Metzger zur Gasse hin, sein Fleisch drapiert, während im Hintergrund noch die lebendigen Hühner gackern. Ein wenig makaber, aber irgendwie auch ehrlich.








