Ghana – Teil 5: „Things that you do not know can kill you!“

Warten mit asiatischem TV-Programm aufs Frühstücks-Omelette – die Eier dafür müssen erst noch eingekauft werden.

Nachdem wir uns von Stephen und seiner Schwester Doris verabschiedet haben, machen wir uns auf den Weg in Richtung Stadtzentrum von Accra. Dort wollen wir Rotkäppchen einmal in einer Werkstatt durchchecken lassen und zudem einen neuen Anlauf starten, um eine Visa für Nigeria zu erlangen. Während die Mechaniker sich an den Check von Rotkäppchen machen, gönnen wir uns erst einmal ein Omelette-Frühstück im benachbarten Restaurant. Ein etwas seltsames Etablissement, das neben asiatischem Fernsehprogramm auch diverse Afrika untypische Deko-Gegenstände aufweist – das Omelette macht uns aber satt und glücklich. Das ist schließlich das Wichtigste.

Bei unserer Rückkehr konnten die Mechaniker das komische Geräusch, das wir seit einigen hundert Kilometer beim Schalten in den 2ten und 4ten Gang beobachtet haben, noch nicht idenzifizieren und wir entscheiden uns das Auto noch etwas länger in der Werkstatt zu lassen, während wir per Taxi in Richtung nigerianische Botschaft fahren. Doch trotz schriftlicher Zusicherung von Stephen, dass wir in Ghana bei ihm wohnen dürfen und daher eine permanente Adresse haben, werden wir als „Residentials“ nicht akzeptiert und bekommen kein Visum für Nigeria ausgestellt. Für uns ist damit klar, dass wir uns etwas anderes einfallen lassen müssen. Nach 5 gescheiterten Visum Gesuchen scheint eine Durchfahrt durch Nigeria unmöglich und auch die Sicherheitslage des Landes, die ich mittels Travel Safety App konstant beobachte, ist derart miserabel, dass ein Betreten des Landes wie ein Glücksspiel mit dem eigenen Leben zu sein scheint. Immer wieder erhalte ich Push-Nachrichten aufs Handy von Ausschreitungen, die zu mehrtägigen Ausgangssperren führen und entführten oder gar ermordeten Ausländern, die trotz Sicherheitseskorte angegriffen und als Geiseln gehalten werden. Wir werden uns also bzgl. Verschiffung von Rotkäppchen in Togo schlau machen müssen und zusehen, dass wir dieses doch riesige Land irgendwie umfahren können.

Dabei ist der Landweg leider keine Alternative, da die Fahrt über Niger und Tschad mindestens genauso gefährlich ist und ein Visum für diese beiden Länder eine ähnliche Herausforderung darstellt. 

Frustriert machen wir uns zu einer Autoversicherung in Accra auf, um dort eine Versicherungskarte für Zentralafrika zu erhalten (carte rose). Die in Senegal erworbene Versicherung für die westafrikanischen Länder bis einschließlich Benin (carte brune) hatte uns gute Dienste erwiesen und nervige Diskussionen mit Grenzbeamten und Polizeikontrollen über unsere in Deutschland abgeschlossene Afrika-Versicherung erspart. Doch die hiesige AXA-Versicherung kann uns nicht weiterhelfen. Somit kehren wir unverrichteter Dinge wieder zu unserem Automechaniker zurück. Dieser erklärt, dass Rotkäppchen fit sei und er nichts gefunden hätte. Das Schalt-Geräusch könne er sich nicht erklären, allerdings dürfte es nicht weiter schlimm sein. Sein noch hinzugefügter Beisatz

„Things that you don’t know can kill you – Dinge, die du nicht verstehst, können dich umbringen!“

beruhigt uns dabei nicht wirklich.

Wir düsen also unverrichteter Dinge weiter mit Rotkäppchen zu einer Mall, wo wir uns mit Amy & Christos auf ein Mittagessen treffen. Die Reiseroute durch Nigeria ist bestimmendes Thema beim Lunch. Während Christos & Amy fest entschlossen sind, an ihrem bereits in London erhaltenem Nigeria Visum festzuhalten und auf unsere Begleitung durch das unsichere Land hoffen, sind wir mit der heutigen Visum-Absage mehr denn je am Zweifel, ob wir wirklich auf dem Landweg die Reise antreten sollen. Nach langer Diskussion trennen sich schließlich unsere Wege. Die beiden machen sich auf Richtung Norden Ghanas während wir eine weitere Nacht in Nähe von Accra verbringen wollen, um am nächsten Morgen unsere geschneidert Kleidung einzusammeln und dann ebenfalls auf ähnlicher Route die Hauptstadt zu verlassen.

In Kokoudou, einem sehr touristisch geprägtem Stranddomizil westlich der Hauptstadt finden wir schließlich einen geeigneten Stellplatz für eine Nacht. Zwar ohne Strandanbindung, doch ein kurzer Spaziergang zum Strand zeigt, dass der Sand von angetriebenem Müll aus der Großstadt sowieso nicht wirklich zum Verweilen einlädt.

Wer hätte gedacht, dass eine simple Pizza so gut schmecken kann?!

Wir gönnen uns abends noch die erste Pizza seit Reisebeginn – authentisch zubereitet von den italienischen Bungalow-Besitzern, die uns bei sich übernachten lassen und tauschen uns mit der kurz nach uns am Campingplatz eintreffenden spanischen Overlander-Familie aus, die wir bereits von der Elfenbeinküste kennen. Auch sie haben Probleme an das Nigeria-Visum zu kommen, machen sich aber in Vergleich zu uns deutlich weniger Sorgen bzgl. der Sicherheitslage im Land. Was allerdings auch an deren etwas eingeschränktem Informationsstand bzgl. der Vorkommnisse in Nigeria und im Nachbarland Kamerun liegen könnte.

Am nächsten Morgen stürzen wir uns ausgeschlafen wieder rein ins ghanaische Verkehrschaos und ins Herz der Hauptstadt. Nachdem wir erfolgreich die geschneiderten Kleidungsstücke eingesammelt haben, wagen wir einen zweiten Versuch den Plakatmaler Papa Wasti aufzusuchen.

Max’s Hemd ist pünktlich fertig und abholbereit beim fleißigen Schneider

Dieses Mal bewaffnet mit einer Handynummer, fahren wir erneut Richtung Vorort Teshie. Doch die Suche nach dem vermeintlichen Künstler gestaltet sich erneut als Herausforderung. Über eine rauschende Handyverbindung versuche ich mit Papa Warsti Kontakt aufzunehmen – allerdings bekomme ich nur einen Namen genannt, nach dem ich am Straßenrand fragen soll. Sobald ich an diesem kaum aussprechbaren Ort wäre, würde er uns dort abholen kommen. Doch mehr könne er jetzt nicht machen, da sonst seine Farbe eintrocknen würde. So bleiben wir alle 5 Meter stehen, ich springe aus dem Auto und versuche von den Markstandverkäufern oder anderen vertrauenswürdig und ortskundig aussehenden Menschen eine Auskunft zu bekommen, wo wir hinfahren müssen, um den mir genannten Ort aufzusuchen. Und tatsächlich  – nach einer halben Stunde Schnitzeljagd durch Teshie werden wir endlich zur richtigen Stelle gelotst. Und einen Anruf und 5 Minuten später steht auch schon Papa Warsti, ein junger Ghanaer mit FlipFlops und Trainingsanzug vor uns und bittet uns ihm zu Fuß durch die Gassen seines Viertels zu folgen.

Endlich haben wir ihn gefunden – Papa Warsti

Wir laufen ein paar Minuten hinter ihm her durch die sehr ordentlich wirkenden Slumgassen Teshies um schließlich bei seinem „Atelier“ anzukommen. Dort dürfen wir seine letzten Werke bewundern und geben ein Gemälde von Rotkäppchen zusammen mit uns in Auftrag – mit der Ungewissheit, ob es ein Gemälde wird, das im Wohnzimmer oder doch eher im Keller zukünftig seinen Platz finden wird.

Eine kurze Führung durch Teshie später verabschieden wir uns herzlich von Papa Warsti und lassen den Großstadtdschungel wieder hinter uns. Wir freuen uns auf die kommenden Tage, die etwas mehr Natur und weniger Hektik versprechen.

Goodbye Großstadtdschungel von Accra

Auf der Fahrt Richtung Lake Volta machen wir noch einen kurzen Stop, um Rotkäppchen ordentlich reinigen zu lassen. Dabei entdecken wir neben der Waschstation auch einen Friseur. Da sowieso 30 Minuten totgeschlagen werden müssen, nutzt Max die Zeit, um sich zwischenzeitlich seiner lang gewordenen Haare zu entledigen. Nachdem ihm im ersten Schritt vom Chanel-Adiletten tragenden Friseur ein Topfschnitt verpasst wird, greife ich ein und bestehe darauf, dass die Haare kürzer geschnitten werden. Haarschnitt #2 kann sich sehen lassen und weil’s gerade passt, macht sich der Friseur auch gleich über Max‘ Bart her. Dabei wird er zuerst mit einer dicken Schicht Babypuder eingerieben und dann unter anderem mit einer frischen Rasierklinge von den Barthaaren befreit. Leider sehe ich erst zu spät als Max dem fleißigen Friseur die vereinbarten 3 Euro in die Hand drückt, dass er ihm einen Oberlippenbart hat stehen lassen. Scheints ist das sein Bild eines gepflegten Weißen. Ich finde den Anblick schrecklich, muss aber gut eine Woche warten, bis Max sich schließlich meiner erbarmt und das Hitler-Bärtchen abrasiert. 

Mit frisch gewaschenen Auto und gestriegeltem Max geht es schließlich zum Volta See. Dort genießen wir den verbleibenden Nachmittag mit baden und Mangos naschen. Die Früchte fallen beinahe minütlich frisch vom großen Baum neben unserem Stellplatz und schmecken einfach nur zuckersüß und fruchig.

Der Tag endet mit einem gewittrige Regenschauer und einer Nacht, die immer wieder von lauten Schreien der vielen Fledermäuse und das laute „Plopp“ der von den Mangobäumen fallenden Früchten unterbrochen wird.

Fufu mit Beans und gekochtem Ei zum Abendessen

Am kommenden Morgen sammeln wir noch ein paar der süßen Früchte für die Weiterfahrt ein und fahren dann über sehr holprige und von Schlaglöchern durchsetzte Straßen zu den Wli Falls.

Bushmeat-Verkäufer am Straßenrand

Diese wunderschönen Wasserfälle lassen sich über eine kurze Wanderung erreichen und man kann unter ihrem beindruckenden Wasserschwall duschen. Zusammen mit einigen einheimischen Touristen wagen wir uns unter die Naturdusche, die mit ziemlicher Gewalt herabrauscht und einem auf Kopf und Rücken prasselt. Ein einzigartiges Erlebnis, auch wenn die Wasserqualität aufgrund der tausenden in den steilen Felswänden lebenden Fledermäusen fraglich erscheint. Auch erfahren wir nach unserem Bad im Wasserfallwasser, dass viele Kranke auf die Heilkräfte des Wassers vertrauen und daher zur Heilung diverser Krankheiten dort ein Bad nehmen. Lieber nicht länger darüber nachdenken…

Nach erfolgreicher Wanderung zurück zu Rotkäppchen suchen wir uns ein schönes Fleckchen zum Campen bei einem deutschen Ehepaar, das ähnlich wie wir vor mehreren Jahrzehnten eine Afrikareise angetreten hat und in Ghana hängengeblieben ist. Seither betreiben die beiden an den Wli Falls einige Bungalows und lassen uns in ihrem Garten campen. Der Rest des Tages wird mit Blog schreiben und Planung der kommenden Tage verbracht. Während ich mir abends Milchreis mit den am Lake Volta gesammelten Mangos koche, gönnt sich Max eine Curry Wurst aus dem Restaurant der Deutschen. Dort erfahren wir auch, dass das Fleisch für die Wurst extra aus der Großstadt geholt wird, da die hiesigen Tiere primär Papayas gefüttert bekommen, was die Fleischqualität wässrig macht – der gleiche Effekt, wie bei zu viel Antibiotika.

Nichts geht über eine Curry Wurst in Ghana

Glücklich genießen wir unser Abendessen und freuen uns auf Togo