Der nächste Morgen bricht an und die bizarr romantische Landschaft unseres Wildcamping-Platzes ist bei Sonnenaufgang erneut einfach nur beeindruckend.

Nachdem wir uns kurz Kaffee & Tee aufgekocht haben, packen wir unser Zelt zusammen und fahren mit Rotkäppchen runter zum Strand. Dort warten unzählige ausrangierte Schiffe darauf fotografiert und entdeckt zu werden. Leider fehlt mir noch die Kraft, um durch das seichte Wasser zu den rostigen Riesen zu waten und eine kleine Kletter-Tour durch die Kolosse zu unternehmen. Aber der Anblick der teils stark in Mitleidenschaft genommenen Schiffswracks vom Strand aus ist mindestens genauso reizvoll. Wenn es hier Touristen geben würde, könnte man diesen Küstenabschnitt sicherlich in ein spektakuläres Freilichtmuseum verwandeln. Da wir allerdings seit Grenzübertritt nach Angola keinen einzigen Touristen zu Gesicht bekommen haben, wäre dies wohl eher ein wirtschaftlicher Reinfall.







Heute geht’s nach Luanda – eine der teuersten Städte der Welt. Eigentlich wollten wir die Hauptstadt Angolas meiden, da weder Visa für die kommenden Länder beschafft werden müssen, noch wir große Lust auf diese wuselige, teure & heiße Stadt haben. Da wir aber seit einer Woche uns nicht mehr duschen konnten, wir seit einigen Wochen unsere Klamotten nicht mehr gewaschen haben und ich noch mit den Nachwehen meiner Malaria-Erkrankung kämpfe, stößt Max‘ Vorschlag mal eine Nacht in einem schönen, sauberen Hotelzimmer zu verbringen, bei mir sofort auf offene Ohren. Er hat sogar schon ein passendes Boutique-Hotel ausfindig gemacht, das mit knapp 100 Dollar pro Nacht zwar ein echter Luxus für unsere Reisekasse ist, aber da wir seit Kamerun uns kein Hotelzimmer mehr geleistet haben, vollkommen vertretbar erscheint.
Zielstrebig steuern wir also die Hauptstadt und genau genommen die aus der Innenstadt ins Meer ragenden Landzunge an. Zur Linken bricht sich in leichten Wellen das Meer, während zur Rechten sich teure Häuserkomplexe, elegante Restaurants und Geschäfte aneinanderreihen. Hier prallen Luxus und Armut so sehr aufeinander, dass man gut nachvollziehen kann, weshalb Luanda den Ruf hat ein gefährliches Pflaster – vor allem in Hinblick auf Taschendiebe – zu sein. Zu verführerisch müssen die dicken Uhren, teuren Anzüge und technischen Gerätschaften der Wohlhabenden & ausländischen, meist weißen Geschäftsleute sein, die sich hier zum Brunch, Lunch oder Business Dinner treffen, während Bettler, Obdachlose, die am Strand campieren und Tagelöhner an der Straße auf ihre große Chance warten.
Als wir schließlich unser Hotel mit bunt bemalter Fassade gefunden haben und freudestrahlend an der Rezeption nach einem Zimmer fragen, werden wir enttäuscht. Obwohl wir online noch freie Zimmer gesehen haben, werden wir freundlich, aber bestimmt abgewiesen. Ob diese Absage tatsächlich auf den Mangel freier Zimmer, oder ggfs. doch auf unseren etwas sonderbares und wahrscheinlich auch nicht gerade super sauberes Äußeres zurückzuführen ist, können wir nicht sagen. So oder so – wir sind enttäuscht und etwas ratlos. Es ist bereits früher Nachmittag und wir müssen in der Stadt eine Unterkunft finden, da es außerhalb Luandas nach unserer Recherche keine wirklichen Übernachtungsalternativen zu geben scheint. Also erst einmal etwas zu Essen suchen, um nicht mit leerem Magen die nächsten Schritte planen zu müssen. Nach ungefähr zweimaligem Abfahren der Landzunge vor Luanda auf der Suche nach einem netten, aber noch einigermaßen bezahlbarem Restaurant, werden wir schließlich fündig. Die Preise hier haben es in sich und sind teurer als in Deutschland – aber darauf waren wir eingestellt. Während wir uns das okay schmeckende Mittagessen munden lassen, überlegen wir uns einen neuen Plan: Laut unserer iOverlander App, soll es kurz vor Ende der Landzunge einen Segelclub geben, der schon den ein oder anderen Overlander auf seinem Parkplatz campieren hat lassen. Auch wenn unser Wunsch nach einem sauberen Bett und einer warmen Dusche damit unerfüllt bleibt, scheint dies die beste Alternative zu sein. Bevor wir im feinen Segelclub aber aufkreuzen – wir haben ja schließlich aus unserer Absage im Hotel gelernt – lassen wir Rotkäppchen noch schnell reinigen. Oder zumindest ist dies der Plan – leider geht aber bei der Freiluft-Waschanlage, wo sich gleich 3 Männer am Auto zu schaffen machen, der Generator kaputt.

Und somit fahren wir mit einem nur noch auf einer Seite Schlamm verschmierten Rotkäppchen zum Segelclub. Unser Glück: Die fast saubere Seite des Autos zeigt zum Wärter an der Schranke, der uns freundlich passieren lässt mit dem Hinweis, dass wir beim Chef des Segelclubs um Erlaubnis für eine Übernachtung auf dem Parkplatz fragen sollen. Der Leiter des Clubs stellt sich als ein sehr netter Mann in den 4oern vor, der mit einem kurzen Blick auf uns und unserem etwas verzweifelten Blick nickt und uns einen kleinen Zettel mit dem W-LAN Passwort in die Hand drückt. Internet würde nur in der Nähe der Waschräume funktionieren, aber wir könnten gerne die Duschen nutzen – das wäre kein Problem. Wir sind erleichtert. Der Ausblick auf eine Dusche fühlt sich an wie ein Weihnachtsgeschenk. Wie doch solche Selbstverständlichkeiten auf so einer Reise zu einem Privileg werden können. Frisch geduscht und in die letzten frischen Klamotten gekleidet sieht die Welt gleich besser aus. Wir parken Rotkäppchen mit Blick auf den Hafen von Luanda und neben den auf den kleinen Wellen tanzenden Segelbooten.

Da wir kurz vor der Club-Einfahrt einen Waschsalon gesehen haben (wohl den ersten auf dieser Reise!), packen wir unsere Wäsche zusammen und machen uns zu Fuß auf dem Weg zum Salon. Leider stellt sich schnell heraus, dass dieser schweißtreibende Fußmarsch umsonst war. Pro gewaschenes Wäschestück (jede Socke wird hier einzeln gezählt), wollen die Damen des Waschsalons 2 Dollar. Bei den beiden prallen Tüten mit Schmutzwäsche, wären wir hier locker ein kleines Vermögen losgeworden. Also packen wir unsere Sachen wieder ein und schlürfen zurück zu unserem Auto.
Dort treffen wir auf zwei neugierig um unser Auto schlendernde Männer, die sich als Eddie & Antoine vorstellen. Die beiden sind große Land Rover Fans und scheints stark interessiert an Overlandern wie uns. Wir werden sogleich auf ein Bier im Segelclub eingeladen und auch Eddie’s Vater Wolfram leistet uns Gesellschaft. Eddie’s Familie ist vor mehreren Generationen aus Deutschland nach Angola migriert, wobei Wolfram erfolgreich eine Druckerei in Luanda aufgebaut und betrieben hat. Man merk sichtlich, wie viel Freude es Wolfram bereitet über seine Vorfahren und seine deutsche Vergangenheit zu sprechen. Dabei wechseln wir kontinuierlich zwischen Deutsch und Englisch hin und her, da Eddie zwar Deutsch versteht, aber lieber auf Englisch spricht und Antoine, als gebürtiger Franzose, unserer deutschen Unterhaltung nicht folgen kann.
Als wir den 3en erzählen, dass wir eigentlich ziemlich unfreiwillig in Angola gelandet sind und bisher uns noch keinen genauen Plan gemacht haben, was wir hier alles besichtigen wollen, werden sogleich Routenpläne diskutiert und Strecken fein säuberlich für uns ausgearbeitet. Dabei geraten die 3 immer wieder in hitzige Diskussionen, welche Strecke besser zu befahren sei, wie lange man zu welchem Ziel fahren würde und ob die vermeintliche Attraktion wirklich sehenswert sei. Außerdem geben sie uns auch noch Tipps, wo wir gut campen und wo wir unsere Vorräte auffüllen können. Wir sind beeindruckt von so viel Herzlichkeit, Interesse an unserer Reise und Freundlichkeit, als wir nach 2 Bier bzw. Limo und einer langen Liste mit Sightseeing Tipps und Routenvorschlägen schließlich uns von den 3en verabschieden und zu unserem Auto zurückkehren.



Nach einem weiteren kurzen Gespräch mit einem Land Rover Fan, der eine Firma in Luanda gegründet hat, die alte Land Rover Defender restauriert und nach Europa verschifft, machen wir uns ans Abendessen. Zwar kommen wir uns ein wenig komisch vor, als wir anfangen eine Fertignudelmischung auf dem Segelclub Parkplatz anzurührend, während immer mehr Autos vorfahren und neben uns parken, die scheints zu einer heute Abend hier stattfindenden Geburtstagsparty wollen. Aber als Overlander lernt man mit der Zeit langsam sämtliches Schamgefühl abzulegen. Ob das wohl nach unserer Rückkehr nach Deutschland so anhalten wird?
Als plötzlich ein weiteres Auto direkt neben uns parkt, sind wir leicht genervt, da die Aussicht auf eine ruhige Nacht schwindet und auch das Aufbauen unseres Dachzeltes aufgrund mangelnden Platzes zunehmend schwieriger wird. Aber der Ärger ist unbegründet. Das Auto gehört Andrew und seiner Familie, die bereits über Eddie & Antoine von unserer Anwesenheit am Segelclub erfahren hatten. Da Andrew und seine Frau bereits selbst vor einigen Jahren selbst von Europa aus mit dem Auto nach Angola gereist sind, um sich dort niederzulassen und eine kleine Familie zu gründen, sind sie super neugierig, welche Strecke wir gewählt haben, wie es uns bisher ergangen ist und was wir noch alles auf unserer Reise erleben und sehen wollen. Neben den Geburtstagsgästen der kleinen Segelclub Party verbringen wir also mit den zwei Eltern und ihren bezaubernden Kindern einen wunderschönen Abend unter freiem Sternenhimmel und tauschen uns über unsere Afrika-Erfahrungen aus.

Ich bin beeindruckt von der 4-köpfigen Familie, die sich bewusst gegen Europa und für ein Leben in Angola entschieden hat. Hier können ihre Kinder ohne großartige Werbung oder Beeinflussung von Medien noch so aufwachsen, wie man es sich wünscht. Unvoreingenommen, ohne geschlechterspezifische Stereotype und offen für die Natur, das Abenteuer und andere Kulturen. Regelmäßig würden sie Camping-Ausflüge ins Umland von Luanda oder aber auch nach Namibia und Botswana mit ihren Kindern unternehmen, und es gebe nichts Schöneres für Eltern als zu beobachten, wie die Kinder ohne Scheu mit den Einheimischen spielen, sich spielerisch an fremde Umgebungen anpassen und begeistert auf Tier-Safari gehen – ohne irgendeine Art von Luxus zu vermissen, erklärt uns Andrew’s Frau. Es sei nicht die 10te Puppe, die die Kinderaugen von der Tochter Sarah zum Leuchten bringen würde, sondern der Anblick eines Löwen im Busch, der sich im Schatten eines Baumes von der vorangegangenen nächtlichen Jagd erholt.
Als wir den beiden beiläufig von unserem kläglich gescheiterten Versuch unsere Wäsche zu waschen erzählen, greift Andrew kurzerhand zum Telefon und fragt bei einem Bekannten an, der hier auf dem Gelände des Segelclubs lebt, ob er nicht aushelfen kann. Und tatsächlich, wir können um 10 Uhr abends unsere dreckige Wäsche an einen fremden Mann, der uns in Unterhemd die Tür öffnet, übergeben – er würde sich darum kümmern und wir können diese gerne am nächsten Morgen wieder abholen.
Erschöpft & mehr als beeindruckt von dieser grenzenlosen Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft die wir heute mehrfach erfahren durften, schlafen wir mit Blick auf die Lichter der Stadt Luanda ein. Nicht im luxuriösen Hotelbett, aber dafür um einige positive Erfahrungen reicher.
