Namibia – Teil 5: Etosha Nationalpark – von Langfingern, Moses & den Big Five

Nach einem frostigen und zugleich wunderschönen Sonnenaufgang am Waterberg packen wir unsere sieben Sachen. Das Ziel des heutigen Tages: Zum Etosha Nationalpark fahren, um am nächsten Morgen dort auf Safari zu gehen. Doch noch liegen einige Kilometer zwischen uns und unserem Wunsch schon bald auf die Big 5 zu treffen.

Es gilt die nächsten Tage als „Reiseführer“ unseren Freunden die Schönheit und den unvergleichlichen Charm Afrikas und im Speziellen Namibias näherzubringen und die Greenhorns in Bezug auf Safari, Campen und Afrika in eine ganz neue Welt zu entführen. Dabei heißt es Fingerspitzengefühl zu beweisen, um die richtige Balance zwischen Abenteuer und Komfort zu finden, die sowohl zu unserem spartanischen Lebensstil und der knappen Reisekasse passt und zugleich den beiden einen unvergesslichen 2-wöchigen Urlaub bereitet.

Zunächst starten wir aber ganz entspannt ins Abenteuer mit einem Mittagsstopp bei der Kilo 40 Farm, bei der wir uns mit diversem Biltong für die kommenden Tage eindecken – eine Art Trockenfleisch, das zumeist aus Rind oder Wildfleisch wie Antilope besteht und luftgetrocknet wird. Für mich als Vegetarier gibt’s zur Feier des Tages einen Schokoriegel – einen Luxus, den wir uns bisher auf der gesamten Reise nicht geleistet haben und der daher in dem Moment unbeschreiblich gut schmeckt.

Der nächste Halt ist ein Supermarkt auf der Strecke, bei dem wir uns gemeinsam für die kommenden Tage mit Proviant und Wasser eindecken wollen. Beim Verlassen des Supermarktes treffen wir auf bekannte Gesichter: John, ein spanischer Overlander, der mit seiner Frau und seiner Tochter die gleiche Route wie wir zurücklegt und den wir zuletzt in der Elfenbeinküste getroffen hatten, steht plötzlich auf dem Parkplatz wie aus dem Nichts vor uns, als wir die Einkäufe in unseren Autos verstauen. Natürlich ist die Freude groß und wir tauschen ein paar Erfahrungen aus, wie wir alle heil durch Nigeria und an die Grenze zu Angola gekommen sind. Dabei passiert das, was wir niemals für möglich gehalten hätten nach so vielen Monaten ohne jegliche Probleme und kriminellen Vorkommnissen auf unserer Reise: Unsere Freunde werden bestohlen! Maxi hatte vor lauter Überraschung über das zufällige Treffen mit unseren Overlander-Freunden den Mietwagen vergessen abzuschließen und dem Wagen den Rücken zugewandt. Dies muss scheinbar ein findiger Langfinger gesehen haben, um kurzerhand die Tür aufzureißen und den Rucksack von Maxi zu entwenden. Wie unnötig und ärgerlich – und das gleich am zweiten Tag der gemeinsamen Reise. Die Stimmung ist entsprechend gedämpft als sich unsere beiden Geländewagen wieder in Bewegung setzen. Jetzt gilt es schnell unsere Freunde wieder auf andere Gedanken zu bringen und den Verlust von Rucksack samt geliebtem Inhalt vergessen zu lassen.

Wir steuern daher den Otjikotosee (Otjikoto = tiefes Loch) in der Nähe der Stadt Tsumeb an. Angeblich haben hier die deutschen Truppen diverse Waffen nach dem ersten Weltkrieg im See versenkt, um sie nicht in die Hände der Gegner fallen zu lassen. Davon ist zwar nichts mehr zu sehen, doch das wunderschön blau schimmernde Nass in Kombination mit einem frisch aufgebrühten Kaffee aus dem kleinen Souvenirshop, den wir direkt am See sitzend in echten Porzellantassen zu uns nehmen dürfen, hebt die Stimmung.

Nun gilt es nur noch die letzte Herausforderung des Tages zu meistern – einen Platz finden an dem wir heute Nacht sicher nächtigen können. Zwar hatten wir die letzten Tage immer wieder nach Unterkünften am Eingang des Etosha Nationalparks gesucht, doch die hohen Preise bzw. auch die oftmals bereits ausgebuchten Lodges hatten uns von einer Buchung abgehalten. Wären wir allein, würden wir uns wohl ohne große Bedenken ein Fleckchen irgendwo am Straßenrand suchen. Doch mit zwei auffälligen Autos und zwei Freunden ohne Wildcamping Erfahrung, denen wir eigentlich diesen Kaltstart nicht zumuten wollen, sind wir etwas unschlüssig hinsichtlich der Wahl unseres Nachtquartiers. Je näher wir dem Eingang zum Etosha kommen, desto tiefer steht die Sonne am Himmel und die Suche nach einer Campingoption gestaltet sich als Herausforderung. Die wenigen Picknickbuchten am Straßenrand in einem sonst menschenleeren Gebiet scheinen zwar einladend, doch die Nähe zum Nationalpark, der hier nicht überall vollständig umzäunt ist in Kombination mit den Berichten von anderen Overlandern, dass Wildcamper hier schon teils unsanft nachts geweckt wurden, um von Park Rangern oder der Polizei aufgefordert zu werden, sich ein anderes Schlafquartier zu suchen, sind keine tolle Aussicht. Schließlich stehen wir mit unseren zwei Geländewagen vorm Parkgate des Etosha und versuchen mit Engelszungen den diensthabenden Rangern unsere missliche Lage zu schildern und um eine Erlaubnis zu bitten, heute Nacht am Gate zu übernachten. Diese aber schicken uns nur genervt weg – das sei zu gefährlich und außerdem nicht erlaubt. Wir sollen doch die nahegelegenen, vollkommen überteuerten Lodges aufsuchen. Und so drehen wir zähneknirschend um. Bei der nächstgelegenen Lodge schildern wir unser Anliegen dem Pförtner. Der kreuzbrave junge Kerl mit dem bezeichnenden Namen Mose hat schließlich Erbarmen mit uns. Er würde uns heute Nacht, wenn wir im Dunkeln wiederkommen und keinen Lärm machen, hinter der Pforte, neben seinem Schlafraum campen lassen, wenn wir am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang gegen 6 Uhr wieder wegfahren. Nur so wäre sicher, dass er keinen Ärger von seinem Boss bekommt. Wir werden mal wieder überrascht von der Hilfsbereitschaft der Locals und ziehen uns bis zum Sonnenuntergang zurück an einem der Picknick-Plätze am Straßenrand. Dort sammeln und hacken unsere Männer Feuerholz, während Steffi und ich frisch aus Deutschland importierte KNORR Käsespätzle-Fertigpackungen überm Gaskocher zubereiten, die wir dann im Dunkeln um den Topf stehend gemeinsam mampfen. Einfach herrlich zu sehen, wie unser simples Abenteuerleben und die Begeisterung für diesen schmucklosen Reisestil langsam auf unsere Freunde überspringen zu scheint, die sonst im Urlaub eher in schicken und ausgefallenen Hotels nächtigen und exotische, kulinarisch hochwertige Küche lieben.

Im Schutz der Dunkelheit weist uns Moses mit seiner Taschenlampe den Weg zu unseren Stellplätzen für diese Nacht und wir ziehen uns schnell in unsere Dachzelte zurück, ohne zu ahnen, dass Moses uns bereits um halb 5 Uhr morgens wieder wecken würde.

Unser hilfsbereiter Pförtner scheint während der Nacht Muffensausen bekommen zu haben. Seine großzügige und zugleich nicht ganz zulässige Aktion uns hier kostenfrei nächtigen zu lassen könnte ihn wohlmöglich den Job kosten und so beschließt er, dass wir noch vor 5 Uhr das Gelände verlassen müssen. Natürlich sind wir nicht wirklich begeistert als er uns zu so früher Stunde mit Zischlauten und leisem Rufen aus dem Land der Träume holt. Gleichzeitig können wir ihn natürlich verstehen. Und so klappen wir in eisiger Kälte im Dunkeln unsere Zelte zusammen, schenken unserem großzügigen Helfer noch 2 T-shirts und parken wenige 100 Meter weiter vor dem Tor des Etosha Nationalparks um auf dessen Öffnung um 07:30 Uhr zu warten.  Zumindest hat es einen Vorteil – wir sind die ersten, die um halb 8 schließlich sich ins Gästebuch des Parks eintragen dürfen und durch das Gate düsen.

Geduldiges Warten am Parkgate

Die Strapazen und das Warten in der klirrenden Kälte haben sich gelohnt. Schon nach kurzer Zeit können wir einen im tiefen Gras sitzenden Löwen ausmachen. Es folgen Löffelhunde, Zebras, Giraffen und jede Menge unterschiedliche Antilopen. Während die charakteristische, karge Landschaft des Etosha Nationalparks zumeist bestehend aus trockener Savanne und einer flach verlaufenden Salzpfanne auf den ersten Moment nicht danach aussieht als würden sich hier viele Tiere tummeln, sind wir überrascht über die hohe Wildtierdichte. Nachdem wir es erfolgreich geschafft haben einen etwas gefährlich und angriffslustig wirkenden Elefantenbullen zu umfahren, sichten wir schließlich unseren ersten Leoparden auf der Reise. Ein wunderschönes Tier mit grazil gezeichnetem Fell, der sich mit eleganten und schnellen Bewegungen nach kurzer Zeit wieder ins hohe, trockene Gras verabschiedet.

Am frühen Nachmittag, als langsam die drückende Hitze und die Wellblechpisten uns zu schaffen machen, werden wir noch einmal mit einer Tierbegegnung überrascht: An einem belebten Wasserloch mit Elenantilope, Impala, Zebras und Oryx entdecken wir ein Nashorn. Dem Ziel die Big 5 heute zu sehen sind wir damit noch ein Stück näher gekommen. Was für ein beeindruckender Anblick – vor allem mit dem Wissen wie stark diese gewaltigen Kolosse vom Aussterben bedroht sind.

Unser erstes Nashorn an einer Wasserstelle im Park

Während unsere Freunde und auch Max, der vom vielen Fahren und durchgeschüttelt werden langsam genervt ist, zeitnah unser Camp für die Nacht ansteuern wollen, könnte ich noch stundenlang hier im Park nach Tierbegegnungen und spannenden Fotomotiven Ausschau halten. Der Ausblick darauf, dass aber auch im Halali Campsite ein Wasserloch auf uns wartet an dem man mit einem kühlen Bier in der Hand Tiere beobachten kann, lässt mich einlenken und wir steuern gemeinsam unser vorab gebuchtes Quartier in Mitten des Nationalparks an.

Wir schlagen unser Nachlager auf dem uns zugewiesenen Platz zwischen einer ziemlich lauten Schulklasse und einer Großfamilie auf und waschen uns erst einmal den hellen Sand und Staub der Safarifahrt ab. Dann geht’s mit einem kühlen Bier, Fernglas und Fotoapparat bewaffnet zu Fuß zum Wasserloch, das einige hundert Meter vom Camp entfernt liegt. Und tatsächlich – trotz der nicht wirklich leisen Meute an asiatischen Touristen, einem Teil der Schulklasse und diversen anderen Zuschauern ergattern wir einen guten Platz im Schein der langsam untergehenden Sonne mit Blick auf ein weitläufiges Wasserloch, an dem gerade Elefanten genüsslich trinken. Einfach wunderschön.

Kurz vor Sonnenuntergang wandern wir zurück zu unseren Autos, um Abendessen zu kochen. Während Maxi und Steffi sich danach erschöpft in ihr Zelt zurückziehen und sich schlafen legen, wandern Max und ich noch einmal zum Wasserloch. Es ist zwischenzeitlich komplett dunkel und ein großartiger Sternenhimmel erstrahlt über unseren Köpfen. Am Wasserloch ist trotz der Kälte, die sich mit Untergang der Sonne breit gemacht hat, noch reger Betrieb. Doch nicht nur die Touristen haben sich um das Nass versammelt, auch Hyänen finden sich nach einigen Minuten am beleuchteten Wasserloch ein, genauso wie ein Nashorn und ein Schakal, die zum Trinken kommen. Am liebsten hätte ich mir meinen Schlafsack aus dem Zelt geholt und die ganze Nacht dem nächtlichen, tierischen Treiben beigewohnt. Doch irgendwann kriecht uns die Kälte so tief in die Knochen, dass wir beschließen uns ebenfalls schlafen zu legen und die vielen Eindrücke der heutigen Safari erst einmal zu verarbeiten.