Wir erwachen früh am nächsten Morgen auf dem Parkplatz des Segelclubs in Luanda, der Hauptstadt Angolas.
Während Max sich mit Antoine, unserem neu gewonnenen französischen Freund & Helfer, trifft, der auf dem Gelände des Segelclub eine Werkstatt für Motorboote betreibt und uns versprochen hatte nach einer Ersatzschraube für unseren leicht geschädigten Dachträger zu suchen, bleibe ich am Auto zurück. Ich bin immer noch sehr schwach und muss versuchen mit meinen Kräften zu haushalten. Während ich Frühstück zubereite, treffe ich auf einen der angolanischen Nachwuchsruderer, der hier am Segelclub trainiert und mit mir ins Gespräch kommt. Er erzählt mir, dass er hier über den Segelclub seiner Leidenschaft, dem Rudern, nachkommen kann. Dies wäre ein großes Geschenk für ihn und seine Familie, auch wenn das Training hart sei. Ich frage ihn nach seinem normalen Tagesablauf und erfahre, dass er meist früh morgens joggend von seinem Zuhause zum Segelclub läuft (ca.10 km), da die Familie sich keine näher gelegene Unterkunft leisten können. Noch im Dunkeln geht er meistens aufs Wasser, um zu trainieren. Nach der Trainsingeinheit geht’s dann wieder laufend zurück, um rechtzeitig in der Schule zu sein. Ich bin beeindruckt von der Disziplin des Jugendlichen, der begeistert und stolz von seinem Sport erzählt. Als ich dies zum Ausdruck bringe, schüttelt er allerdings den Kopf und meint nur, dass dies eine riesige Chance wäre, die ihm der Segelclub biete. Die Finanzierung der Trainingsgeräte und der Ausstattung würden übernommen und so hätte er eine Chance etwas aus seinem Leben zu machen, in einer Stadt die eigentlich zu teuer für ihn und seine Familie ist und er für diese später sorgen möchte.

Als Max zurückkommt und wir über unsere Weiterreise nachdenken, entscheiden wir uns heute auf Nummer sicher zu gehen (wir lernen ja aus unseren Fehlern) und nochmals dem örtlichen Krankenhaus in Luanda einen Besuch abzustatten, um meine Blutwerte untersuchen zu lassen, da in den nächsten Tagen keine medizinischen Versorgung vorhanden sein wird und meine Schwäche, Appetitlosigkeit in Kombination mit orange-roten Urin mich leicht beunruhigen. Doch als wir beim Krankenhaus ankommen, wartet das reinste Chaos auf uns. Wir werden von einem Warteraum in den nächsten geschickt, wobei unsere fehlenden Portugiesisch-Kenntnisse nicht gerade förderlich sind. Dann erfahren wir, dass wir zuerst zahlen müssen, bevor hier überhaupt eine Untersuchung stattfindet und nach gut 1,5h warten darf ich endlich Blutproben abgeben. Danach heißt es erneut geduldig sein: In einem vollkommen überfüllten Aufenthaltsraum, in dem viel zu viele Menschen darauf warten einen Umschlag mit den Untersuchungsergebnissen in die Hand gedrückt zu bekommen, hoffen wir darauf, dass eine grimmig dreinsehende Frau endlich meinen Namen durch die Halle ruft, wobei wir nicht sicher sind, ob sie diesen tatsächlich so aussprechen wird, dass wir mitbekommen, dass tatsächlich wir damit gemeint sind. Nach einiger Zeit taucht Eddie im Wartebereich auf, dessen Frau hier im Krankenhaus arbeitet und der von unserer Warte-Misere erfahren hat. Er erkundigt sich auf Portugiesisch nach unseren Testergbnissen und meint, dass wir erst in 2-3h zurückkommen müssen. Glücklich den Warteraum und das Kindergeschrei hinter uns lassen zu können, nutzen wir die Zeit, um zu der Waschanlage vom Vortag zurückzukehren, bei der der Generator für die Wasserpumpe nach der Reinigung der rechten Seite von Rotkäppchen ausgefallen war, in der Hoffnung noch die anderen Seite waschen lassen zu können. Dieses Mal klappt alles und wir kehren mit einem frisch gewaschenen Auto zurück zum Krankenhaus. Dieses Mal leistet uns Wolfram, der Vater von Eddie, Gesellschaft und hilft uns die Testergebnisse abzuholen und anschließend eine Diganose einzuholen. Dabei muss man wissen, dass einem ein Umschlag mit den Testergebnissen in die Hand gedrückt wird und man erst wieder an der Kasse Geld einzahlen muss, um einen weiteren Doktortermin zugeteilt zu bekommen, der einem dann nach einer weiteren 30-minütigen Wartezeit die Ergebnisse interpretiert. Dank Wolframs‘ Übersetzung erfahren wir, dass der Arzt aus meinen Werten eine Blasenentzündung nachgewiesen wissen will – eine kürzliche Malariaerkrankung wäre hingegen nicht erkennbar. Das Ergebnis ist enttäuschend – so viel Zeit & Geld, das wir heute investiert haben und ein Ergebnis, das ich mehr als anzweifle. Ein Anruf bei Eddies Frau und die telefonische Durchgabe der Ergebnisse bestätigen meine Einschätzung – auch sie kann aus den Ergebnissen keine Blasenentzündung ablesen. Vielmehr führt sie meinen Gesundheitszustand auf die Malaria-Erkrankung und ihre Nachwehen zurück und meint zudem, dass die kongolesischen Medikamente wohl auch nicht gerade „nett“ zu den Organen sein würden.
Wolfram, der wohl spürt, dass wir uns über den teuren und zeitintensiven Krankenhausbesuch ärgern, lädt uns zum Mittagessen in sein Haus ein. Das Gebäude, in dem Wolfram & seiner Frau leben, befindet sich nur einige hundert Meter vom Krankenhaus entfernt. Gut geschützt hinter einem dicken Einfahrtstor, befindet sich ein großzügiges und schönes Haus mit Meerzugang und wir werden mit einer riesigen Auswahl an Essen begrüßt. Dabei fühlt es sich nicht so an, als würde man sich erst seit nicht einmal einen Tag kennen. Vielmehr haben wir das Gefühl bei Freunden eingeladen zu sein, die uns im Anschluss an das ausgiebige Mittagessen noch durch ihr Haus führen und uns von ihrer Liebe zu Angola und den gleichzeitigen Schwierigkeiten, die ein Leben als ehemals Deutschstämmiger hier vor Ort mit sich bringt, erzählen.

Gesättigt und gerührt von der Gastfreundschaft und Herzlichkeit verlassen wir das Haus von Wolfram und entscheiden uns aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nochmals einen Versuch bei dem Hotel zu wagen, das uns gestern mit dem Vorwand der belegten Zimmer abgewiesen hatte. Und tatsächlich – unser geduschtes Auftreten in sauberen Klamotten in Kombination mit dem frisch gewaschenen Land Rover verschafft uns ein Zimmer im Thomson Art House. Dieses Hotel, das wie ein kleines Kunstmuseum anmutet, besticht durch sein farbenfrohes und teils verrücktes Interior, sowie die bunte Außenfassade. Wir sind glücklich nach so langer Zeit einmal in einem frisch bezogenen, weichen Bett schlafen zu können. Die Türklinke, die uns beim Eintritt ins Zimmer in die Hände fällt und anschließend vom Techniker des Hauses gerichtet werden muss, kann unsere Freude dabei nicht trüben.

Abends suchen wir noch die Roof Top Bar des Hotels auf, die einen grandiosen Blick auf die Stadt verspricht.

Dank der verhältnismäßig vielen Lichter der Stadt in Kombination mit dem sich im Meer spiegelnden Mond haben wir einen wunderschönen Ausblick auf Luanda & seinen Hafen. Eine scheints in Angola bekannte Jazz & Soul Sängerin untermalt dabei live mit ihrer Band den Abend, während wir einen Drink schlürfen und uns kurzzeitig nicht wie in Afrika, sondern eher im Flair einer europäischen Großstadt fühlen. Ein sehr versöhnlicher Abend, für einen so unnötig verschwendeten Tag im Krankenhaus. Vielleicht sollten wir zukünftig doch wieder mehr auf unseren Bauch und nicht auf unseren Kopf hören und nicht zu vernünftig sein…




