Elfenbeinküste – Teil 1: Dent de Man

Wieder einmal hat es in der Nacht geregnet und das feuchte Zelt weist schon erste Schimmelstellen an der Matratze auf. Höchste Zeit, dass wir aus dem feuchten Regenwald-Gebiet Guineas rauskommen und zur Elfenbeinküste fahren. Doch bevor wir uns zur nächsten Grenze aufmachen, wollen wir noch die von den Mitarbeitern des Camps beschriebene Natursteinbrücke sehen. Und so folgen wir unserem Guide über schlammige, rutschige Straßen zu einer Brücke, die komplett aus Stein besteht. Dieser Stein wurde über Jahrhunderte von einem kleinen Fluss geformt und ausgehöhlt.

An der Brücke tummeln sich auch zwei Einheimische, die scheints auf unseren Guide gewartet haben. Dieser lässt sich nämlich gleich bei Ankunft die mitgebrachten, leeren Kanister seines Mopeds mit Palmwein auffüllen. Wir dürfen natürlich ebenfalls probieren und im Gegenzug zu den bisher getrunkenen Weinen, schmeckt dieser lecker und leicht süßlich nach Federweißer. Warum also nicht eine 1,5 Liter Wasserflasche damit füllen und mitnehmen? Mit knapp einem Euro sind wir dabei. Danach verabschieden wir uns von unserem Guide und dem Palmwein-Duo und machen uns über durchwachsene Straßen auf den Weg zur Grenze Richtung Elfenbeinküste. Dort werden wir mehr als freundlich empfangen, auch wenn der Prozess aufgrund des erneut vorherrschenden Analphabetismus wieder einmal Ewigkeiten dauert. Es werden Bilder geschossen, Kontakte ausgetauscht und uns Bilder von anderen Touristen gezeigt, die bereits die Grenze hier übertreten haben. Ein sehr positiver Abschluss unserer doch zeitweise durchwachsenen Guinea-Reise.

Freundliche Grenzbeamte der Elfenbeinküste

Die Straße auf Seiten der Elfenbeinküste wird leider in keinster Weise besser – hier haben die Chinesen ihre Hände im Spiel und sind eifrig damit beschäftigt eine große neue Straße zu bauen. Für zukünftige Touristen heißt das mit 100km/h und mehr durch die Elfenbeinküste düsen, für uns bedeutet dies leider sehr unwegsame Umleitungen, die uns einiges an Zeit und Nerven kosten. Dazu kommen unzählige Polizei-Stopps, die scheints bereits via WhatsApp über unsere Ankunft informiert wurden, und sämtliche Daten bis hin zu den Geburtsdaten der Eltern fein säuberlich in ihren dicken Büchern dokumentieren.

Dann, als wir endlich die erste größere Stadt Danané erreichen, ertönt aus dem Nichts ein unglaublich lauter Knall als hätte jemand direkt hinter unseren Köpfen geschossen. Max stoppt sofort das Auto, da er denkt ein Teil von Rotkäppchen wäre laut knallend kaputt gegangen. Lachend und vom Kopf tropfend kann ich ihn beruhigen: Die morgendlich erstandene Palmweinflasche – die wir hinter meinem Sitz platziert hatten, war aufgrund der Hitze und des nicht enden wollenden Gerüttels der Straße explodiert und hatte sich bis auf wenige Schlucke im kompletten Auto verteilt. Der Fahrzeughimmel, der Beifahrersitz und alle umliegenden Gegenstände triefen nur so von dem lokalen Lieblingsgetränk. Das Ausmaß des ganzen Schlamassels zeigt sich allerdings erst nach und nach, da die klebrigen Flecken, die der Palmwein überall hinterlassen hat, nicht nur zunehmend zum Stinken anfangen, sondern auch Fliegen und anderes Getier ins Auto locken – aber dazu später mehr.

Spaghetti-Baguette – eins der kulinarischen Highlights der Elfenbeinküste

Auf den Schock hin holen wir uns erst einmal von einem Straßenstand mit Spaghetti, Fleisch, Ei und Bohnen belegte Baguettes und fahren dann mit dem Palmweingestank im Nacken weiter in Richtung Man. Man ist eine Großstadt in der Region Dix-Huite Montagnes, den 18 Bergen, die diese umgeben. Die Landschaft ist saftig grün und hügelig und wir sind begeistert von der wuseligen und freundlich wirkenden Stadt, die uns empfängt. Im Hotel Les Cascades dürfen wir gegen ein Abendessen neben dem Hotel kostenfrei campen und die Pool-Dusche nutzen. Endlich wieder eine richtige Dusche mit Wasserdruck, die einem erlaubt sich gründlich zu reinigen und wohl in der eigenen Haut zu fühlen. Das einigermaßen stabile Internet und die leckere Hotelküche machen den Abend perfekt. Auch unser Stellplatz oberhalb der Stadt kann mit einem tollen Ausblick überzeugen und so genießen wir den Abend in Man.

Am nächsten Tag wollen wir in Man wandern gehen – der Berg Dent de Man, sprich der „Zahn von Man“, soll einen grandiosen Blick über die Stadt liefern und in einer Halbtagestour zu erkunden sein. Am Vorabend hatten wir bereits mit einem willigen Guide Kontakt aufgenommen und angefangen den Preis zu verhandeln – allerdings sind die geforderten 40 EUR für zwei Personen einfach deutlich zu hoch und so waren wir uns bisher nicht handelseinig geworden. Am nächsten Morgen wartet der Guide bereits ungeduldig auf uns, um die Tour auf den wie ein Zahn geformten Gipfel zu starten. Wieder verhandeln wir in gebrochenem Französisch über den Preis und einigen uns schließlich auf 15 EUR für die Gipfelbesteigung. Zu Dritt, sprich ich im Kofferraum von Rotkäppchen sitzend, fahren wir also los, zum Fuße des Berges. Von dort aus geht es durch Mango-, Papaya-, Gummi- und Kaffeeplantagen stetig bergauf. Schon morgens hat es bereits über 30 Grad und die hohe Luftfeuchtigkeit tut ihr übriges.

Nachdem es zum Ende der Strecke hin auch noch ans Klettern über Felsen geht, stehen wir schließlich bis auf die Haut durchgeschwitzt auf dem Berggipfel. Trotz leichtem Dunst im Tal ist die Aussicht grandios. Wir lassen die Drohne fliegen und genießen den herrlichen Blick über die bizarre Landschaft und lassen uns das mitgebrachte Baguette schmecken.

Doch als ich unseren Guide frage, wie nun der Weg weitergehe und ob wir denn an den Wasserfällen vorbeikommen, kippt die Stimmung. Wir würden den gleichen Weg wieder zurückwandern – mehr wäre nicht vereinbart, lautet seine Antwort. Ich zeige ihm daraufhin auf meiner Handy-App, dass es doch einen Rundweg gebe, der die gleiche Länge hätte und an Wasserfällen vorbeikomme und versuche ihm klarzumachen, dass wir von einem Wanderrundweg ausgegangen wären und wir keine Lust hätten, genau die gleiche Strecke zurückzulaufen. Außerdem hätten wir eine 4-5 stündige Wanderung vereinbart. Mit der jetzigen Rückkehr wäre die Wanderung maximal 3h lang – d.h. der Preis auch nicht gerechtfertigt. Darauf möchte er sich nicht einlassen – entweder wir würden ihm weitere 15 EUR zahlen für den Rundweg, oder er würde uns nicht die gewünschte Rundtour zeigen und uns auf dem gleichen Weg wieder zum Auto bringen. Endlose Minuten geht die Diskussion hin und her, bis ich ihm schließlich klarmache, dass wir weder mehr Geld zahlen wollen, noch den gleichen Weg zurückgehen werden. Wenn ihm das nicht passe, würden wir alleine weitergehen – immerhin haben wir ja die Koordinaten und würden dementsprechend nicht verloren gehen. Als wir schließlich ernst machen und den kleinen Pfad entgegen der Herkunftsrichtung ohne ihn einschlagen, wird ihm bewusst, dass er handeln muss. Er ruft uns zurück und meint, dass er noch einmal verstehen möchte, was unser Problem sei. Endlich scheint er einzusehen, dass wir ihn nicht böswillig ausnehmen wollen, sondern lediglich für den vereinbarten Zeitraum seine Guide-Fähigkeiten beanspruchen möchten für die wir ja schließlich auch bezahlen würden. Wir einigen uns per Handschlag darauf, dass er mehr Geld bekommt, wenn wir mit seiner Guide-Leistung am Ende der Wanderung zufrieden seien und er einen guten Job gemacht hat. Endlich geht es also weiter auf dem Rundweg und die Gemüter kühlen wieder ab.

Warum nur fühlt man sich so oft auf dieser Reise hinters Licht geführt oder betrogen? Ist es wirklich so, dass einem die lokale Bevölkerung als reichen Weißen ansieht und immerzu übers Ohr hauen möchte? Oder ist es die französische Sprache, die oft Inhalte verdreht und beide Parteien von unterschiedlichen Tatsachen ausgehen lässt? Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beiden, die dazu führt, dass man ständig mit einer Grundskepsis bei Preisverhandlungen auftritt und hin und wieder zu unrecht Personen „White Man Prices“ unterstellt.

Chamäleon am Wegesrand

Der Rest der Wanderung verläuft auf jeden Fall friedlich und idyllisch. Die Wasserfälle, die wir auf dem Rückweg besuchen, sind traumhaft und waren die vorangegangene Diskussion allemal wert. Wir springen unter das kalte Wasser für eine kurze Abfrischung der durchgeschwitzten Körper. Am Ende der Wanderung laufen wir durch mehrere kleine Dörfer, wo diverse Wegzölle von uns bzw. unserem Guide gefordert werden. Jeder, der uns erblickt, möchte 1-2 Euro haben. Doch unser Guide wehrt jede Forderung ab, bis er den Dorfältesten erblickt und drückt diesem die geforderte Summe in die Hand. Sobald man nämlich jemanden gezahlt hätte, würde sich dieser nicht mehr an die Zahlung erinnern und man darf die Summe doppelt und dreifach abdrücken, so die einfache Erklärung. Naja, ein geregelter Tourismus scheint hier in der Elfenbeinküste noch nicht Einzug erhalten zu haben.

Erschöpft aber zufrieden erreichen wir schließlich das Auto. Unser Guide bekommt einen Aufschlag auf sein Guide-Gehalt und eins von Max’s T-Shirts und wir trennen uns im Guten. Als wir schließlich wieder am Hotel eintreffen und eigentlich uns nur nach einer kalten Dusche sehnen, gibt es eine kleine Überraschung: Das ganze Auto wurde während unserer Wanderung von Ameisen befallen, die sich scheints genüsslich über die Palmweinreste hergemacht haben, obwohl wir diese bereits am Vorabend versucht hatten gründlich weg zu schrubben. Und so wird die Dusche nach hinten verschoben und erst einmal sämtliche Kisten, Taschen etc. ausgeräumt und von den kleinen Krabbeltieren befreit. Doch schnell wird klar, ohne Insektengift werden wir dauerhaft die schwarzen Plagegeister nicht loswerden.

Der Abend endet schließlich erneut auf der Hotelterrasse mit Blogschreiben und Recherche für die kommenden Tage in der Elfenbeinküste. Dass in der Zwischenzeit die Ameisen sich in rasanter Zahl im Auto vermehren und an unsere Vorräte gehen, müssen wir in dem Moment ausblenden. Noch haben wir den Kampf nicht gewonnen – noch nicht! Am nächsten Morgen wird Insektenvernichtungsmittel gekauft.