Leider werden wir am nächsten Morgen von keinen Wüstenelefanten geweckt. Vielmehr ist es die Kälte, die uns an diesem Morgen erneut begrüßt.



Mit noch etwas steifen Gliedern setzen wir unsere Entdeckungstour durch Namibia mit unseren Freunden Maxi und Steffi fort und lassen die sandige, steinige Wildnis am Brandberg schnell hinter uns. Es geht heute an die namibianische Küste. Auf dem Weg dorthin empfängt uns dichter, feuchter Nebel für den die Küste rund um das Henties Bay bekannt ist.

Dementsprechend gering ist die Sicht und auch die Begeisterung die Fahrzeuge zu verlassen, um den menschenleeren Küstenstreifen zu Fuß zu erkunden. Sand und feuchte Luft schlägt uns ins Gesicht und außer verendete Tierkadaver bekommen wir erst einmal nichts zu Gesicht.



Die Entscheidung zum Mittagessen in Henties Bay auf eine riesige Portion Fish & Chips im bezeichnenden „Fishy Corner“ zu halten, erhellt die Gemüter.

Frisch gestärkt geht unsere Fahrt weiter gen Süden mit dem Ziel Cape Cross – eine Hochbastion für Robben-Beobachtungen. Die Landspitze am Südatlantik ist seit 1968 von der namibianischen Regierung zum Naturreservat namens Cape Cross Seal Reserve ausgelobt worden und hat sich dem Schutz der dort ansässigen Seebären verschrieben. Neben den pelzigen Tieren, von denen dort bis zu 250.000 Exemplare anzutreffen sind, tummeln sich auch jede Menge Schakale. Diese konzentrieren sich vor allem auf Jungtiere, kranke Tiere oder verendete Tiere, da die ausgewachsenen Robben auch Schakalen schnell gefährlich werden können.

Da ich als Kind bereits mit meinen Eltern Cape Cross besucht hatte und mich noch lebhaft an den bestialischen Gestank der niedlich dreinblickenden Tiere erinnern kann, sind wir vorgewarnt. Mit Schals gegen den Geruch ausgestattet und Mützen gegen die Kälte wagen wir die olfaktorische Erkundungstour durch die Robbenmeute.







Tatsächlich ist es immer noch erlaubt zu Fuß durch die Pelzträger zu schlendern, die es sich zum Teil inmitten der Fußwege gemütlich gemacht haben. Mit möglichst viel Sicherheitsabstand versuchen wir die träge wirkenden, aber gleichzeitig doch furchteinflößenden Geschöpfe zu umgehen und auf den etwas sicherer wirkenden Holzsteg zu gelangen.

Diese schiere Masse an Tieren zu beobachten, die neben dem intensiven Geruch, den sie verströmen auch ordentlich Lärm verursachen, hat eine faszinierende Wirkung auf mich. Ich könnte stundenlang dabei zusehen, wie sich die Tiere organisieren und sich durch ihre individuellen Rufe in der Robbenmenge finden. So kann man zum Beispiel kleine Robben-„Kindergärten“ beobachten, wo Robbeneltern ihre Jungen abgeben, um sich in Ruhe um die Nahrungsbeschaffung zu Meer kümmern zu können, während sie die Jungen einigermaßen behütet an Land zurücklassen. Zurück aus dem Wasser werden die Kinder dann über Rufe versucht wieder aufzuspüren in der Menge. Ein wuseliges Spektakel, in dem auch einige Missverständnisse und Verwechslungen und die damit einhergehenden aggressiven Diskussionen und zum Teil Kämpfe der Tiere zu beobachten sind.




Doch auch das schönste Robben-Spektakel geht einmal vorbei und zu fortgeschrittener Stunde machen wir uns auf die Suche nach einem einigermaßen gemütlichen Nachtquartier. Wir lassen das Kap und die Robben hinter uns und suchen eine Lodge an der Küste auf, bei der man laut Reiseführer auch campend übernachten kann. Doch die Begrüßung vor Ort ist kühl, die Bereitschaft uns Auskunft über Camping-Optionen zu geben nicht vorhanden und scheints besteht kein Interesse heute mit uns auch nur einen Namibia-Dollar Umsatz zu machen. Wir sind so genervt von dem Desinteresse des Personals, dass wir kurzerhand unseren Plan umwerfen, die Lodge hinter uns lassen und dem überraschenden, aber zugleich genialen Vorschlag von Steffi folgen, die Nacht bei den Robben zu verbringen. In der Nähe der Robben-Kolonie gibt es nämlich im Park eine Camping-Plattform am Wasser, die gegen eine geringe Gebühr genutzt werden kann. Die Rangerin scheint mehr als überrascht, als wir in letzter Sekunde vor Parkschließung noch aufkreuzen und nach der Übernachtungsmöglichkeit fragen. Sie zeigt uns auf der Karte den Stellplatz und macht sich auf den Heimweg. Wir sind also nun alleine im Robbenreservat.


Es ist windig, es ist kalt und es ist wunderschön! Dankenswerterweise sind hier am Camping-Abschnitt kaum stinkende Robben am Strand, nur ein paar kleine Jungrobben scheinen sich hier ab und an zu verlaufen bzw. -schwimmen, weshalb immer wieder Schakale auf der Suche nach frischer Beute an unserem Lager vorbeistreifen. Ansonsten haben wir das tosende Meer und den Strand für uns allein. Zwar kann ich immer noch nicht einschätzen, ob Steffi ihren wagemutigen Vorschlag hier in der freien Wildnis mitten unter Schakale und Robben zu übernachten bereut hat, ich bin auf jeden Fall schwer beeindruckt und sehr glücklich, dass wir dieses kalt-feuchte Übernachtungslager gewählt haben. Mit im Wind schaukelnden Zelt schlafen wir schließlich dick eingepackt in mehrere Lagen Pullover und Decken ein.
