Mit dem Kauf von RAMBO – einem Insektenvernichtungsmittel aus Nigeria gegen die Ameisenplage – und ausreichend Bier, Wasser und Obst & Gemüse-Vorräten beginnt der kommende Tag. Unser heutiges Ziel lautet Yamoussoukro, die Geburtsstadt des früheren Präsidenten und dessen Lebenswerk. Vor seiner Präsidentschaft noch unbedeutend, hat dieser im Laufe seiner Amtsjahre Unmengen an Staatsgeldern in diese Stadt gepumpt, sie wie auf dem Reißbrett aufgebaut und mit allen Schikanen versehen. Diesen Größenwahn wollen wir uns nicht entgehen lassen, zumal man sich auf der Strecke nach Yamoussoukro vorbei an ärmlich wirkenden Dörfern kaum Derartiges vorstellen kann. Mittags machen wir einen kurzen Stopp, um Rotkäppchen nach all den staubigen und schlammigen Straßen der letzten Tage vom Dreck zu befreien. Während die Jungs der Waschanlage mit dem Hochdruckstrahler Käppchen säubern, gibt es für uns am Nachbarstand höllisch scharfen Reis mit undefinierter Fleischeinlage und dazu eine lautstarke Elfenbein-Telenovela im Fernsehen, die sämtliches Personal und die lokale Kundschaft in Bann zieht.

Die restliche Strecke bis Yamoussoukro mit unzähligen Schlaglöchern und vereinzelten Buschratten, die am Straßenrand angeboten werden, bringen wir gut hinter uns und erreichen die Stadt am späten Nachmittag. Und tatsächlich hat der vorauseilende Ruf von Yamoussoukro nicht zu viel versprochen: 6-spurige Straßen, überall Straßenbeleuchtung und eine Petersdom-Nachbildung sowie ein Präsidentenpalast, den man nicht übersehen kann. Was für ein größenwahnsinniger Staatsmann muss hier Staatsgelder veruntreut und sich ein Denkmal auf Kosten der Bevölkerung geschaffen haben?
Wir beschließen den Petersdom am nächsten Morgen zu besichtigen und machen uns erst einmal auf die Suche nach einer geeigneten Unterkunft. Nach langem Suchen werden wir schließlich bei evangelischen Nonnen fündig. Die benachbarten katholischen Brüder hatten deutlich zu viel fürs Camping verlangt.

Etwas planlos laufen wir noch durch die überdimensionierten Straßen, um schließlich bei einer kleinen Kneipe uns ein Bier zu gönnen. Abends werden wir am Auto noch von ein paar Pastoren besucht, die uns erzählen, dass es hier zwar unzählige Gläubige gibt, dafür aber kein Geld, um Bibeln zu kaufen. Wir erklären ihnen, dass es in Europa u.v.a in Deutschland genau der umgekehrte Fall sei: Bibeln wären nicht das Problem, nur die Gläubigen werden immer weniger und der christliche Nachwuchs fehle. Das scheint ihre Sorgen um die Bibeln etwas zu lindern und sie verabschieden sich schließlich höflich. Wir kochen uns noch kurz etwas zu essen, bevor wir im Zelt verschwinden.
Am nächsten Morgen geht’s wie geplant zum nachgebauten Petersdom namens „Basilica of Our Lady of Peace of Yamoussoukro“, die im Guinness Buch der Rekorde als größte Kirche der Welt gelistet ist. Und tatsächlich ist das Bauwerk mehr als beeindruckend und ist das Letzte, was man hier im tiefsten Afrika, in der Elfenbeinküste, erwarten würde. Für einen kurzen Moment fühlen wir uns nicht in Afrika, sondern irgendwo in Europa und sind überwältigt von der Größe des Bauwerks, der Glaskuppel, den Marmorsäulen, und den bunten Glasfenstern, die das Gebäude zieren. Überall wird geschrubbt, gemäht und poliert.



Nachdem wir Rotkäppchen noch einmal vor dem großen Gebäude abgelichtet haben, machen wir uns auf Richtung Küste. Eine lange Strecke bis zur Küste liegt vor uns und wir konnten nicht in Erfahrung bringen, wie die Straßenqualität ist. Vielleicht auch besser so, sonst hätten wir höchstwahrscheinlich eine deutlich andere Route gewählt. Die Teerstraße endet einige Kilometer hinter Yamoussoukro und wird von einer Sandpiste abgelöst. Diese ist durchsetzt von tiefen Schlammlöchern, die zunehmend mehr und zunehmend tiefer werden.

Gegenverkehr gibt es kaum auf dieser Strecke und die Zweifel, warum wir uns und Rotkäppchen diese Strapazen antun sollen, werden immer größer. Letzten Endes ist der Wunsch an die Küste zu fahren auf meinem Mist gewachsen und Max ist zurecht genervt, da er mal wieder um die Löcher rummanövrieren und die strapaziöse Strecke fahren muss, während ich stundenlang mit Schuldgefühlen aus dem Fenster sehe und versuche seine schlechte Stimmung zu ignorieren.
Als wir am späten Nachmittag immer noch zig Kilometer von der Küste entfernt sind und die Straßen teils nicht mehr diesen Namen verdienen, passiert das Unvermeidliche. Wir beginnen zu diskutieren. Auch Gedanken an umdrehen oder aufgeben kommen hoch und die Gemüter erhitzen sich. Und genau da passiert es: In einem Moment der Unachtsamkeit, die durch unsere hitzige Diskussion hervorgerufen wurde, nimmt Max nicht den mittigen Weg durch das tiefe Schlammloch, sondern eine seitliche Durchfahrt und wir hören nur noch, wie die Reifen langsamer werden und Rotkäppchen knietief im Schlamm steckenbleibt und die Räder durchdrehen. Jetzt haben wir den Salat.




Es hilft nichts: Wir müssen raus und einmal knietief in die orange-rötliche Suppe steigen, die Rotkäppchen gefangen hält. Ich schnapp mir unseren Klappspaten und beginne in der sengenden Hitze die Hinterräder freizuschaufeln, während Max nach möglichem Holz zum Unterlegen sucht und schließlich die Sandbleche vom Auto abmontiert. Die vorbeifahrenden Mopeds sind dabei auch nicht wirklich hilfreich. Zum einen fahren sie mit Schwung durch den spritzenden Schlamm um nicht ebenfalls steckenzubleiben, zum anderen haben sie nichts anderes zu tun, als uns aufmunternd auf Höhe des Autos zuzuhupen. Ein Lärm, den sie sich gerne sparen können. Nach etwa 20 Minuten, hält eins der Mopeds an und der Fahrer beginnt mir zu helfen Schlamm von den Hinterreifen zu entfernen, indem er mit der Hand in die tiefe, organgefarbene Grütze greift. Kurz darauf kommt ein Personenbus, der ohne zu überlegen anbietet uns rauszuziehen. Das von uns angebotene Abschleppseil wird lachend abgelehnt, dafür eine Eisenkette an Käppchens Stoßstange angebracht. Nach 3 brachialen Anläufen, viel Qualm und Matsch ist Käppchen schließlich frei. Auch wenn das bedeutet, dass die Schaufelei am Hinterreifen umsonst war, sind wir überglücklich. Schlammverschmiert bedanken wir uns bei unseren Helfern, die jegliches angebotenes Geld ablehnen. Ein weiterer Lastwagen, der kurze Zeit später uns passiert, hilft mir mit seinen Wasserreserven noch, die Hände und Füße notdürftig zu reinigen, dann kann es weitergehen. Was für eine Schlammschlacht!
Kurz nachdem wir wieder losrollen, werden wir von einer Bande Jugendliche mit Holzplanken gestoppt. Diese stehen schon beim nächsten Wasserloch bereit und erhoffen sich ein ordentliches Trinkgeld für ihre Hilfe, die steckengebliebenen Fahrzeuge aus dem Matsch zu ziehen. Max hupt und schimpft, bis die Bande ihre Holzbalken beiseite schiebt und wir mit Schwung des tiefe Matschloch durchfahren. Käppchen schafft dieses Mal das Wasserloch ohne Probleme – nur muss man sich trauen, die undurchschaubare Mitte der Wasserlöcher anzusteuern und nicht auf die Idee kommen, vermeintlich seichtere Stellen zu durchfahren, die im Zweifel einen weniger festen Untergrund haben. Mit diesem Wissen geht’s durch zig weitere unbezwingbar scheinende Matschlöcher, bis wir schließlich in einem kleinen Dorf ankommen und der uns anhaltende Polizist uns zusichert, dass ab hier die Straße wieder kontinuierlich besser werden soll. Und tatsächlich wird der Matsch weniger, auch wenn die Straße weiterhin alle Konzentration von Max fordert.
Und plötzlich eine weitere Schrecksekunde. Ein vollkommen überladener Kleinbus mit 6 Personen auf dem Dach braust plötzlich uns auf einer Kurve entgegen und schafft es gerade noch auf Höhe von Rotkäppchen gefährlich schlingernd seine Spur zu finden. Das hätte böse enden können, nicht auszumalen, was mit den 6 Passagieren passiert wäre, die sich auf dem Dach des Kleinbusses festgekrallt hatten. Mit ordentlich Adrenalin im Blut fahren wir weiter und wünschen uns nur noch eines: Endlich ankommen. Die Höllenfahrt endet schließlich in absoluter Dunkelheit in Sassandra.
Wir können nicht sagen, wie wir es über die schlaglochdurchsetzte Hauptstraße im Stockdunkeln geschafft haben zum Hotel in Sassandra zu kurven, doch um halb 10 Uhr nachts, biegen wir vollkommen erschöpft, verschlammt und ausgehungert auf dem Hotelparkplatz ein. Wir müssen tatsächlich wie zwei Häufchen Elend wirken, denn die Hotelbesitzer erlauben uns in einem ihrer Zimmer uns zu duschen und auf dem Hotelparkplatz kostenfrei zu parken, sofern wir im Restaurant etwas essen. Die kalte Dusche ist ein Traum und wir sind unendlich dankbar, als wir spät abends frisch geduscht etwas Warmes zu essen vor uns haben. Der Tag hätte auch ganz anders enden können.
Am nächsten Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus: Die Sonne strahlt und wir beschließen zum Frühstück einmal den Hügel zum Fischerstädtchen zu Fuß runterzulaufen und Sassandra zu erkunden.

Der Fischermarkt ist bereits in vollem Gange, als wir am Marktzentrum eintreffen, doch auf nüchternen Magen ist uns das zu viel. Wir gehen weiter an der am Strand entlangführenden Straße, bis wir schließlich einige bunte Plastikstühle im Sand entdecken. Und tatsächlich wird uns hier Nescafé mit Omelette serviert, nachdem die Tochter der kleinen Strandbar erst einmal zum Eierholen zum Markt geschickt wurde.

Frisch gestärkt machen wir noch eine kurze Strandwanderung zu den Kolonialbauten, die hier in Sassandra dem Verfall geweiht scheinen, um schließlich zurück über den Markt zum Hotel zu gelangen.





Heute brauchen wir etwas Erholung und wo könnte man diese besser finden, als an einem einsamen Strand. Daher starten wir kurzerhand Richtung der nördlichen Strände von Sassandra. Und tatsächlich finden wir ein kleines, von zwei liebenswerten Einheimischen geführtes Strand-Camp direkt am Wasser, wo wir Rotkäppchen parken und uns erholen können. Der Strand ist paradiesisch schön, nur ist die Brandung derartig stark, dass wir uns nicht ins Wasser trauen. Die umliegenden Felsen laden dagegen zum Klettern und Umherwandern ein und so verbringen wir einen gemütlichen Tag an diesem Traumstrand und lassen die Seele baumeln.



Abends servieren uns die beiden Besitzer des Traumcamps Langusten, die frisch aus dem Meer gezogen wurden. Eine bessere Entlohnung für die gestrigen Strapazen gibt’s nicht.
