Gabun – Teil 4: Kein Waldelefant in Sicht!

Die Nacht vor dem Gebäude der Parkverwaltung war mehr als ungemütlich. Zuerst zwang uns der starke Regen dazu, unser Nachtquartier in Rotkäppchen aufzuschlagen. Dabei war an Schlaf aufgrund der hohen Temperaturen und der hohen Luftfeuchtigkeit nicht zu denken. Gegen Mitternacht hatte der Himmel erbarmen und es wurde trockener, sodass wir mitten in der Nacht beschlossen, nach oben ins Zelt zu ziehen. Doch auch dort hielt uns die drückende, feuchte Hitze stundenlang wach und unausgeschlafen und zeitgleich durchgeschwitzt kriechen wir schließlich im Morgengrauen aus unserem Zelt. Nachdem wir im Ort noch frisches Brot gekauft haben und dieses auf der Motorhaube von Rotkäppchen fachmännisch mit geschmacksneutralem Analog-Käse belegt haben, geht’s los in Richtung Meer.

Frühstück von der Motorhaube

Dort sollen Ranger des Nationalparks auf uns warten, die gemeinsam mit uns auf Pirschtour gehen sollen. Voll Vorfreude auf wilde Tiere und Abenteuer verlassen wir Tchibanga und sind sogleich umhüllt von Regenwolken, die plötzlich Wassermassen auf uns herabstürzen lassen. Es regnet wie aus Kübeln und in kürzester Zeit hat sich wieder Wasser einen Weg durch Rotkäppchens Dichtungen ins Wageninnere und in unseren Fußraum gesucht und wir haben alle Hände voll zu tun neben Lenken und Navigieren das Wasser in Schacht zu halten. Endlich erreichen wir Panga – eine kleine Neubausiedlung im Nirgendwo – die plötzlich vor uns auftaucht. Etwas surreal erscheinen uns die robust wirkenden Betongebäude, die mit fließend Wasser und Strom versorgt zu sein scheinen und auch sonst einen deutlich höheren Standard als die Behausungen aufweisen, die wir bisher in Gabun gesehen haben. Später erfahren wir, dass hier in der Gegend große Ölvorräte schlummern und dass der Bau dieser Häuser und diverse Fördergelder für den Park sowie der Neubau der großen Asphaltstraße durch dieses kaum besiedelte Hinterland ein Teil des Deals zwischen Regierung und Ölförderunternehmen war, um hier im Naturschutzgebiet neben bedrohten Tierarten in großem Stile Ölförderung betreiben zu dürfen. Die Bewohner des Dorfes und auch die Angestellten des Nationalparks scheinen mit diesem Abkommen durchaus sehr zufrieden – dass dieses allerdings höchstwahrscheinlich nicht sonderlich förderlich für die Umwelt ist, scheint hier niemanden wirklich zu stören.

Blick aufs kleine Betondorf Panga – irgendwo im Nirgendwo

Nachdem wir uns bis zum Quartier der Nationalparkangestellten durchgefragt haben, treffen wir schließlich auf die Ranger, die uns heute mit einer Safari beglücken sollen. Doch diese schütteln zur Begrüßung erst einmal die Köpfe und lassen sich schnell wieder in ihre Plastikstühle zurückplumpsen, nachdem wir sie kurz aufgescheucht haben. Sie hätten aktuell kein Auto mit dem sie uns auf Safari mitnehmen können, bzw. vor uns herfahren könnten, da die Kollegen gerade versuchen einen Elefanten ausfindig zu machen, der trotz Elektrozaun auf den Feldern der Einheimischen sein Unwesen treibt und die Ernte vernichtet. Das bedeutet also warten. Und so beschäftigen wir uns mit Aufräumen im Auto, sowie Blogschreiben und Kochen, bis endlich am frühen Nachmittag der Geländewagen des Nationalparks eintrifft und wir aufgefordert werden mitzukommen. Wir nehmen zusammen mit einigen anderen Rangern auf der Rückbank eines Toyotas Platz. Während ich mit FlipFlops und Kleid einsteige, sind alle anderen mit camouflagefarbener Uniform und dicken Springerstiefeln ausgerüstet. Doch der Gedanke noch schnell die Schuhe zu wechseln kommt zu spät und schon tuckern wir los – dem Meer entgegen. Zuerst geht es am Elefantenelektrozaun entlang steil einen Hügel bergauf.

Blick auf das wolkenverhangene Meer

Das Fahrzeug heult unter der Last der vielen Passagieren und angesichts der Steigung mehrfach laut auf, erklimmt aber Meter um Meter den Hügel. Dabei versuchen die Ranger wilde Tiere ausfindig zu machen – doch bis auf einen abgestorbenen Ast, den sie zuerst als „Deer“ identifiziert haben wollen, lässt sich kein Tier blicken. Noch abenteuerlicher wird dann die Abfahrt zum Meer – es geht steil bergab, über tief ausgewaschene Straßenpassagen und durch dornige Büsche, die an den Autotüren entlangkratzen. Max und ich sind froh, dass wir Rotkäppchen beim Rangercamp stehengelassen haben.

Spannende Anfahrt auf der Rückbank des Ranger-Fahrzeugs

Endlich haben wir die adrenalinreiche Fahrt hinter uns und wir klettern gut durchgeschüttelt von der Rückbank. Das Meer mit seinem kilometerweitem hellen, feinen Sandstrand ist traumhaft. Hohe Sandklippen brechen hier zum Meer hinab und tote Baumstümpfe in Kombination mit sumpfigen Morast runden das facettenreiche Naturschauspiel ab. Ein Ort, an dem man auf Ewig verweilen könnte und den man erkunden möchte. Voller Begeisterung wende ich mich an die hauptverantwortliche Rangerin, die hier das Sagen zu haben scheint und frage sie, ob es denn möglich wäre heute Nacht hier zu campen. Doch unsere Begleitung schüttelt den Kopf und lacht – hier wäre es viel zu gefährlich, um alleine zu übernachten. Neben Waldelefanten, die hier regelmäßig vorbeimarschieren, würden auch sehr viele Hippos das sumpfige Waldgebiet nachts aufsuchen. Da die Tiere hier nicht gewohnt sind auf Menschen zu treffen, würde das Zusammentreffen im Zweifel nicht friedlich enden. Schade – dies wäre wohl der schönste und zeitgleich abenteuerlichste Campingplatz gewesen, den wir auf unserer Reise bisher gesehen haben.

Wir verbringen noch einige Zeit am Strand – dabei nutzen unsere Begleiter die Zeit, um Selfies zu knipsen und haben sichtlich Freude einmal dem schnöden Ranger-Alltag entkommen zu sein und etwas „Ausgang“ zu haben. Obwohl das Jagen eines Elefanten im Anbaugebiet der Dorfbewohner sicher auch nicht so langweilig sein dürfte!

Selfie-Time am Strand

Zurück am Camp heißt es wieder warten. Erst ab 16 Uhr, wenn die Sonne tiefer steht und es nicht mehr ganz so heiß ist, soll laut Aussage der Ranger die Chance Elefanten zu sichten am größten sein und dann würden wir uns gemeinsam auf den Weg machen, um Elefanten zu spotten. Doch egal wie langsam wir auf der neu ausgebauten Asphaltstraße auch fahren und durch unsere Ferngläser vergeblich den Horizont absuchen – kein Elefant weit und breit. Lediglich eine kleine Schildkröte, die gerade selbstmörderisch über den heißen Asphalt krabbelt, bekommen wir vor die Kameralinse.

Nachdem wir den Panzer-Träger sicher auf der anderen Straßenseite abgesetzt haben, fahren wir noch die letzten Kilometer zum Fluss Nyanga, der hier direkt ins Meer mündet und aufgrund fehlender Brücke ein Weiterkommen nur per Boot bzw. Fähre möglich macht. Die Ranger wollen hier zum nächsten Dorf übersetzen, um dort Trockenfisch für die kommenden Tage zu kaufen und alten Bekannten Hallo zu sagen. Ohne zu wissen, was uns erwartet, springen wir also mit in das Passagier-Boot am Ufer und lassen uns zusammen mit unseren Ranger-Freunden zum nächsten Dorf auf die andere Seite des Ufers schippern.

Dort erwarten uns diverse Verkaufsstände mit Trockenfisch, ein kleiner Kramerladen und einige neugierige Kinder, die uns mit großen Augen aus respektvollen Abstand beobachten. Wir kaufen für die Ranger-Mannschaft einige Flaschen Bier & Cola und schon geht’s wieder zurück im Boot zu unserem Auto.

Beliebter Trocken- bzw. Räucherfisch

Da es bereits dunkel ist und die Ranger uns raten morgen Früh nochmals langsam die Strecke auf der Suche nach Elefanten abzufahren, trennen wir uns von unseren Weggefährten und schlagen auf dem etwas verwahrlosten Parkplatz am Uferrand unser Nachtquartier auf. Irgendwie hatten wir uns das mal wieder etwas anders vorgestellt – aber wir versuchen das Beste daraus zu machen. Im Schein unserer Camping-Lampe werden erneut Brote mit Analog-Käse belegt und kurze darauf liegen wir im Stockdunkeln in unserem Dachzelt. Die Bewohner des kleinen Dorfes neben dem Ufer scheinen ebenfalls alle bereits in ihren Hütten und Häusern zu sein – nirgends ist Licht zu erkennen und nur ein paar Tiergeräusche deuten darauf hin, dass jenseits unserer Zeltplane noch Lebewesen wach sind – gut versteckt in der Dunkelheit der Nacht.