Namibia – Teil 1: Von Krokodilen am Okavongo-Ufer

Wir sind in Namibia – und der Unterschied zu Angola könnte kaum größer sein. Obwohl auch hier die Landschaft ähnlich wie die letzten Hundert Kilometer in Angola sehr trocken und staubig ist, können wir einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Ländern bereits auf den ersten Kilometern feststellen. Alles ist viel geordneter und wirkt deutlich westlicher als noch zuvor in Angola. Es gibt sehr gutgeteerte Straßen, viele Verkehrsschilder und Straßenmarkierungen. Am Straßenrand werden alle paar Kilometer per Schild Picknickplätze ausgewiesen, bestehend aus meist aus Beton gefertigten Bänken, Tischen und teils sogar Grillplätzen. Zudem finden wir viele große, gut ausgestattete Shops in den Städten und irgendwie fühlt sich unserer Reise nicht mehr nach Afrika, sondern vielmehr wie ein Roadtrip durch Europa an.

Zu meiner großen Erleichterung rennt plötzlich eine Ziege an mir vorbei, als ich auf einem Parkplatz aus dem Auto steige – zumindest ein wenig afrikanisches Flair scheint noch vorhanden zu sein.

Unsere heutige Fahrt geht entlang der Hauptstraße in Richtung Caprivi-Streifen. Es ist eine eintönige Strecke durch eine sandige, triste Gegend und die immer wieder querenden Kühe und Ziegen, die plötzlich aus dem mannshohen Gebüsch auf die Straße springen und uns zum Teil zu kräftigen Bremsmanövern zwingen, sind die einzige Abwechslung. Heute gilt es so viele Kilometer wie möglich zu machen, da wir in wenigen Tagen unsere Freunde Maxi und Steffi aus Deutschland treffen wollen, aber davor noch einen kleinen Abstecher an den Caprivi-Spitz unternehmen, um die erste richtige Tiersafari auf unserem Afrika-Tripp zu erleben.

Kuhherde quert gemütlich die Straße

Bevor es aber zu den Elefanten und anderen Wildtieren geht, gilt es aber erst einmal eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden, was sich tatsächlich als Herausforderung herausstellt. Die Straße führt schnurgerade an Buschland entlang, das wenige Meter von der Straße mit Zäunen abgegrenzt ist und daher keine Möglichkeit bietet, um mit dem Auto etwas geschützt im Dickicht zu campen. Auch die Aussicht die Nacht an einem der vielen Picknickbuchten direkt an der Hauptstraße zu verbringen ist nicht gerade vielversprechen, zumal wir uns etwas Sorgen um unsere Sicherheit machen. Zwar ist Namibia deutlich entwickelter als zuvor noch Angola, doch bedeutet dieser Wohlstand der einen Bevölkerungsschicht auch eine größere Kluft zwischen Arm und Reich, die somit eine erhöhte Kriminalität mit sich bringt. Traurig, aber wahr.

Wir biegen zu zwei Campsites ab, die in der Nähe der Hauptstraße liegen. Doch knapp 20 Euro für eine Übernachtung liegt deutlich über unserem bisherigen Übernachtungs-Budget und nach so vielen Nächten kostenlos unter freiem Himmel, müssen wir uns erst einmal wieder mental darauf einstellen, dass Namibia ein deutlich teureres Reiseland ist als die vielen Länder, die wir zuvor durchquert haben. Bei einem Schild „Zur Buffalo Lodge“ werden wir schließlich fündig – ein neu errichteter Bau am Rand der Hauptstraße, an dem gerade noch neue Zimmer gebaut werden scheint der perfekte Übernachtungsplatz. Wir fragen, ob wir hier für eine Nacht unser Zelt aufklappen dürfen. Die netten Mädels hinterm Tresen scheinen froh über die willkommene Abwechslung, doch muss zuerst der Chef angerufen werden, dann mit diesem am Telefon verhandelt werden und schließlich dürfen wir für 200 Namibian Dollars, ca. 10€, bleiben. Abends gibt’s eine riesige Pizza mit Bolognese (?) und es wird sogar noch eine warme Dusche für uns organisiert. Nach so vielen Tagen ohne eine ausgiebige Wascheinheit, ist das eine wahre Wohltat. Gut genährt, frisch gewaschen, aber irgendwie nicht ganz sicher, was wir mit den ersten Eindrücken von Namibia anfangen sollen, legen wir uns schlafen. Das „wilde Afrika“ scheinen wir schlagartig hinter uns gelassen zu haben.

Pizza Bolognese – man gönnt sich ja sonst nichts

Der nächste Morgen ist bitterkalt. Noch wenige Tage zuvor wurden wir von der Wärme im Zelt geweckt, nun müssen wir viele Schichten an T-Shirts und Pullis übereinander ziehen, um die morgendliche Kälte einigermaßen auszuhalten. Auch das Wetter scheint sich mit Überschreiten der Landesgrenzen spürbar geändert zu haben.

Wir verlassen die Buffalo Lodge früh morgens, um etwas später bei Sonnenschein am Okavango Fluss einen schönen Frühstücksspot ausfindig zu machen. Auf gut Glück biegen wir von der Hauptstraße nach links ab und werden fündig. An einem kleinen Flussufer, an dem Weidetier das Gras niedergetrampelt hat, finden wir einen schönen Platz, um uns ein paar Erdnussbutter-Toasts mit Marmelade zu schmieren und Kaffee zu kochen. Trotz des Wissens, dass hier viele Flusskrokodile am Ufer lauern könnten, fühlen wir uns einigermaßen sicher, da wir einen weiten, freien Blick aufs Wasser haben und auch das Vieh hier bedenkenlos zu weiden scheint.

Frisch gestärkt geht die Fahrt weiter in die Stadt Rundu. In einer Shoppingmall – ja, richtig gelesen: hier gibt es tatsächlich in kleinen Städten Shoppingmalls – besorgen wir uns in einem klimatisierten Handyshop eine neue SIM-Karte für Namibia. Als wir den Laden verlassen, werden wir Zeuge von einer Verfolgungsjagd. Der Dieb scheint in einem der Geschäfte nebenan Wertgegenstände entwendet zu haben und wird nun vom Wachpersonal verfolgt und schließlich erfolgreich geschnappt und zu Boden gedrückt. Ein beklemmendes Gefühl macht sich in mir breit – in den Ländern zuvor war alles dem Anschein nach so friedlich gewesen und die Armut hatte die Menschen gefühlt enger zusammenrücken lassen. Hier aber sehen wir Bettler vor den Eingängen des Supermarktes und Parkwächter, die auf die teuren Autos der Supermarkt-Kunden aufpassen müssen, während diese das Geld innerhalb weniger Minuten ausgeben, das die Bettler vor der Tür nicht im ganzen Monat zur Verfügung haben.

Wir entscheiden uns schnell weiterzufahren und lieber auf einem der lokalen Märkte nach einem Mittagessen Ausschau zu halten. Und tatsächlich werden wir in einer nicht geteerten Seitenstraße in der Nähe eines kleinen Marktes, an dem Haushaltswaren verkauft werden, fündig. Freudig strahlende Damen mit Plastikschürze und Haarnetz stehen vor einigen großen, blubbernden Töpfen, in denen sie fleißig mit hölzernen Kochlöffeln rühren. Sie zeigen uns stolz die heutige Mittagsauswahl und wir entscheiden uns für eine Portion Pap mit scharfen Bohnen und Gemüse für umgerechnet 2 Euro. Irgendwie fühlt sich das gleich wieder viel mehr nach dem Afrika an, das ich so sehr lieben gelernt habe in den letzten Monaten: Freundliche, offene Menschen, die sich freuen, einem Fremden ihre Kultur – bzw. in diesem Fall ihre Küche – näherzubringen. Das Pap (Getreidebrei aus Maismehl) schmeckt vorzüglich.

Nachdem Max am Marktstand noch ein Messer mit Griff Metallgriff aus einer Blechdose erstanden hat (man gönnt sich ja sonst nichts) setzen wir unsere Fahrt fort.

Markt mit Haushaltswaren – Spere, Messer, Pfeil und Bogen

Unser heutiges Ziel ist das Mukuku Rest Camp, das von einem weißen, alten Namibianer namens Hannes und seiner Frau betrieben wird. Wir sind die einzigen Gäste an diesem Abend und haben daher eine riesige Stellfläche ganz für uns allein.

Als wir zu Fuß in Richtung Okavango Fluss schlendern, bietet uns Hannes netterweise an, uns mit seinem Boot mitzunehmen und ein paar der 3 Meter langen Krokodile zu zeigen, die faul am Rande des Ufers liegen und auf Beute warten.

Schon ein beeindruckender Anblick diese schuppigen Reptilien, die wir ohne Hannes wahrscheinlich gar nicht mit bloßen Augen hätten ausfindig machen können, da sie geschickt getarnt im hohen Gras kaum erkennbar sind. Als dann schließlich die rote Sonne über dem Okavango langsam untergeht und eine sehr romantische Abendstimmung einsetzt, habe ich das Gefühl, dass ich mit Namibia vielleicht doch noch warm werden kann. Vielleicht sind es hier nicht mehr die vielen großartigen Erfahrungen mit den Menschen vor Ort, sondern vielmehr die Tiererfahrungen, die mich hier begeistern werden. Das gilt es in den nächsten Tagen und Wochen herauszufinden.

Sonnenuntergang auf dem Okavango