Gabun – Teil 2: Von unsichtbaren Elefanten und unerreichbaren Gorillas

Die Nacht am Rande des Lopé Nationalparks war bis auf das Grunzen der Flusspferde sehr ruhig und auch der nächste Morgen begeistert uns mit einem wunderschönen Sonnenaufgang mit Blick auf den vorbeirauschenden Fluss. Lediglich die Eisenbahn, die zweimal am Tag am gegenüberliegenden Ufer vorbeituckert, lässt uns kurz aufhorchen – ansonsten verirrt sich hierher wohl kaum eine Menschenseele. Da wir seit meinem Krankenhausaufenthalt in Kamerun nicht wirklich zum Erholen und Durchschnaufen gekommen sind, beschließen wir in dieser Idylle uns einen Tag länger aufzuhalten und die Zeit zu nutzen, um einen gemütlichen Tag im Nirgendwo von Gabun zu verbringen und sowohl uns als auch unser Rotkäppchen zu regenerieren bzw. aufzuräumen.

Trotz zunehmender Hitze und ziemlich lästigen kleinen Fliegen, die sich ein Spiel daraus machen beständig um unsere Köpfe zu kreisen und uns zu nerven, verbringen wir einen gemütlichen Tag mit putzen, faulenzen, lesen und die weitere Reiseroute planen. Nachmittags brechen wir zu einer kurzen Wanderung auf den nächstgelegenen Hügel auf. Zum einen wollen wir prüfen, ob wir dort nicht vielleicht für einen kurzen Moment Internet oder gar eine Telefonverbindung hinbekommen, um Kontakt mit einer Person im Lopé Nationalpark aufzunehmen, die uns auf eine Gorilla-Trekking-Tour mitnehmen kann. Doch alle Versuche das Handy hochgenug zu halten, um doch irgendwie Netz zu erhaschen, bleiben erfolglos.

Max versucht alles, um als lebender Telefonmast Netz zu bekommen

Auf dem Weg zurück zum Auto sammeln wir Feuerholz für den Abend und entdecken immer wieder Zeichen, die auf Elefanten hindeuten. Nicht nur die umgerissenen Bäume, sondern auch ziemlich frisch anmutende Elefanten-Boller und Fußabdrücke sind eindeutige Zeichen dafür, dass die Dickhäuter erst vor kurzem hier durchgezogen sein müssen.

Zurück am Auto hören wir dann nicht weit von uns ein lautes Äste-Knacken, das sich alle paar Minuten wiederholt. Elefanten, die sich scheints am Ufer des Flusses durchs Dickicht kämpfen und dabei in typischer Elefantenmanier den ein oder anderen Baum umwerfen, um an frische Äste bzw. Futter zu kommen. Aufregung macht sich in uns breit – zum einen sind wir natürlich neugierig und würden gerne die Elefanten aus nächster Nähe sehen. Andererseits ist uns bewusst, dass unsere Lage nicht zwingend zu einer friedlichen Begegnung mit den Dickhäutern führen würde. Da wir oberhalb der Uferböschung geparkt und uns mittels Tisch, Stühle etc. gemütlich eingerichtet haben, würden die Elefanten, wenn sie die Böschung hochgestapft kommen, erst unmittelbar vor unserem Auto Wind von uns bekommen. Und das im wortwörtlichen Sinne. Der Wind weht vom Ufer der Böschung entgegen, was bedeutet, dass die grauen Riesen uns zumindest olfaktorisch nicht wahrnehmen können und entsprechend erschrocken wären, wenn sie uns plötzlich so auf dem Präsentierteller vor sich finden würden.

Toller Wildcamping-Spot…nur die Elefanten machen uns ein wenig Sorgen

Wir beschließen also uns leise zu verhalten, unnötige Gegenstände schon einmal im Auto zu verstauen, um bei Gefahr schnell abhauen zu können und werfen bei jedem neuen Knacken der Äste Blicke den Abhang hinunter, um nicht vom Besuch der Elefanten überrascht zu werden. Doch kein Dickhäuter zeigt sich. Nach einiger Zeit kommt uns schließlich die Idee, unsere Drohne über das Gelände fliegen zu lassen, um die Elefanten besser orten zu können. Doch aufgrund des dicken Gebüschs am Ufer bekommen wir keinen Elefanten vor die Linse. Vielmehr gerät unsere Drohne in einen Schwarm wilder Bienen, der sich scheints vom Brumm-Geräusch des modernen Flugobjektes angezogen fühlt. Dann doch lieber schnell die Drohne wieder landen lassen und sicher verpacken, bevor wir hier noch einen Bienenangriff abwehren müssen!

Unser Camping-Spot von oben – kein Elefant in Sicht (Music: Little Africa / http://www.evermusic.de)

Auch bis zur Abenddämmerung bleibt es ruhig an unserem Übernachtungsplatz – das Geräusch von zerberstenden Ästen wird weniger und die Elefanten scheinen ohne uns besucht zu haben, an uns vorbeigezogen zu sein. Schade eigentlich, auch wenn wir gleichzeitig etwas erleichtert sind.

Abends gibt es wieder ein großes Lagerfeuer, um ungebetene tierische Gäste fernzuhalten. Nachdem wir genüsslich unsere Knorr Asia Fertignudeln verputzt haben und uns die Äste zum Befeuern der Flammen ausgehen, ziehen wir uns schnell in unser Dachzelt zurück. Man weiß ja nicht, was für ein Getier hier im wilden Busch Gabuns noch so rumschleicht und auf leichte Beute wartet!

Der nächste Tag beginnt ohne Frühstück, dafür mit einer sehr rumpeligen und schlechten Straße zum Parkeingang. Nach gut einer Stunde Fahrt in Schritttempo beschließen wir an einem in unserer iOverlander-App eingezeichneten Stelle Halt zu machen, um vor Parkbesuch noch zu frühstücken. Und wer hätte es gedacht – genau dort steht ein uns allzu bekanntes Fahrzeug: Amy und Christos haben hier die letzte Nacht verbracht und kriechen leicht verschlafen aus ihrem Zelt, als sie hören, dass sich ein anderes Fahrzeug ihnen nähert. Beide sind über und über mit roten Punkten verziert, die ihnen am gestrigen Abend aggressive Mücken während des Aufbaus ihres Nachtquartiers und beim Kochen des Abendessens verpasst haben. Da haben wir ja mit unseren kleinen, nervigen Fliegen, die uns am gestrigen Tag über Stunden um den Kopf gekreist sind, glatt noch Glück gehabt.

Amy und Christos erzählen uns, dass sie gestern nachmittags bereits am Parkgate waren und dort niemanden angetroffen haben. Daher waren sie ohne Genehmigung in den Park gefahren um bei einem Gamedrive nach wilden Tieren Ausschau zu halten. Doch es seien kaum Tiere zu sehen gewesen und auch die Person, die normalerweise in diesem Park Gorilla-Trekking anbietet, konnten sie nicht ausfindig machen. Daher würden sie sich heute unverrichteter Dinge wieder auf den Rückweg machen um noch heute bis nach Lambaréné, der früheren Wirkungsstätte von Albert Schweitzer zu kommen. Nach einem kurzen gemeinsamen Frühstück trennen sich also wieder unsere Wege. Während wir unser Glück im Lopé Nationalpark versuchen, geht es für Amy & Christos wieder zurück in Richtung Hauptstraße.

Weitere 1,5h Fahrt über ausgewaschene Straßen, dafür durch umso schönere Landschaften später, erreichen wir schließlich ein kleines Dorf, das sich rund um den Parkeingang angesiedelt hat. Dort versuchen wir unsere Wasser- und Dieselvorräte aufzufüllen. Doch trotz aller Bemühungen bleibt zumindest das Auftanken unseres Rotkäppchens erfolglos. Die einzige „Tankstelle“, die sich hier befindet, hat schon seit einiger Zeit kein Benzin bzw. Diesel mehr geliefert bekommen. Die zweite Ernüchterung erfolgt am Gate des Nationalparks. Zwei gelangweilte Ranger empfangen uns an einem Schlagbaum. Auf die Frage hin, ob wir hier Gorilla-Trekking machen könnten, schütteln sie nur müde den Kopf. Lediglich eine Safari mit dem Auto wäre hier möglich, auch wenn nicht sicher wäre, wie viele Tiere man dabei sehen würde. Scheinbar wollen sie gar keine Parkgebühren einnehmen – zumindest sind ihre Bemühungen uns von einem Parkbesuch zu überzeugen gleich Null. Wir fahren wieder zurück in das kleine Dorf, um dort die Person ausfindig zu machen, die normalerweise Gorilla-Trekkings organisiert. Doch auch dieser Versuch bleibt ohne Erfolg. Wir erfahren, dass diese Person schon seit einigen Jahren weggezogen ist und zudem mehr als hundert Kilometer mit unserem Auto zurückgelegt werden müssten, um Gorillas sichten zu können bzw. um zur mehrtätigen Wanderung ins Reich der Gorillas aufbrechen zu können. Wir müssen uns schließlich eingestehen, dass unsere Vorbereitungen für den Besuch der Gorillas nicht ausreichend waren, und wir spätestens auf dem Rückweg vom Park mangels Dieselvorrat auf der Strecke steckenbleiben würden.  Unser Traum Gorillas in Gabun zu sehen rückt also in weite Ferne.

Bis auf ein Warnschild vor Elefanten bekommen wir im Nationalpark kein Tier zu sehen. Die 40 km/h Maximalgeschwindigkeit sind dabei Wunschdenken

Ziemlich geknickt verlassen wir schließlich das Dorf. Auch der Plan zumindest noch ein schönes zweites Frühstück am Fuße des Flusses im Hotel de la Lope zu uns zunehmen, verläuft ins Leere. Keiner der zig Angestellten, die das riesige Hotelareal, das primär von Gästen, die sich per Helikopter einfliegen lassen, angesteuert wird, pflegen, schenkt uns Beachtung. Die Frage nach Frühstück bzw. einem Kaffee wird zwar mit einem Kopfnicken bestätigt, allerdings werden wir dann alleine zurückgelassen ohne eine Speisekarte oder ähnliches angeboten zu bekommen. Wir laufen noch ein wenig über das große und traumhaft oberhalb des Ogooué-Flusses gelegene Hotelareal, das auch schon mal bessere Zeiten gesehen zu haben scheint, um dann unverrichteter Dinge wieder zu fahren. Wenn sie uns nicht als Gäste empfangen wollen, dann wissen wir unser Geld woanders besser auszugeben.

Hotelstrand am Rande des Lope Nationalparks – ob man hier wohl tatsächlich ohne auf Flusspferde zu treffen baden kann?

Auch wenn die letzten beiden Nächte an unserem Wildcamping-Spot sehr erholsam und schön waren, hat sich unser Ausflug zum Lopé Nationalpark und die damit verbundene, nicht enden wollende Holperstrecke als Nullnummer erwiesen. Mit entsprechend schlechter Laune und einem gewissen Frust machen wir uns also auf den Rückweg.

(Music: A Little Ska / http://www.musicfox.com)

Als wir nach 6-stündiger Fahrt endlich wieder Teer unter den Reifen haben, ist es bereits Nachmittag und alle Versuche in der Nähe einen Wildcamping-Spot oder eine andere Unterkunft zu finden, scheitern. Es ist bereits dunkel, als wir endlich Lambaréné und damit die erste größere Stadt erreichen, von der wir wissen, dass sie ein paar annehmbare Übernachtungsmöglichkeiten aufweist. Nach einer nervenaufreibenden Fahrt durch die dunklen Straßen der Stadt, die scheints nachts viel belebter sind als tagsüber (von allen Ecken her eilen Fußgänger vorbei bzw. preschen Autos und andere Gefährte hervor; man muss dabei jeden Moment Angst haben, in einen Unfall verwickelt zu werden), finden wir dank ein paar hilfsbereiten Passanten endlich eine Pension in einem dunklen Hinterhof. Die Stromleitungen sind gerade so hoch angebracht, dass wir mit Rotkäppchen unten durchfahren können. Im Innenhof der Unterkunft angekommen, werden wir von einem nur mit einer kurzen Hose und einem weißen Feinripp-Unterhemd bekleideten Mann begrüßt. In gebrochenem Französisch versuchen wir ihm zu erklären, dass wir auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit wären und gerne in seinem Innenhof parken bzw. campen würden. Der Besitzer scheint Mitleid mit uns zu empfinden, und erlaubt uns für eine Nacht hier zu parken – ohne Gegenleistung. Wir sind unendlich dankbar, dass wir nicht nochmals mit Rotkäppchen zurück auf die chaotischen Straßen Lambarénés müssen und bedanken uns überschwänglich bei unserem Gastgeber. Hungrig von der stundenlangen Fahrt ohne Pause machen wir uns schließlich zu Fuß mit einer Taschenlampe bewaffnet auf die Suche nach etwas Essbaren. Und tatsächlich finden wir im quirligen Treiben Lambarénés ein kleines Fisch-Lokal. Nachdem wir den hinterm Tresen schlafenden Wirt aufgeweckt und Fisch mit Reis bzw. Pommes bestellt haben, ziehen wir nochmals kurz los, um was zu Trinken zu kaufen. Im Restaurant gibt es keine Getränke – die muss man sich im Laden nebenan selbst besorgen. Und so sitzen wir schließlich zwischen ein paar neugierig immer wieder rüber schielenden Einheimischen in einem wohl typisch gabunischen Lokal und knabbern an unserem ziemlich hager ausgefallenen Fisch. Dazu ein Bier und eine Limo – was will man nach so einem Tag mehr?

Erschöpft von einer nicht enden wollenden Fahrt genießen wir unser wohlverdientes Abendessen

Der einsetzende Regen auf dem Rückweg macht uns dabei genauso wenig aus, wie die teils verrucht aussehenden Gestalten, die hier am Straßenrand rumlungern. Der Hotelbesitzer freut sich über die lauwarme Cola und Chips, die wir ihm als kleines Dankeschön mitgebracht haben. Wir hingegen klappen ziemlich erschöpft unser Dachzelt auf und fallen trotz des herüberwehenden Lärms der Stadt in einen tiefen Schlaf. Der nächste Tag kann nur besser werden – hoffentlich!