Bevor wir Ghana verlassen und uns nach Togo aufmachen, beschließen wir noch einen kurzen Abstecher über den Mount Gemi zu unternehmen – einem 800m hohen Berg, an dessen Fuße das heutige Dorf Amedzofe einst von den Deutschen als Standort im sogenannten Togoland genutzt worden war. Eigentlich war unser Plan hier unsere müden Knochen auszuschütteln und eine etwas längere Wanderung zu unternehmen. Doch als wir ankommen und uns in dem kleinen „Tourismus-Büro“ des Dorfes anmelden wollen (eigentlich nur ein simpler Raum ohne Türen), um eine Wanderung zu unternehmen, stoßen wir auf Desinteresse und mangelnde Bereitschaft uns Auskunft über die Wanderoptionen zu geben. Darüber hinaus verlangt der müde und gelangweilt wirkende, zuständige Beamte einen horrenden Eintrittspreis. Damit haben wir nicht gerechnet. Wir erklären ihm, dass wir heute über die Grenze nach Togo fahren würden und daher nicht mehr genug Bargeld bei uns hätten, um die geforderte Summe zu bezahlen. Wir bitten ihn, uns für die Hälfte der Eintrittssumme den Gipfel besteigen zu lassen, da dies der Betrag wäre, den wir noch bei uns hätten. Er mustert uns von oben bis unten und sagt dann etwas genervt, wenn dann würde er nur den vollen Preis nehmen oder gar nichts. Na, das ist doch einmal ein Deal! Schnell streifen wir unsere Turnschuhe über und machen uns auf den Weg zum Gipfel. Nach einem kurzen Spaziergang durch das Dorf und anschließendem Aufstieg zum Gipfelkreuz genießen wir den Ausblick über die hügelige Landschaft der Volta Region. Allerdings sind wir nicht allein – wieder einmal werden wir von mehreren kleinen Jungen begleitet, die nicht müde werden bettelnd die Hand aufzuhalten und uns um Sweets, Geld oder Soft Drinks zu bitten. Wieder einmal sind wir kurz davor einzuknicken und den Jungs etwas zu geben, um endlich unsere Ruhe zu haben. Doch da wir wissen, dass derartige Handlungen seitens Touristen die Kinder dazu anstiften der Schule fern zu bleiben und lieber den lieben langen Tag bettelnd Touristen aufzulauern, wiederstehen wir diesem Drang. Also laufen wir nach einigen Schnappschüssen vom Gipfel zurück ins Dorf, erstehen für unsere letzten Ghana Cedis noch ein wenig Schmalzgebäck und Bananen (so bleibt zumindest anstatt der Wandergebühr auf diesem Wege ein wenig Geld im Dorf) und steuern dem kleinen Grenzübergang in Richtung Togo entgegen, den zwei Tage zuvor unsere Freunde Amy & Christos erfolgreich passiert haben.

Dabei sind wir vorgewarnt, dass das Grenzprozedere an dieser Stelle zeit- und nervenaufreibend sein kann und nicht ganz so glatt läuft, wie man es sich vielleicht wünscht. Auf der ghanaischen Seite läuft das Ausstempeln problemlos. Freundlich werden wir zügig bei Zoll- und Ausweiskontrolle abgefertigt und Max bekommt sogar noch von der netten Grenzbeamtin zum Abschied eine frische Mango geschenkt. Deutlich mühsamer wird es auf der Togo Seite. Hier treffen wir auf einen etwas unmotivierten Grenzbeamten, den wir bei seiner Mittagspause stören und er uns daher nicht gerade wohlgesinnt ist. Nach Ablieferung unserer Pässe bei seiner kleinen Holzhütte, gebietet er uns 100 Meter von ihm entfernt auf einer Holzbank Platz zu nehmen und dort auf weitere Anweisungen seinerseits zu warten. Er beginnt in einem Schneckentempo Formulare auszufüllen und lässt keine Gelegenheit aus, die passierenden Motorradtaxis zu grüßen und mit ihnen einen kurzen Plausch abzuhalten. Nach 15 Minuten Wartezeit, entscheide ich mich ihm einen kurzen Besuch abzustatten und zu prüfen, was er da eigentlich den lieben langen Tag lang mit unseren Pässen macht – doch ich werde harsch darauf hingewiesen, dass ich mich wieder auf meine „Wartebank“ zurückgesellen soll. Zähneknirschend tue ich, wie mir geheißen. Weitere 15 Minuten später, werden wir zum Beamten gewunken – doch unsere Hoffnung, nun die Pässe mit dem Visum ausgehändigt zu bekommen, verläuft leider ins Leere. Er lässt sich lediglich die Passnummern in unseren Pässen, die er nicht ausfindig machen konnte, zeigen. Danach werden wir wieder auf die Wartebank geschickt. Auch das Wedeln mit den Geldscheinen, die fürs 10-Tagesvisum fällig werden, hilft leider nicht den Prozess zu beschleunigen. Nach einer Ewigkeit aber ist es endlich so weit, wir dürfen abermals an die kleine Hütte herantreten und in Zeitlupe werden sorgsam verstaute Stempel inkl. Stempelkissen vor unseren Augen hervorgekramt. Nach einem sorgfältigem Anpeilen der zu stempelnden Seite, erlangen wir endlich den ersehnten Eintrittsstempeln in unserem Pass. Halleluja!

Doch die Freude währt nur kurz, da wir erfahren, dass wir an dieser Grenze nur den Einreisestempel für uns und nicht den Zollstempel für Rotkäppchen erhalten. Dieser wäre erst zwei Dörfer weiter beim zuständigen Beamten abzuholen. Ob dieser aber heute noch erreichbar ist (es ist 13:45 Uhr!) sei allerdings fraglich. Aber was bleibt uns anderes übrig, als uns auf den Weg in Richtung Zollbeamten zu machen. Über holprige Straßen fahren wir also dem uns genannten Dorf entgegen. Nicht ohne noch einen ominösen Stopp auf halber Strecke über uns ergehen lassen zu müssen, bei dem wir von einem stark nach Alkohol muffelnden Polizisten angehalten werden, der unsere Daten in eines seiner dicken Bücher notiert. Dabei wartet er Max‘ Antwort auf die Frage „Quel est votre profession?“ nicht ab, sondern notiert „Chauffeur“ in das freie Feld für die Berufsbezeichnung. Warum sind wir da nicht schon viel früher draufgekommen? All die mühsamen Erklärungen, was man als „manager de projet“ denn so macht und wie man das buchstabiert, hätten wir uns in den bisherigen französischsprachigen Ländern sparen können! Ab sofort ist Max bis zum Schluss der Reise von Beruf „Chauffeur“ oder „Driver“ und wird in sämtlichen dicken Polizei- und Grenzbüchern so festgehalten.
Als wir schließlich das uns genannte Dorf erreichen, in dem wir unsere Autopapiere stempeln lassen können, werden wir schon winkend erwartet. Scheints wurden wir bereits telefonisch angekündigt. Doch der auf uns wartende Jugendliche stellt sich leider nicht als bevollmächtigter Beamter heraus, der Stempel verteilen oder gar Autopapiere ausfüllen darf. Vielmehr begeben wir uns gemeinsam mit ihm auf Suche nach dem Chef des Zollbüros. Dieser öffnet uns nach einiger Zeit und Klopfen nur mit einem Unterhemd und kurzen Hosen bekleidet die Tür und füllt verschlafen unsere Papiere aus. Wir hätten Glück, dass er anwesend sei und willig uns zu empfangen. Na, danke auch!
Bei der nächsten Grenze sollten wir vielleicht doch lieber wieder einen etwas größeren und vielleicht professionelleren (?) Grenzposten auswählen. Mit allen notwendigen Stempeln im Gepäck setzen wir nun aber endlich unsere Fahrt fort und steuern den Mount Kloto an. Mount Kloto – ein laut Reiseführer wunderschöner Berg, von dessen Gipfel aus man einen wunderschönen Blick über die togolesische Landschaft haben soll und eine spannende und abwechslungsreiche Wanderung bis zum Gipfel unternehmen kann. Doch es kommt mal wieder anders als geplant. Als wir uns dem Berg nähern, beginnt das Wetter umzuschlagen und dicke Gewitter- und Regenwolken ziehen am Himmel auf. Dann muss das Wandern wohl erneut hintenanstehen. Wir beschließen mit dem Auto so weit es geht auf den Berg zu fahren und dort ein Restaurant oder ähnliches zu suchen, wo wir nach Erlaubnis für eine Übernachtung fragen können. Die Fahrt führt zuerst durch eine wunderschöne Mangoallee voll saftiger Früchte, um dann in einer immer schlechter werdenden Schotterstraße zu enden, die wir mit Rotkäppchen Serpentine um Serpentine erklimmen. Und so schrauben wir uns immer weiter und weiter mit Käppchen die schlechte Straße hinauf, bis schließlich nicht nur die Straße aus, sondern auch der Gipfel erreicht ist. Das hätten wir auch nicht gedacht, dass man in Togo Berge per 4×4 besteigen kann. Grund für die bis zum Gipfel angelegte Straße scheint der hier befestigte Sendermast nebst Wärterhäuschen zu sein. Zudem befindet sich etwas unterhalb des Mastens eine offene Bar und diverse Bungalows, die aber unbewohnt bzw. nicht bewirtschaftet sind. Nur ein paar Kinder laufen eingeschüchtert mit großem Abstand an unserem Auto vorbei. Dabei hält eins der Kinder ein totes Kaninchen wie ein Kuscheltier in den Händen, welches die Kids wohl kurz vorher erlegt zu haben scheinen. Etwas schüchtern wird unser „Bon soir“ mit einem Kopfnicken erwidert und sie ziehen schnell von dannen. Mit dem heranrollenden Gewitter im Nacken und keiner offiziellen Campingmöglichkeit in Sicht, entscheiden wir uns für Wildcamping auf dem Gipfel neben dem Sendemasten. Aus Angst vor einem Blitzeinschlag beschließen wir zudem heute lieber im Auto anstatt auf dem Autodach zu übernachten. Und so liegen wir umringt von Blitz und Donner einsam auf unsere 1 Meter breiten Matratze auf dem Gipfel des Mount Kloto und beobachten das atemberaubende Lichtspiel, das die Blitze regelmäßig an den Horizont zaubern. Ein etwas anderer Abend, den man so schnell nicht vergessen wird.


