Gabun – Teil 1: Von grünen Landschaften und jeder Menge totem Bushmeat

Heute geht es nach Gabun – das Land, dem ich am meisten entgegengefiebert habe und das schon lange auf meiner Reiseliste ganz weit oben steht. Gabun ist ein relativ unbekanntes Land, das nur schwer zu bereisen ist. Letztes Jahr haben wir bereits mit dem Gedanken gespielt hier einen 3-wöchigen Sommerurlaub zu verbringen und mit einem Leihwagen das Land zu erkunden. Doch tatsächlich stellte sich diese Reiseplanung und -umsetzung als derart schwierig heraus, dass wir schlussendlich nach Madagaskar gereist sein. Auch schön! Dabei begannen die Schwierigkeiten bereits mit der Recherche über das Land Gabun. Der neueste Reiseführer, der über Gabun erhältlich ist, stammt aus dem Jahr 2007 und ist leider nur wenig hilfreich. Auch das Mieten eines Autos war nicht zu organisieren – nur die Option ein Auto von der Demokratischen Republik Kongo aus nach Gabun zu überführen wäre möglich gewesen. Umso mehr freue ich mich, dass mit unserer Transafrika-Reise nun der Besuch dieses unscheinbaren und mysteriösen Landes endlich Wirklichkeit wird. Mein schwacher und kranker Zustand tut dabei meiner Vorfreude keinen Abbruch.

Doch bevor wir in Richtung Grenze aufbrechen können, müssen noch einige organisatorische Dinge erledigt werden. Tatsächlich haben wir bereits viel über die Formalien des Grenzübergangs nach Gabun gehört – und diese lassen nicht auf einen einfachen Visaprozess hoffen. Obwohl wir schon seit ein paar Wochen stolze Besitzer unserer Visa sind, wurden in letzter Zeit vermehrt Touristen an der Grenze abgewiesen, da sie keinen gültigen Hotelaufenthalt im Land vorweisen konnten. Um dieses Problem zu umgehen, machen wir uns an diesem Morgen daran – über mehr oder minder funktionierendes Internet auf booking.com ein Hotel in der Hauptstadt Libreville zu buchen (obwohl wir gar nicht in die Hauptstadt fahren wollen). Den Grenzern gleich zu Anfang den Wind aus den Segeln nehmen, so lautet unsere Strategie.

Die Herausforderung dabei: Die Reservierung muss am selben Tag wieder storniert werden, damit wir auf den Kosten der teuren Hotelzimmer in der Landeshauptstadt nicht sitzen bleiben. Das bedeutet, dass zeitnah nach Grenzübertritt Internet aufgetrieben werden muss, um den Stornierungsprozess anzustoßen. Das sofortige Stornieren der Buchung nach der Reservierung ist dieses Mal nicht möglich – sprich lediglich den Buchungsbeleg auszudrucken ohne gültige Reservierung dahinter. Andere Reisende haben uns geschildert, dass sie mit einer stornierten Buchungsbescheinigung ins Land einreisen wollten, der Grenzbeamte allerdings im Hotel angerufen hatte, um die Buchung zu kontrollieren und danach ihre Visa aufgrund der „ungültigen Buchung“ annulliert wurden und sie nicht mehr nach Gabun einreisen durften. Dies gilt es auf jeden Fall zu vermeiden. Nach erfolgreicher Buchung verabschieden wir uns von Kung, unserem überaus hilfsbereiten, südkoreanischen Couchsurfing Host und unseren Freunden Amy & Christos und fahren in die Stadt Ebolowa, um einen Druckshop aufzutreiben. Tatsächlich werden wir nach einigem suchen und der Hilfe der netten Einheimischen fündig. Während wir unsere Unterlagen in mehrfacher Ausführung und in Farbe (auch hier haben wir bereits gehört, dass die Grenzbeamte Unterlagen in schwarz-weiß nicht akzeptieren wollten) ausdrucken, lassen wir von ein paar Jungs unser von gestern von oben bis unten schlammverschmiertes Rotkäppchen reinigen. Das Auto ist so dreckig, dass man bereits beim Türöffnen die Hände voll Schlamm hat – höchste Zeit, die schlammigen Relikte der Horror-Fahrt vom Vorabend zu beseitigen. Endlich ist alles besorgt und es kann losgehen.

Die Fahrt zur Grenze geht deutlich schneller vonstatten als erwartet. Die Straßen sind im Vergleich zum Vortag in ziemlich gutem Zustand und zum Teil sogar frisch geteert. Und so stehen wir gegen 11 Uhr vormittags an dem Ausreiseposten für Kamerun. Die Grenzformalitäten sind zäh und anstrengend. Zwar sind alle Beamte hier sehr freundlich, doch aufgrund der Krankheit ist das andauernde Aus-& Einsteigen und das ewige Verharren vor den Grenzbeamten, um alle Daten in ihre dicken Bücher eintragen zu lassen, sehr kräftezehrend. Auf der Gabun-Seite der Grenze geraten wir tatsächlich an den berüchtigten Grenzbeamten, vor dem wir bereits gewarnt wurden. Mit dicker Nickelbrille und ordentlich gestriegelter Uniform, werden wir von ihm zuerst einige Minuten ignoriert. Dann wird Max, nachdem wir aus dem Auto gestiegen sind – mal wieder – aufgefordert, das Auto einen Meter weiter vorne außerhalb des Schattens zu parken. Ohne, dass dafür irgendein Grund oder eine Notwendigkeit besteht. Reine Schikane, die als Machtdemonstration und scheints zur Prüfung der Geduld der Touristen dienen soll. Zähneknirschend steigt Max wieder ins Auto und tut, wie ihm geheißen.

Nachdem uns sämtliche Dokumente abgenommen wurden, werden wir allein am Grenzposten zurückgelassen, während man sich zu dritt daran macht, in einer Hütte etwas abseits diese ausführlichst zu prüfen. Tatsächlich erfolgt der berüchtigte Kontroll-Anruf beim Hotel in Libreville, die Gott sei Dank unsere heutige Buchung bestätigen. Geschlagene 60 Minuten müssen wir in der Mittagshitze bei über 40 Grad ausharren, bis wir endlich unsere Unterlagen zurückerhalten und durchgewunken werden. Die Formalitäten für das Auto erledigen wir anschließend in der nächsten größeren Stadt, da es hier kein Zoll-Büro an der Grenze gibt.

Grünes Gabun – Wald, Bambus und Sträucher so weit das Auge reicht!

Bereits auf der Fahrt dorthin werden wir Zeugen von Gabuns bestechender Schönheit. Das ganze Land – wenn nicht gerade chinesische Unternehmen fußballfelderweise den Urwald roden, um nicht nachwachsende Tropenhölzer abzuholzen und in die ganze Welt zu exportieren – ist durch und durch grün und von einem dichten Waldteppich überzogen. Und so fährt man über kaum befahrene Straßen, die kurvenreich durch sehr spärlich bewohnte Gebiete führen und einen in Gabuns tropischen Bann ziehen.

Am späten Nachmittag, nachdem wir erfolgreich eine SIM-Card besorgen konnten und schlussendlich nach zig Kilometern Fahrt endlich eine schwache Internetverbindung am Handy angezeigt bekommen, um das Hotelzimmer zu stornieren, beschließen wir uns einen Wildcamping-Spot zu suchen. Dabei biegen wir von der geteerten Hauptstraße in eine Sandstraße, die rechts und links von dichtem Wald gesäumt ist.

Suche nach einem geeigneten Wildcamping-Spot…

Nach einigen Kilometern finden wir eine kleine Einbuchtung am Straßenrand, die einen geeigneten Übernachtungsplatz darstellt. Dank der geringen Bevölkerungsdichte passieren unseren Camping-Spot lediglich noch 4 Autos an diesem Abend und wir werden von den Passanten freudig winkend begrüßt. Als es bereits dunkel wird, hören wir plötzlich Fußgänger, die sich nähern. Einige Meter vor unserem Auto bleiben sie auf der Straße stehen und wir vernehmen ein schüchternes „Pouvon-nous passer? – Dürfen wir vorbeigehen?“. Die jungen Frauen, die scheinbar gerade auf dem Rückweg von der Feldarbeit zu ihrem Dorf sind, trauen sich tatsächlich nicht ohne offizielle Genehmigung an unserem Auto vorbei. Hier scheinen sich wohl nicht oft weiße Touristen hinzuverirren!

Die Nacht ist sehr ruhig und wir werden von Vogelgezwitscher am nächsten Morgen geweckt. Es geht wirklich nichts über Wildcamping in Afrika! Wir starten den nächsten Tag mit der Fahrt durch die grüne Landschaft Gabuns in Richtung Lope Nationalpark. Alle paar Kilometer passieren wir Verkaufsstände mit Bushmeat, das hier für die passierenden Busse und Autos zum Verkauf ausgehängt wird.

Dabei finden sich unter den angebotenen Tieren neben verkohlt aussehenden Fledermäusen auch noch lebende Gürteltiere, kleine Krokodile, diverse Affenarten, Springböcke und Schlangen. Auch wenn der Anblick der toten und an einem Strick meist über Kopf baumelnden Tiere sehr befremdlich ist, verstehen wir, dass diese Tiere oft die einzige Einnahmequelle bzw. Fleischquelle der hier lebenden Familien darstellen. Viehhaltung ist in Gabun nicht wirklich verbreitet und daher greifen die Menschen auf das traditionelle Wild zurück, das tagtäglich durch die Wälder Gabuns streift. Dass dabei auch gefährdete Tierarten immer wieder auf dem Speiseplan stehen, ist natürlich tragisch, aber aufgrund der oft sehr ärmlichen Lebensumstände der Bevölkerung auch in Teilen nachvollziehbar.

Ab und zu gibt’s in größeren Städten auch was anderes als Bushmeat – Dabei wird nur so viel geschlachtet, wie tatsächlich an einem Tag verkauft werden kann. Ein etwas befremdlicher Anblick so ein Zebu-Kopf neben den parkenden Straßen.

Als wir nach einigen Stunden Fahrt auf gut ausgebauten Straßen den Abzweig zum Lope Nationalpark nehmen, wissen wir leider noch nicht, was uns auf den nächsten 120 Kilometern erwartet. Die Teerstraße endet bereits zwei Kilometer nach dem Abzweig und die Sandpiste, die weiterhin durch malerische Landschaften zum Park führt, ist in einem schrecklichen Zustand. Neben tiefen Schlammlöchern müssen wir ausgewaschene, tiefe Krater in der Straße überwinden und kommen nur sehr langsam voran.

Schlechte Straßen, dafür traumhafte Landschaft

Als es dunkel zu werden droht, sind wir noch etliche Kilometer von der Parkgrenze entfernt und beschließen erneut in der Wildnis stehen zu bleiben. Auf der gesamten Strecke haben wir lediglich ein verfallenes kleines Dorf passiert und sind keiner Menschenseele begegnet. Daher brauchen wir uns zumindest vor nächtlichen Passanten dieses Mal nicht zu verstecken. Vielmehr machen uns die dicken Elefanten-Haufen, die seit einigen Kilometern immer wieder auf der Straße liegen, etwas Sorgen. Mit einem wunderbaren Blick auf den nahegelegenen Fluss und dem gegenüberliegenden grünen Ufer finden wir schließlich einen traumhaft schönen Übernachtungsplatz und kommen gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang dort an. Keine Mensch weit und breit, seit einigen Stunden kein Internet oder Telefonnetz und nur das Zirpen von Insekten um uns herum. Nachdem wir mit der Taschenlampe noch einiges trockenes Holz angeschleppt haben, sitzen wir so um unser kleines Lagerfeuer und genießen die Abendstimmung. Nachdem das Feuer runtergebrannt ist, kriechen wir in unser Dachzelt. Nicht, ohne noch das laute Schnaufen und Grunzen der Flusspferde zu vernehmen, die scheints ihre dicken, massigen Körper aus dem Flussbett hoch auf unsere Hochebene wuchten, um hier in der Kühle der Nacht zu grasen. Wohlbehütet in unserem Dachzelt schlummern wir zu diesen exotischen Lauten ein und sind mal wieder von diesem „Natur pur“-Erlebnis begeistert.