Angola – Teil 10: Landminen, die Relikte des Bürgerkriegs

Noch mit einem beklemmenden Gefühl im Magen fahren wir die sich schlängelnde Straße Richtung Lugango hinunter, auf der Suche nach einem ganz speziellen Frühstücksplatz. Laut unseren Recherchen soll es hier tatsächlich ein Schweizer Charlet (!) geben, bei dem man frischen Käse & Joghurt aus eigener Produktion kaufen können soll. Und wir werden fündig – wir in einer Rechtskurve entdecken wir das Holzschild „Le Charlet“, das uns den Weg zu einem gemütlich angelegten, sehr gepflegten Gelände weist. Hier können Besucher neben dem Einkauf von Käse und anderer Feinkost auch vor Ort Speisen zu sich nehmen. Wir sind die ersten Gäste an diesem Tag und es fühlt sich etwas skurril an, hier auf diesem mit massivem Holze gebauten Terrasse und angeschlossener Holzhütte im Charlet-Style tatsächlich Käsetoast und frischen Joghurt zum Frühstück serviert zu bekommen, wo wir doch über Monate auf diese Art von Köstlichkeiten verzichten mussten und erst bei Martin & REnu wieder in den Genuss von Milchprodukten gekommen waren. Aber was ist auf dieser Reise schon normal…

Mit reichlich Käse im Bauch, setzen wir unsere Fahrt fort. Das Ziel: Die Grenze nach Namibia. Doch die Nachricht von unseren Freunden Amy & Christos, die ähnlich wie wir versehentlich keine Einreisegebühr aufgrund der neuen Visa-Regelung entrichtet hatten, lässt uns unsere Streckenführung und die damit verbundene Grenzstation für den Übertritt von Angola ins Nachbarland noch einmal überdenken. Amy & Christos wurden über mehrere Stunden an der angolanischen Grenze festgehalten und zu ihrem nicht vorhandenen Zahlungsnachweis für ihre Visa befragt. Nach langen Diskussionen und der Bearbeitung der Grenzbeamten mit Engelszungen durften sie schließlich nach Namibia einreisen – allerdings nicht ohne einen Eintrag im Einreiseregister von Angola, das besagt, dass ihnen die erneute Einreise in dieses Land zukünftig verwehrt bleibt, außer sie würden bei erneuter Einreise eine Strafe in Höhe von mehreren hunderten Dollar entrichten. So also lautet die Strafe für nicht gezahlte Visa-Gebühren und damit für den unerlaubten Aufenthalt innerhalb des Landes. Ein Ärger, den wir uns gerne ersparen möchten – vor allem, da wir auch zukünftig gerne die Option haben wollen, all unsere lieb gewonnenen Freunde aus Luanda wieder einmal zu besuchen.

Riesige Baobab-Bäume säumen den Weg gen Namibia

Unsere Wahl fällt daher spontan auf eine deutlich kleinere und abgelegenere angolanisch-namibische Landesgrenze, die aufgrund der fehlenden geteerten Straßenanbindung wohl wenig frequentiert wird. Vielmehr kann man diese Grenze nur über eine schlecht befahrbare Sandpiste erreichen, die durch kaum bewohntes Niemandsland führt, das seit dem angolanischen Bürgerkrieg, der bis 2002 andauerte, mit Landminen durchsetzt ist. Bei diesem Krieg, der über mehrere Jahrzehnte andauerte und neben innerpolitischen Machtinteressen auch auswärtige Mächte wie u.a. Kuba und Südafrika involvierte, wurden von den unterschiedlichen Kriegsparteien Landminen eingesetzt, die teils maschinell, teils manuell im Boden im Süden Angolas verteilt wurden. Seit einigen Jahren werden diese nun mühsam aufgespürt und entfernt, um eine Bewirtschaftung des Landes für die immer noch unter Hunger leidende Bevölkerung wieder zu ermöglichen, ohne das Risiko eingehen zu müssen, bei der Bestellung des Landes versehentlich auf eine Mine zu treten.

Traditionelle Hütten am Wegesrand

Nach einer langen Fahrt auf der Asphaltstraße durch trockenes, savannenartiges Buschland, vorbei an vielen kleinen Hütten und traditionell gekleideten Einheimischen, die zum Teil barbusig und dekorativ mit Ketten behangenen hier die trockene Gegend bewohnen, verlassen wir schließlich die Teerstraße. Die sandige, steinige Piste, die sich zum Teil in mehrere kleinere Straßen ästelt und damit die Navigation etwas schwierig macht, schlängelt sich vorbei an riesigen Baobab-Bäumen durch eine unwirtliche Gegend.

Immer wieder die Qual der Wahl – links, rechts, geradeaus – welcher Weg ist richtig?

Wir entdecken entlang dieser ruckeligen und welligen Straße rechts und links immer wieder Minenräumfahrzeuge und viele zerstörte Häuser, die mit ihren zahlreichen Einschusslöchern grausame Relikte aus dem Bürgerkrieg darstellen.

Da wir zu spät dran sind, um heute noch über die Grenze zu fahren und auch die Sonne bereits ziemlich tief steht, beginnt unsere Suche nach einem geeigneten Wildcamping-Platz. Mit einem etwas unguten Gefühl im Magen aufgrund er immer noch stark verminten Landschaft, biegen wir schließlich rechts von der Sandpiste ab, um in mitten von kleinen Büchen und Bäumen auf dem sandigen Boden unseren Land Rover im Nirvana zu parken und schnell noch trockenes Feuerholz zu sammeln, um ein kleines Lagerfeuer zu entfachen.

Wildcamping-Spot für eine Nacht – im verminten Niemandsland

Als es schließlich dunkel wird, begrüßt uns ein gigantischer Sternenhimmel. Ein Anblick, der einem in Europa meistens aufgrund der hohen Luft- & Lichtverschmutzung verwehrt bleibt und hier in Kombination mit einem leise vor sich hinknisternden Lagerfeuer unbeschreiblich schön ist.

Mit Sonnenaufgang stehen wir am nächsten Morgen auf und machen uns über die sandige Wellblechpiste auf zu den letzten Kilometern bis zum Schlagbaum. Die Morgenluft ist kalt und wir frösteln. Wahrscheinlich müssen wir uns wohl langsam von den dauerhaft heißen Temperaturen unserer bisherigen Reise verabschieden und uns auf den afrikanischen Winter einstellen.

Die sehr überschaubar wirkende Grenze wirkt noch etwas verschlafen, als wir gegen halb 8 dort eintreffen. Am frühen Morgen herrscht hier noch wenig Grenzverkehr. Lediglich einige Marktfrauen mit ihren Waren auf dem Kopf scheinen hier zu Fuß regelmäßig über die Grenze zu gehen. Dennoch geht leider unser Plan eine abgelegene Grenze und damit Grenzbeamten, die weniger informiert sind aufzusuchen, nicht ganz auf. Der örtliche Grenzbeamte, der unsere Ausreisedokumente kontrolliert, erkennt sofort, dass bei unseren Dokumenten der Zahlungsnachweis für die Visa-Gebühr fehlt und beginnt, aufgeregt und lautstark mit irgendwelchen Kollegen zu telefonieren. Wir versuchen ruhig zu bleiben und möglichst unschuldig und ahnungslos zu wirken. Nach einem etwas längerem Hin-& Her aber winkt er uns zu sich und wir dürfen ausreisen. Glück gehabt!

Doch kurz nach Einreise nach Namibia stehen wir vor einem neuen Problem: Für die hier zu entrichtende Roadtax benötigen wir Namibia-Dollar. Da es hier aufgrund der Größe der Grenze aber weder Wechselstuben geschweige denn einen Bankautomaten weit und breit gibt und auch unsere amerikanischen Dollar bzw. Euros nicht akzeptiert werden, wenden wir uns verzweifelt an ein paar umstehende Beamte, die uns wiederum sagen, dass sie selbst gerne Geld wechseln wollen und wir überqueren gemeinsam mit den Beamten nochmals zu Fuß die Grenze nach Angola, um dort etwas illegal angolanische Kwanza in Namibia-Dollar wechseln zu lassen.

Wieder zurück in Namibia können wir nun endlich unsere Roadtax bei Adda, der anfangs unfreundlichen Beamtin zahlen, die deutlich glücklicher zu sein scheint und unbedingt unsere Telefonnummer sowie ein gemeinsames Foto haben möchte. Schließlich sitzen wir mit all unseren Papieren und einem gültigen Namibia Visum und ohne mit einer Geldstrafe für das unzureichende Angola-Visum belegt worden zu seien in Rotkäppchen und das nächste Kapitel unserer Reise kann beginnen: NAMIBIA.

Endlich geschafft – wir sind in Namibia & auch Adda, die dortige Grenzbeamte, freut sich über unsere Ankunft