Togo – Teil 2: Von Voodoo-Flüchen und Internet-Zensur im Nachbarland

Nach einer nassen, engen und ungemütlichen Nacht inmitten diverser Gewitterschauer, die regelmäßig krachendum uns einzuschlagen schienen, steigen wir mit steifen Knochen aus dem Auto. Es hat aufgehört zu regnen und feuchte, frische und angenehme Morgenluft empfängt uns. Auch ein netter Mann aus der Nachbarschaft begrüßt uns mit einem freundlichen „Bonjour“, als wir gerade dabei sind Kaffee zu kochen und unsere Drohne steigen zu lassen. Er stellt sich als Wärter für den hiesigen Funkmasten vor und freut sich riesig, als wir ihm einen Schwung unserer leeren Plastikflaschen schenken. So leicht kann man hier Menschen glücklich machen und gleichzeitig seinen Müll recyceln. Win-Win für beide Seiten!

Netter Funkmast-Wärter freut sich über unsere Plastikflaschen

Über aufgeweichte, schlammige Straßen machen wir uns schließlich auf den Weg nach unten mit dem Ziel heute Lome, die Hauptstadt Togos, zu erreichen. Die Fahrt ist malerisch und landschaftlich sehr schön. Immer wieder kreuzen wir kleine Städte, die heute im Ausnahmezustand zu sein scheinen. Es gibt jede Menge Straßensperren und überall laufen Kinder in Schuluniformen in Reih und Glied dem Dorfzentrum entgegen. Man erklärt uns, dass heute zur Feier des Nationalfeiertags im ganzen Land Paraden stattfinden, bei denen sämtliche Schüler und Studenten sich formieren und gestriegelt aufmarschieren. Für uns bedeutet dies Unmengen an Fußgänger entlang der Straße und viele Umleitungen, die uns von der geteerten Straße ableiten und über holprige Schlammstraßen führen. Deutlich länger dauert daher die Fahrt in die Hauptstadt.

In jeder Stadt das gleiche Bild: Überfüllte Straßen voll mit Kindern in Schuluniform zum Nationalfeiertag

Aber das Gezuckle über die Nebenstraßen hat auch seine Vorteile, da man so mehr vom Dorfleben mitbekommt als bei schneller Fahrt auf der Hauptstraße. Immer wieder kommen wir dabei an Cashewnuss-Verkaufsständen vorbei, bei denen die Nüsse handverlesen in jeglicher Form von alten Flaschen und Gefäßen feilgeboten werden. Dabei kann man zwischen gerösteten Nüssen und Aufstrich wählen. Wir erstehen schließlich eine ehemalige Ketchup-Flasche voll gerösteter Nüsse und ein kleines Schraubglas voll Peanut-Butter – die beste Erdnusscreme, die wir je gegessen haben und natürlich zu 100% frei von Konservierungsstoffen.

Da die Hauptstadt heute ähnlich wie die kleinen Städte im Ausnahmezustand ist und ein Durchkommen mit dem Auto aufgrund der vielen Umleitungen mühsam ist, entschließen wir uns die Erkundung der Großstadt auf einen anderen Tag zu verschieben und begeben uns mit Rotkäppchen an den etwas östlich der Stadt gelegenen Strand „Coco Beach“. Dort gibt es neben einem gemütlichen Restaurant auch die Möglichkeit direkt unter Kokospalmen am Strand zu campen. Nach einer kleinen Stärkung im Restaurant klappen wir also unser Zelt mit Blick aufs Meer auf und stürzen uns zur Abkühlung in die gefährlich hohen Wellen. Der Rest des Tages wird gefaulenzt, Blog geschrieben und mit einem eher schwachen Internet versucht, etwas über die Verschiffung von Rotkäppchen von Togo nach Kamerun zu recherchieren – aufgrund der ständigen Internetunterbrechung und mangelnden Informationen (der neuste Blogbeitrag zu dem Thema stammt aus 2016!), geben wir etwas genickt die Recherche für heute Abend auf. Wahrscheinlich müssen wir tatsächlich persönlich bei den Reedereien vorsprechen, um valide Aussagen zu erhalten.

Nach einem eher gemütlichen Vortag verspricht der kommende Tag sehr aufregend zu werden. Heute geht es nämlich zum Lac Togo und dem dort liegenden Voodoo-Dorf Togoville. Bereits die Überfahrt auf die andere Seite des Sees, wo sich die Hochburg der Voodoo-Praktiken des Landes befinden soll, ist spannend. Mit einer langen Holzstange, die immer wieder gekonnt ins Wasser eingetaucht wird, schiebt uns der Fährmann dabei über den flachen See. Dabei passieren wir immer wieder Fischer, die mit Netz und Reusen versuchen aus dem See Fische zu angeln.

Am anderen Ufer angekommen werden wir schon von ein paar jungen Männern empfangen, die sich als „official tourist guides“ vorstellen und uns unbedingt durch das Dorf führen wollen. Wir lehnen dankend ab und schaffen es auch ohne großen Widerstand sämtliche andere Visitor Fees wegzudiskutieren. Und so spazieren wir erst einmal ziemlich ziellos durch die kleinen und großen Straßen des Ortes auf der Suche nach den Voodoo-Schreinen und anderen spirituellen Dingen für die Togoville bekannt ist. Doch das erste was wir entdecken ist erst einmal eine große Kirche, in der gerade ein Gottesdienst stattfindet und deren Kirchenbänke bis auf den letzten Platz komplett besetzt sind. Ob hier wirklich noch so viele Menschen an Voodoo glauben, wenn gefühlt das halbe Dorf christlichen Glaubens zu sein scheint?

Große Kirche in Togoville

Wie wir später erfahren, schließt der eine Glaube den anderen nicht zwingend aus – und so gibt es viele Togolesen, die sowohl einen Voodoo-Altar vor der Haustür stehen haben und dort regelmäßig Tiere opfern, aber trotzdem brav jeden Sonntag die Kirchenbank drücken. Warum auch nicht?!

Nachdem wir die Kirche hinter uns gelassen haben, gehen wir über einen kleinen Marktplatz und entdecken in einem Hauseingang einen Mann, der gerade Getreide zu verarbeiten scheint. Mit seiner „local machine“, die einen Höllenlärm macht, wird das Getreide kleingemahlen und wir dürfen ihm dabei über die Schulter sehen.

Auf die Frage hin, ob er wisse, wo wir denn die Voodoo-Altare finden würden, verweist er uns an zwei Jungs, die gerade vorbeikommen. Diese freuen sich über die willkommene Abwechslung und eilen voran über sauber gefegte Hinterhöfe und verdreckte Gassen, bis sie vor einer gruseligen und mit undefinierten Flüssigkeiten beschmierten Voodoo-Gestalt stehenbleiben. Man will sich gar nicht ausmalen, was hier schon alles geopfert und über dieser Figur ausgeleert wurde. Die Jungs erklären uns, dass wir erst Geld zahlen müssen, bevor wir den Schrein fotografieren können. Ansonsten würde der Fotoapparat für immer den Geist aufgeben oder gestohlen werden. Schnell raune ich Max zu, dass er bitte zügig ein paar Münzen opfern soll, da ich bereits einige Fotos mit meinem Handy vom Altar geschossen hatte bevor die Jungs die Opfergabe erwähnten. Nicht dass noch die ganzen Bilder der letzten Wochen sich in Luft auflösen – man weiß ja nie, wie streng die Voodoo-Geister hier so sind. Aber die Voodoo-Götter scheinen durch die monetäre Opfergabe besänftigt und mein Handy bleibt tatsächlich verschont.

Die zwei Jungs erklären uns, dass man hier als gläubiger Voodoo-Anhänger Opfer erbringt, sofern man z.B. von einer Krankheit geheilt werden möchte, Glück für eine bestimmte Sache benötigt oder sonstige Wünsche in Erfüllung gehen sollen. Auf Nachfrage geben sie zu, dass manche Leute Voodoo-Zauber auch für das Verfluchen anderer verwenden würden. Falls jemand zum Beispiel einen Wertgegenstand entwendet, kommt es vor, dass er der Eigentümer den Dieb mit einem Fluch belegt. Dieser kann dann nur durch eine Opfergabe des Verfluchten aufgehoben werden. Dabei werden Ziege, Schweine oder auch Hühner geopfert – Tiere die oftmals das einzige Hab & Gut einer Familie darstellen und daher großen Wert besitzen und zudem normalerweise das Überleben der Familie sichern.

Wir ziehen weiter durch die engen und verwinkelten Dorfgassen und entdecken immer wieder kleine Schreine, Figuren u.ä., die auf den ausgeprägten Voodookult der Dorfbewohner hinweisen. Außerdem zeigen die Jungs uns noch einen weiteren großen Voodoo-Altar, der eingezäunt inmitten eines kleinen Platzes steht. Um den Schrein herum sitzen schwatzende Marktfrauen – und so schmiegt sich der Anblick des Altars nahtlos in die Umgebung ein. Würde man nicht wissen, dass es sich um einen spirituellen und für die Bevölkerung wichtigen Ort handelt, würde dieser einem nicht sonderlich auffallen. Nach einer weiteren Opfergabe in Form von ein paar Münzen, mache ich erneut Bilder. Man lernt ja aus seinen Fehlern.

Da wir noch Zeit haben bevor wir wieder mit dem Boot ans andere Ufer fahren, fragen wir die Jungs, ob wir nicht noch gemeinsam eine Cola trinken wollen. Freudig führen uns die zwei über eine Müllhalde voll stinkenden Unrat und mit einigen umherflitzenden Nagern zu einem gemütlich aussehenden Platz am Seeufer. Dieser scheint zwar geschlossen zu sein, doch die Jungs sind zuversichtlich, dass uns jemand entdeckt und wir an unsere Getränke kommen. Dem ist zwar nicht so, dafür erzählen uns die zwei noch einiges aus ihrem Leben. Dass sie bei der Verwandtschaft hier in Togoville leben, da ihre Eltern in der Hauptstadt Lome Geld verdienen müssen. Hier im Hinterland gäbe es nicht genug Arbeit und daher würden sie die Eltern selten sehen. Auch erzählt man uns, dass der Schulbesuch hier in Togo sehr teuer ist und quartalsweise Gebühren von umgerechnet 45 € pro Schüler zu entrichten seien, sonst dürfe man nicht am Schulunterricht teilnehmen. Auch die vorgeschriebene Schuluniform verursacht regelmäßig Kosten, ohne der man nicht das Schulgebäude betreten darf. Und so müssen die zwei regelmäßig bangen, ob die Eltern genug Geld zusammenbekommen, um sie weiter auf die Schule schicken zu können.

Unsere coolen Voodoo-Guides in Togoville

Schließlich verabschieden wir uns von den zwei Jungs, wünschen Ihnen für die Ausbildung alles Gute und drücken Ihnen jeweils noch etwas Geld für ihre Hilfe bei der Suche nach den Voodoo-Altaren in die Hand. Grübelnd machen wir uns auf den Weg zum Boot. Wieder einmal ist einem bewusst geworden, wie privilegiert wir in Deutschland sind. Während sich die meisten Kinder über den täglichen Gang in die Schule beschweren und es kaum erwarten können bis der Unterricht vorbei ist, bangen diese beiden Kinder und viele ihrer Freunde regelmäßig darum weiterhin in die Schule gehen zu können und einen Abschluss machen zu dürfen.

Auf unserer Fahrt zurück zum Coco Beach, wo wir erneut eine Nacht verbringen wollen, kaufen wir noch ein paar Souvenirs bei einem gemütlichen und seeeehr dicken Togolesen, der ein ganzes Sammelsurium an afrikanischen Kunstgegenständen zum Verkauf anbietet.

Wieder am Strand angekommen, erfahren wir, dass aufgrund der Wahlen in Benin sämtliche Grenzen gesperrt und nun auch das Internet eingestellt wurde. Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Opposition nicht zur Wahl zugelassen wurde, was verständlicherweise zu Unruhen und Protesten im Land geführt hat. Um diese zu unterbinden versucht die Regierung Benins Massenveranstaltungen und ähnliches durch das Aushebeln von modernen Kommunikationsdiensten wie Twitter, Facebook & Co. zu unterbinden.

Diese Nachrichten aus dem Nachbarland sind nicht gerade beruhigend. Trotzdem wollen wir an unserem Plan am nächsten Tag die Grenze nach Benin zu überqueren festhalten – sofern diese überhaupt geöffnet ist und sich nicht noch über Nacht die Lage zuspitzt. Abwarten heißt also die Devise und so genießen wir abends noch einen frischen Fisch im Restaurant und schlafen schließlich friedlich bei monotonem Wellenrauschen in unserem Dachzelt ein.

Traumstrand Coco Beach in Togo