Angola – Teil 1: Von bizarr romantischen Küsten und dem Versuch sich zu erholen

Nach dem ungewollten nächtlichen Krankenhausaufenthalt kurz vor der Grenze zu Angola, sitzen Max und ich nun endlich wieder in unserem Rotkäppchen und das nächste Abenteuer kann beginnen: Es geht nach Angola. Sämtliche Recherchen über dieses Land, die wir vor Antritt unseres „Happy Venture“ getätigt hatten, lösen nicht gerade Begeisterung in uns aus. Wir hatten von Korruption, von einem unbezahlbar hohen Lebensunterhalt und der damit verbundenen Armut, von Müll und von unfreundlichen Menschen gelesen. Der eigentliche Plan deshalb dieses Land zu umfahren, war leider aufgrund der Unzulänglichkeiten der Straßen der Demokratische Republik Kongo gescheitert.

Augen zu und schnell durch

ist daher unsere Devise. Schon einmal vorweggenommen – dieses Land ist eines der schönsten, wenn nicht sogar das schönste afrikanische Land, das wir auf unserem Afrika-Trip durchqueren durften. Ein klarer Beweis dafür, dass man keinen Vorurteilen glauben, sondern sich immer selbst ein Urteil bilden sollte.

Doch die Strecke in Richtung Angola lies im ersten Moment noch keine Vorfreude bei uns aufsteigen: Die Fahrt zur Grenze Luvo führt uns zunächst durch eine Mautstation, vor der sich bereits eine lange Schlange gebildet hat. Der Ruf von korrupten Beamten an diesem Gate, die weißen Touristen hohe Geldsummen abknöpfen, hatte uns schon erreicht und wir wissen, dass die Wahrscheinlichkeit hier einige US-Dollar abdrücken zu müssen, sehr hoch ist. Max macht sich alleine zu Fuß in Richtung Kontrollstation auf, während ich mit im Auto versuche etwas auszuruhen und meine Kräfte für die bevorstehenden Grenzkontrollen zu sparen. Nach einigen Minuten – ich muss kurz weggedöst sein – kommt Max wieder zurück und wedelt grinsend mit einem Papier. Während wir durch die geöffnete Schranke fahren und uns freundlich einer der Uniformierten hinterherwinkt, erzählt mir Max, wie er es dieses Mal geschafft hat, uns ohne Bezahlung durch die Mautstation zu mogeln. Zwar wurden zunächst umgerechnet 50 US-Dollar Passiergeld vom Beamten veranschlagt – eine unglaublich hohe Summe, wenn man diese ins Verhältnis zu 800 US-Dollar durchschnittliches Jahreseinkommen in der Demokratischen Republik Kongo setzt. Doch Max konnte dem Beamten erklären, dass wir bereits an der Fähre Maut entrichtet hätten und wir dort vereinbart hatten, dass wir hier nicht nochmals zahlen müssten. Zusammen mit der Zusicherung, dass wir bald wieder zurückkommen und dann definitiv unsere Maut entrichten würden, lässt ihn der Beamte ziehen. Nicht ohne noch hoffnungsvoll nach Max‘ deutscher Telefonnummer zu fragen.

Man weiß vor lauter Trubel & Gewirr nicht, wo man zuerst hinsehen soll

Nachdem wir erfolgreich den Schlagbaum hinter uns gelassen haben, geht es rein in die wohl bisher dreckigste und wuseligste Grenzstadt, die wir auf unserer Reise gesehen haben. Wir bahnen uns unseren Weg vorbei an Menschenmassen, über Schlaglöcher durchzogene Sandpisten und vorbei an liegengebliebenen Autos & plötzlich mitten auf der Straße parkende, vollkommen überladene LKWs. Beim Blick aus dem Fenster sieht man neben dem aufgewirbelten Sand & Staub vom vorherfahrenden Auto oder Motorradtaxi ein buntes Treiben an Menschen, Tieren und jede Menge Müll, der entweder kreuz und quer am Boden liegt, oder in einer Ecke angezündet wurde und sorglos vor sich hinqualmt. Verkäufer von Obst, Gemüse, chinesischen Plastikwaren und Hühnern (lebend wie bereits geschlachtet) mischen sich unter aufgebrachte Kunden. Der Geruch & das Stimmengewirr ist dabei kaum zu ertragen in der bereits unbarmherzig vom Himmel brennenden Sonne.

Man beachte die Personen auf dem Transporter, der wohl im Innenraum keinen Platz mehr für sie hatte

Endlich haben wir uns durch die Stadt gekämpft unsere Dokumente ausstempeln lassen und es geht rein nach Angola – zumindest so unsere Hoffnung. Das neue Visa-System mit e-Visum, welches wir nach dem Upload der notwendigen Papiere & Impfnachweise aufer angolanischen Onlineplattform eine Minute später erhalten hatten, scheint hier an der Grenze von Luvo noch vollkommen unbekannt zu sein. Die Grenzbeamten sind überrascht, als wir mit einem Ausdruck der Bestätigungsmail und im Gegenzug ohne gültigem Visum-Stempel vor ihnen stehen. Mit Nachdruck versuchen wir den Beamten freundlich zu erklären, dass diese Form der Einreise erst seit wenigen Wochen möglich ist und unsere Dokumente Gültigkeit besitzen. Nach einiger Überzeugungsarbeit beginnen die Beamten mit dem Telefonieren und unsere Hoffnung mit diesem Dokument nach Angola einreisen zu dürfen, schwindet von Minute zu Minute. Unser Glück – im Vergleich zu einer vor uns in der Schlange stehenden Asiatin versuchen wir sehr freundlich & höflich die Beamten zu überzeugen. Das führt am Ende dazu, dass wir deutlich früher als die Asiatin in das Büro des Grenzchefs geführt werden, der unseren digitalen Ausdruck prüft und nach einigen weiteren bangen Minuten schließlich einen Stempel in unsere Ausweise drückt. Wir können gehen und freuen uns riesig, dass wir es so „schnell“ (2 Stunden hat es trotzdem gedauert) über die Grenze geschafft haben. Unsere Euphorie ist so groß, dass wir erst einige Kilometer hinter der Grenze bemerken, dass wir nichts für unser Visum gezahlt haben. Die 240 US-Dollar, die für unsere beiden Einreisebewilligungen fällig geworden wären, wurden von den Beamten nicht berechnet. Mit einerseits Freude über die gesparten Dollars, aber andererseits einem etwas mulmigen Gefühl, ob uns dieser Fauxpas nicht noch einholen würde, fahren wir weiter.

Mittagspause in Mbanza Kongo & zugleich unsere Übernachtungsstätte

Da ich mich immer noch sehr schwach fühle und wir uns erst einmal in Angola etwas erholen & uns sortieren wollen, machen wir nach 60km Fahrt in der ersten Großstadt hinter der Grenze Mbanza Kongo halt. Dort finden wir ein nettes kleines Lokal, wo wir nach einem kleinen Mittagssnack nach einer Übernachtungsmöglichkeit fragen – soweit uns das in dem portugiesisch sprechendem Land mit den unsererseits nicht vorhandenen Portugiesisch-Kenntnissen möglich ist. Da hilft nur die Sprachübersetzung per Handy gepaart mit ein paar Worten Französisch und pantomimischer Mimik & Gestik. Die sehr freundlichen Besitzer sind (nachdem sie unsere Frage verstanden haben) sofort bereit uns im Hinterhof übernachten zu lassen – und das sogar unentgeltlich! Soviel zum Vorurteil „in Angola gibt es nur unfreundliche und nicht hilfsbereite Menschen“.

Am nächsten Morgen, nachdem wir noch Brot, frisches Obst & Gemüse und eine neue Handykarte für Angola gekauft haben und uns mit ein paar Klamotten bei unserem Nachtwächter für die Übernachtung auf deren Hof bedankt haben, machen wir uns auf in Richtung Küste. Unser Ziel ist N’Zeto – ein Strandabschnitt an dem es laut unserer Recherche Meeresschildkröten geben soll, sowie eine kleine Ecolodge. Es geht vorbei an malerischen Landschaften und über Straßen, die rechts & links von hohen Baobab-Bäumen gesäumt sind.

Straße in Richtung Meer – mit jeder Menge Baobab-Bäumen rechts und links vom Straßenrand

Am Strand angekommen, entdecken wir die Ecologe. Dabei handelt es sich um eine sehr hübsche und gepflegt anmutende kleine Anlage, die somit perfekt für ein bis zwei Tage Erholung von meiner Malaria-Erkrankung gewesen wäre – allerding scheint sie derzeit verlassen zu sein. Lediglich ein paar Handwerker laufen auf dem weitläufigen Gelände herum, aber weder Restaurant noch die kleinen Bungalows sind geöffnet. Anstatt einer ausgiebigen Dusche und einem weichen Bett, suchen wir uns mal wieder einen ebenerdigen Wildcamping Stellplatz in der Nähe der Lodge, wo ich mich leidend im ca. 40 Grad warmen Dachzelt hin-& herwälze und versuche etwas Schlaf zu finden & Energie zu tanken. Max ist zurecht genervt, da er so gut wie möglich versucht mich aufzupäppeln, während ich bis auf ein paar trockene Nudeln, einem undurchschaubaren Medikamenten-Cocktail, den man mir im Krankenhaus in der DRC verschrieben hat und diversen Fruchtsäften, seit gut einer Woche keine Nahrung mehr zu mir genommen habe und auch weiterhin jegliche Bemühungen seinerseits, mich zum Essen zu ermutigen, ablehne.

Unser wilder Stellplatz an der Küste von Angola – N’zeto

Der nächste Tag bricht an und beginnt mit einem Highlight: Max hatte bereits vom Auto aus am Vortag immer wieder gemeint, Schildkröten im Meer erkannt zu haben. Als wir dann am nächsten Morgen zum Meer hinuntergehen, entdecken wir sie. Zig Schildkrötenköpfe tauchen immer wieder aus den Wellen hervor und scheinen sich einen Spaß daraus zu machen, immer dann abzutauchen, wenn Max gerade auf den Auslöser der Kamera drückt. Endlich können wir wieder gemeinsam lachen und uns an diesem richtig schönen & positiven Erlebnis in der Natur erfreuen – ein tolles Gefühl, nach all den Strapazen und der ganzen Ungewissheit um meinen Gesundheitszustand.

Nach diesem guten Start in den Tag, fahren wir am späten Vormittag los in Richtung der Stadt Ambritz. Diese am Meer gelegene und von der Fischerei geprägt Stadt begeistert uns mit seinen baulichen Relikten aus der portugiesischen Kolonialzeit. Überall entdeckt man noch große, herrschaftliche Gebäude. Die Stadt wurde leider während des letzten Bürgerkrieges stark in Mitleidenschaft gezogen und aufgrund seiner strategischen Wichtigkeit weiträumig vermint, weshalb ein Großteil der Bevölkerung damals geflohen war. Wie viele seit dem Ende des Krieges (2002) hierher wieder zurückgekehrt sind, können wir nicht sagen. Wir sind auf jeden Fall positiv angetan von dem schönen Städtchen mit den breiten Straßen und den vielen Schulklassen, die wir am Straßenrand entlanglaufen sehen.

Zufällig entdecken wir in der Stadt ein kleines Lokal, wo ein Mittagstisch angeboten wird. Obwohl weder die Betreiberin des Lokals, noch wir ein Wort des anderen verstehen, schaffen wir es erfolgreich einen weißen Brei mit Fisch und Soße, sowie zwei Getränke zu bestellen. Es ist wunderbar unter den Einheimischen in diesem typisch angolanischen Restaurant zu sitzen und sich nicht – wie in einigen vorher bereisten Ländern – als „anders“ behandelt zu fühlen aufgrund von Hautfarbe und fehlender Sprachkenntnis. Vielmehr behandelt man uns hier mit Interesse und einer unaufdringlichen Freundlichkeit, die uns richtig glücklich macht. Ob es nun diese positive Atmosphäre, der super lecker zubereitete Fisch oder doch einfach die wirkenden Medikamente sind, kann ich nicht sagen.

Trotz einiger herrschaftlicher Kolonialbauten, treffen wir auch immer wieder auf bittere Armut

Auf jeden Fall kommt mein Hunger wieder zurück und wir verlassen Ambritz wohlgenährt, auf der Suche nach einem geeigneten Schlafquartier für die Nacht. Unser Ziel ist ein Strandabschnitt, an dem unzählige alte Schiffswracks liegen sollen. Und tatsächlich, nach einer etwas längeren Irrfahrt finden wir an der Bucht von Santiago ein kleines Hochplateau über dem Meer, das sich perfekt zum Wildcampen eignet.

Vom Plateau aus hat man einen fantastischen Ausblick auf das Meer und den davor liegenden Strand, an dem unzählige Schiffe (heimisch wie ausländische Schiffe von Konkurs gegangenen Schiffsunternehmen) ihr rostiges Dasein fristen. Eine bizarr romantische Kulisse, die bei Sonnenuntergang nahezu kitschig wirkt. Als wir dann auch noch abends von einem Rascheln hochschrecken und feststellen, dass uns Hasen an unserem Stellplatz besuchen, beginne ich langsam zu realisieren, dass Angola wohl ein wahrer Geheimtipp ist. Bereits an Tag 3 unserer Angola-Reise bin ich begeistert von der Freundlichkeit, Natur & den einzigartigen Kulissen dieses Landes.

Bei so einem Blick, kann man sorglos & voller Vorfreude dem nächsten Morgen entgegenschlummern