Die Überfahrt nach Marokko

Die letzten Handgriffe in der Heimat

Die letzten Tage vor unserer Abreise waren geprägt von Stress, Schlafentzug, gegenseitiger Genervtheit, Aufregung, Melancholie bzgl. des für ein halbes Jahr aufzugebenden Lebens und Euphorie gegenüber dem „neuen“ Leben, das uns in den kommenden 6 Monaten erwarten wird. Alles prasselte gefühlt gleichzeitig auf einen ein und so war es zunehmend schwer einen kühlen Kopf zu behalten und klare Gedanken zu fassen.

Zuerst galt es noch das Auto abreisefertig zu machen – was sich allerdings trotz täglich 12-stündigen und unermüdlichen Schraubeinsatz unseres Landy-Projektleiters Flo und uns beiden unerfahrenen Schrauber-Lehrlingen doch länger hinzog als gedacht. Aus 2 Tagen Dauer-Rotkäppchen-Tuning wurden 4 und somit die Zeit für die „Restorga“ immer kürzer. Dazwischen noch letzte Telefonate mit Freunden, Anrufe bei Banken, Ämtern & Co. Zu guter Letzt war aber alles angeschraubt, die letzte Ritze unserer zur Vermietung ausgeschriebenen Wohnung gereinigt und die Schlüssel bei der für die Vermietung beauftragten Firma eingeworfen. Jetzt geht’s endlich los!

Abschiednehmen von den Liebsten & München

Gemäß unserem Motto „Vom Nockherberg zum Tafelberg“ haben wir uns entschlossen am Nockherberg im kleinen Kreise der Familie zu verabschieden und spät abends die Fahrt Richtung Genua anzutreten.

Das bedeutet ein letztes Mal bayerisches Bier im Paulaner trinken und dazu eine deftige bayerische Mahlzeit. Danach ein letztes Mal die Liebsten drücken, sich für deren unermüdlichen Einsatz bei der Unterstützung der Reisevorbereitungen bedanken und ab geht’s auf die A8 dem Süden entgegen. Aufgrund unseres Schlafentzugs und der vom Packen, Schrauben und Putzen müden Knochen stellte sich das Vorhaben nachts die 700km zurückzulegen als erste kleine Herausforderung heraus. Trotz des abwechselnden Übernehmens des Lenkrades werden die Augen immer schwerer und die Fahrt mit 100 km/h ohne großartig Verkehrsaufkommen zunehmend eintöniger. Umso glücklicher sind wir, als wir gegen 7 Uhr morgens völlig übermüdet den Fährhafen erreichen und uns zwischen schwerstbeladenen Transportern und PKWs in die lange Wartereihe stellen. Schon jetzt gleicht der Hafen einem arabisch angehauchten Bazar. Überall wird gefeilscht, gestritten, diskutiert und wild mit in Plastik eingepackte Tüchern gefuchtelt. Rotkäppchen’s Motorhaube dient regelmäßig als Ablage für feilgebotene Ware – dabei lassen sich die Händler von Max‘ bösen Blick ebenso wenig aus der Ruhe bringen wie das von mir leise gemurmelte „vai via“. Wenn das Rotkäppchen nicht abkann, dann wärs in Afrika auch mehr als fehl am Platz. Nach ca. 4 Stunden Wartezeit geht’s endlich los – die überladenen Fahrzeuge setzen sich in Bewegung, um ins Maul der Fähre zu fahren, sofern sie denn noch anspringen. Liegengebliebene Fahrzeuge werden schließlich mit Gabelstaplern an Bord gebracht – man kann ja schließlich niemanden zurücklassen.

An Board der GNV Fähre gen Marokko

Im Schiffsinneren empfängt uns das übliche Kajüten-Gewirr. Jeder Gang sieht gleich aus und die Suche nach unserer Innenkabine dauert etwas länger als notwendig. Was uns dann schließlich empfängt, ist nichts für feine Nasen und Hygiene-bedachte Menschen und entspricht definitiv auch nicht dem gezahlten Fährpreis von gut 550€. Hier scheint der Putztrupp, wenn überhaupt, nur frische Handtücher ins Kabinen-Innere geworfen zu haben – aber auch hier gilt analog zu Rotkäppchen: Wenn wir das schon nicht abkönnen, sind wir auf unserem Trans-Afrika Trip fehl am Platz. Wir freuen uns über unsere mitgebrachten Inlay-Schlafsäcke, die einem trotz Dreck zuverlässig einen tiefen Schlaf bescheren, da man sich wunderschön darin einmummeln und von allem anderen abschirmen kann. Eine lohnende Investition für jeden Individualreisenden!

Kaum ist das erste Dosenbier geöffnet und das letzte Auto per Schiebevorgang (scheinbar ging die Wegfahrsperre nicht raus) aufs Schiff gerollt, stechen wir in See. Nach dem Abstempeln der Passdokumente und Registrierung von Rotkäppchen für Marokko an Board, laufen wir noch einige Zeit planlos über die 7-stöckige Fähre auf der Suche nach guten Spots für die kommenden 48h auf hoher See.

Nach einem malerischen Sonnenuntergang übermannt uns dann doch die Müdigkeit und wir holen einige Stunden wohlverdienten Schlaf nach. Am nächsten Morgen steht ein Zwischenstopp in Barcelona an – pünktlich um 7:30 Uhr legt die Fähre im Hafen an und lässt die ersten Fahrzeuge von Bord rollen. Wir genießen auf der vom Hafen abgewandten Seite des Schiffes unseren am Vorabend entdecken einsamen Spot in der Sonne und nutzen die Zeit, um noch einige wichtige Karten aufs Handy zu laden, E-Mails abzuarbeiten und uns mit dem Reiseführer von Marokko vertraut zu machen. So richtig viel Zeit für Reiseplanung – wie man es sonst bei 3-wöchigen Urlauben macht – blieb schließlich in Deutschland nicht. Mittags gibt’s mitgebrachten Nudelsalat, Wiener-Würstel und ein hartgekochtes Oster-Ei. Was will man mehr?

Ankunft in Tanger, Marokko

Eine schaukelige Nacht später in der Kajüte ist es endlich so weit. Die GNV-Fähre legt in Tanger, Marokko, an. Jetzt heißt es Daumen drücken, dass der Zoll gnädig ist und uns schnell durchwinkt. Wäre die ein oder andere vom Zoll abgenommene Flasche Bier oder Wein zu verkraften, die sich ins Innere unseres Rotkäppchens verlaufen hat, so wäre die für wunderschöne Landschaftsaufnahmen aus der Luft eingeschmuggelte Drohne tatsächlich ein herber Verlust. Dabei muss man wissen, dass eine Mitnahme dieser Flugobjekte in Marokko – primär aufgrund der militärischen Relevanz – verboten ist. Doch wir haben Glück. Ein kurzer Blick in den Kofferraum und meinen Kleiderschrank stimmt den Grenzer zufrieden. Auch Max‘ „No“ auf die Frage, ob wir Waffen im Auto hätten, überzeugt ihn. Wir dürfen passieren und los geht unser Abenteuer AFRIKA in Marokko.

Nachdem wir die wichtigsten organisatorischen Dinge (Geld abheben und Tanken) erledigt haben, machen wir uns auf den Weg nach Martil – eine Küstenstadt an der Mittelmeer-Küste. Es empfängt uns jede Menge Wind und entsprechend kalte Temperaturen. Doch der dort ansässige Campingplatz Alboustane liegt windgeschützt hinter ein paar Häusern. Um uns ein wenig zu akklimatisieren, laufen wir noch ein wenig an der stürmischen Küste entlang mit kilometerlangem Sandstrand, um dann durchgefroren in einem Café einzukehren und den ersten stark gesüßten Minztee auf marokkanischen Boden zu schlürfen. Ein Getränk, das uns die kommenden Wochen zum liebgewonnen Heißgetränk werden wird.

Zurück am Campingplatz wird noch schnell das Zelt aufgeklappt, die erste warme Mahlzeit in Rotkäppchen gekocht, bevor man sich gemütlich in den Camping-Stühlen niederlässt. Auch die erste Camping-Bekanntschaft mit einem verrückten Asiaten (japanisch & chinesisch stämmig, allerdings in Kanada geboren) lässt nicht lange auf sich warten. So erfahren wir, dass Anton (korrekt, richtig gelesen, das ist sein deutscher Nick-Name!) vor 5 Jahren als Philosophie-Dozent in China entlassen wurde und seither die Welt bereist. Wir sind gespannt, welch andere spannende Persönlichkeiten wir in den nächsten Monaten noch so begegnen werden.