Der Tag beginnt mit der Reparatur unseres Dachzeltes bzw. dessen Halterung. Max hat schnell herausgefunden was das Problem ist und wir können kurze Zeit später losfahren, um Accra zu erkunden. Die Stadt ist wie leer gefegt, da heute Ostermontag sprich gesetzlicher Feiertag ist. Entsprechend haben viele Geschäfte geschlossen und die Leute, die es sich leisten können, haben die Stadt verlassen um außerhalb Ostern zu feiern.
Wir fahren entlang der Küste gen Osten, auf der Suche nach den berühmten Sarg-Schreinern. Einzigartig in Ghana hat sich hier eine Szene an Schreinern hervorgetan, die individuell Särge je nach Profession oder Hobby des Verstorbenen produziert. Aufgekommen ist diese doch etwas skurrile Zunft mit dem Ableben eines Vaters einer der Schreiner, der Fischer war. Zu Ehren des Vaters schreinerte dieser einen bunt bemalten Fischsarg. Die kreative Idee sprach sich schnell rum und die Anfragen nach dieser Art von Särgen stieg. Heute gibt es mehrere kleine Hinterhofschreinereien, die diese Auftragsarbeit anbieten. Dabei gibt es weit mehr als nur Fischsärge zu erstehen. Je nach Vorliebe können Bierliebhaber sich auch einen Sarg in Form ihrer Lieblingsmarke anfertigen lassen oder Bürohengste sich in einem Bleistift zu Grabe tragen lassen.




Wir erfahren bei einem Besuch einer der Hinterhofwerkstätten, dass einige ausländische Chinesen mit Hang zum Gruseln sich Särge für die eigene Bestattung schnitzen lassen, allerdings anstatt des einmaligen Gebrauchs diesen als Wandschrank umfunktioniert erst einmal in der Wohnung aufstellen. Wir erkundigen uns nach dem Preis für einen Rotkäppchen-Sarg. Mit 5 – 6.000 Euro wären wir dabei. Dankend lehnen wir ab und machen uns weiter auf den Weg durch die Vororte von Accra auf der Suche nach Papa Warsti, der im Slum namens Teshie Leben soll .
Papa Warsti ist ein Künstler, den mein Vater bei seinen letzten Ghana-Besuchen ausfindig gemacht hat. Als Maler von afrikanischen Filmplakaten hat Papa Warsti schon das ein oder andere „schöne“ Kunstwerk zur Sammlung meines Vaters beigetragen und meine Eltern stehen immer wieder in Kontakt mit ihm, um an weitere Sammlerstücke zu gelangen. Da es in den wuseligen, zumeist aus Wellblechhütten bestehenden Vorstädten keine Straßenamen gibt, kurven wir etwas hilflos durch die Vorortgassen und fragen immer wieder Personen mach dem vermeintlich bekannten Künstler namens Papa Warsti. Doch neben den erstaunten Gesichtern, dass sich weiße Touristen hier ins Viertel verirrt haben, erhalten wir lediglich Kopfschütteln als Reaktion auf unsere Frage. Die Wegbeschreibung meines Vaters, dass wir uns ab dem Sendemasten gen Küste halten sollen ist dabei leider auch mehr als mau angesichts der Fülle an Masten, die hier im Umkreis von wenigen hundert Metern auszumachen sind. Wir geben auf und drehen um.
Gen Westen fahrend versuche ich Stephen, meinen „afrikanischen Bruder“, zu erreichen. Während meinem ersten Besuch in Ghana mit 12 Jahren hatten meine Eltern Stephen und seine Mutter kennengelernt und aus anfänglichen gelegentlichem Briefeschreiben ist über die Jahre eine enge Beziehung entstanden. So wurde von meinen Eltern u.a. Stephens Ausbildung unterstützt und auch in diverse andere Projekte von Stephens Geschwistern investiert. Wir freuen uns auf das Treffen und sind gespannt, was uns erwartet. Immerhin hat man ja nicht jeden Tag die Möglichkeit so tief in das tägliche Leben einer afrikanischen Familie einzutauchen. Während ich vergeblich versuche, Kontakt mit Stephen aufzunehmen, fahren wir in den Westen der Stadt, Stephens Wohnung entgegen. Dort werden wir von den Nachbarn freundlich empfangen und dürfen sogleich im gemeinsamen Hinterhof der hier lebenden Familien parken.
Nach kurzer Zeit erscheint dann auch mein afrikanischer Bruder und nach einer herzlichen Begrüßung und dem Austausch der neusten Familiengeschichten, starten wir mit Stephen los. Wir wollen nämlich in Accra einiges erledigen und vertrauen auf Stephens Ortskenntnisse. Ein Schneider, ein Waschsalon und ein Druck- & Kopiershop sollen ausfindig gemacht werden. So kurven wir kurz später durch die Gegend auf der Suche nach geöffneten Läden am Feiertag. Beim Schneider werden wir tatsächlich fündig und dieser erklärt sich bereit nach kurzer Maßnahme bis zum nächsten Morgen für mich einen Rock und für Max ein Hemd aus den in Kumasi erstandenen Stoffen zu fertigen.

Da wir bzgl. Wäscherei leider nicht so viel Glück haben wie mit der Schneidetei, fahren wir spontan bei Stephens Haushaltshilfe vorbei. Diese wäscht unter der Woche für Stephen und seine Familie und fährt bereitwillig mit uns mit, um dann die kommenden 2 Stunden per Hand unsere Kleidung zu schrubben. Anfangs eine etwas befremdliche Vorstellung sich vom einer fremden Person die Kleidungsstücke auswaschen zu lassen, aber da dies hier gang und gäbe zu sein scheint, lassen wir uns auf das Experiment ein. Und tatsächlich bekommt sie unsere staubigen und viel genutzte Klamotten sauber. Als Dank erhält sie neben der vereinbarten Bezahlung auch noch zwei Kleidungsstücke von mir – so viel Spontanität am Feiertag gehört belohnt.

Abends ist großes Familientreffen geplant. Stephen hat auf unseren Wunsch hin seine Geschwister samt Familie zusammengetrommelt und wir treffen uns im Zentrum Accras zum Fufu-Essen (=fester Brei aus Maniok oder Yams). Das Restaurant ist beinahe leergefegt als wir eintreffen und die Kellner scheinen nicht sonderlich begeistert von dem Erscheinen der Kundschaft. Auch die Speisekarte ist gewöhnungsbedürftig: Es sind keine Preise angegeben und auf Nachfrage variieren die Preise je nach bestellter Größe der Fleisch bzw. Fischbeilage. Wir merken schnell, dass die Gerichte der Familie zu teuer sind, denn sie beginnen zu diskutieren wer mit wem sein Essen teilen soll bzw. wer gerade noch am fasten ist. Unser Einwand, dass wir zahlen würden, trägt leider nicht dazu bei dies zu unterbinden. Am Ende werden diverse Fufu-Gerichte mit Fleisch und Fisch bestellt. Diese werden traditionell nach dem Herumreichen des Wasserkrugs zur Reinigung der Hände, mit der rechten Hand gegessen.

Während unsere ghanaische Familie geschickt Fufu-Bällchen abzupft und zusammen mit Soße und Fleisch genießt, kann ich nicht ganz nachvollziehen, wie mit nur einer Hand ein Fisch zerlegt und ohne die Gräten in der Soße zu verteilen gegessen werden soll. Und so kämpfe ich mich mit meinem Gericht ab, das sehr gewöhnungsbedürftig nach Fisch in Fleischsud schmeckt, während der Rest genüsslich isst und der Nachwuchs am Malzbier nippt.


Nach beenden des Essens macht man uns unmissverständlich klar, dass das Personal Feierabend machen möchte. Und so verabschieden wir uns leider sehr schnell von Stephens Bruder und seiner Familie, um zusammen mit ihm und seiner Schwester ebenfalls die Heimreise anzutreten. Schade, irgendwie hatte ich mir das Zusammentreffen entspannter und etwas weniger stressig vorgestellt.

Wir fahren also durch die von Feierwütigen eingenommene Stadt, die einer Partymeile zu gleichen scheint und schlagen dann in Stephens Hinterhof unser Zelt auf. Die Frage, ob wir um 5 Uhr am nächsten Morgen bei der Bibelinterpretationsrunde zusammen mit Stephen und seiner Schwester dabei sein wollen, lehnen wir höflich ab. Insgesamt ist Stephen und seine Familie, aber grundsätzlich ganz GHANA sehr gläubig. Jedes noch so kleine Friseurschild am Straßenrand hat God, Jesus oder Christ im Namen. Überall erkennt man in selbst ärmlichen Gegenden Megabauten, die von einer Kirchengemeinde finanziert wird und auch in Stephens Wohnung überraschen uns die vielen Psalme, die u.a. an die Toilettenwand gepinnt sind. Wie wir im Laufe der Reise durch Ghana lernen, gibt es neben der Kirche diverse „Wunder-Priester“, die auf Kosten der Gläubigen in Saus- & Braus leben, während sie ihren treuen Schäfchen die Köpfe verdrehen und sie zum Teil jeden Cent berauben. Auch Aussagen wie „Ich kann es mir nicht leisten in die Kirche zu gehen. Meine Familie hat nicht genug Geld.“ sprechen Bände. Eine Kirche mit Beigeschmack also, die nicht zwingend das Wohl der Gemeindemitglieder und Nächstenliebe in den Mittelpunkt stellt.

Obwohl wir die Bibelinterpretationsstunde erfolgreich ausgeschlagen zu haben schienen, beginnt der kommende Morgen sehr früh. Um 4 Uhr macht sich eine Nachbarin daran ihre Kinder zu füttern und danach lautstark die Wäsche zu waschen. An Weiterschlafen ist nicht zu denken. Und so trotten wir gegen 6 Uhr in Stephens Wohnung – zu früh, wie sich herausstellt. Stephen und seine Schwester sind noch am Sinnieren über der Bibel und sie bestehen darauf, dass wir uns zu ihnen gesellen. Ich lese – wir mir geheißen – diverse Bibelverse vor und werde regelmäßig unterbrochen, da ich vergesse wichtige Stellen wie Jesus und Christ besonders zu betonen.
Danach möchte Stephen, dass wir zusammen mit ihm den heiligen Geist in uns spüren. Das ist uns dann doch eine Schippe zu viel. Ich erkläre ihm, dass wir zwar an den gleichen Gott glauben, allerdings etwas anders an die Sache rangehen. Erst nachdem ich ihm versprochen habe, heute Abend auf unsere Weise den heiligen Geist zu erfahren und ihm dann per Whatsapp Bescheid zu geben, lässt er die Bibel Bibel sein und wir können uns für die Gastfreundschaft bedanken und uns verabschieden – nicht ohne noch Gottes Segen für unsere Reise zu erbeten. Das kann natürlich nicht schaden. Schon faszinierend, welch omnipräsenten Stellenwert der christliche Glaube in vielen ghanaischen Familien einzunehmen scheint, während in unserer westlichen Welt die Kirche mehr und mehr an Relevanz verliert…
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