Der Tag beginnt mit Palmwein – viel Palmwein. Die netten, örtlichen Mitarbeiter von Street Child, die am Vorabend noch sehr angetrunken vom gewöhnungsbedürftigen Nationalgetränk uns eine Fahrt zu einem örtlichen Palmwein-Produzenten versprochen haben, halten Wort und wir verlassen Makeni, um hinter dem Moped der beiden Männer inkl. zwei großen leeren Kanister ins Hinterland zu düsen. Nach 20-minütiger Fahrt kommen wir bei einem Dorfplatz an, wo wir den Palmweinfachmann aufgabeln und mit ihm zu seinen Palmen am Straßenrand gehen.

Sein Arbeitswerkzeug: ein leerer Kanister und eine große, aus Bast und Holz geflochtene Kletter-Schlaufe und eine Machete. Doch bevor wir noch überlegen können, wie der Gute nun an den Palmwein kommen soll, klettert er bereits in Windeseile, nur mit seinem eigenen Körpergewicht gegen die Schlaufe gelehnt die 10 Meter hohe Palme hoch, verharrt dort kurz, um den dort gefüllt hängenden Palmwein-Kanister abzunehmen, das Loch in der Palme zu verpfropfen und im nächsten Moment den leeren Kanister mit Hilfe eines neuen Lochs und einem kleinen Schlauch anzuschließen. 12 Stunden, so sagt man uns, braucht die Palme, um einen Kanister zu füllen. Das abgezapft Gesöff kann nun nach Herzenslust noch ein paar Stunden aufbewahrt werden, um eine gewisse Fermentation herbeizuführen und den Alkoholgehalt auf ca. 4,5 Promille anwachsen zu lassen.



Nach kurzer Kostprobe des Nationalgetränks, verabschieden wir uns und machen uns schließlich auf einigermaßen guten Straßen auf den Weg nach Bo, von wo aus es über schlechte, schlammige und von Wasserlöchern durchsetzte Straßen weiter geht.
Auf der heutigen Fahrt durchqueren wir diverse große & kleinere „Diamanten-Städte“, die vor einigen Jahren im Diamantenrausch einen massenhaften Zulauf von willigen & vom großen Geld träumenden Diamantenschürfern aus dem ganzen Land erlebt hatten. Überall sieht man noch Relikte kleiner Läden, die den An- & Verkauf der geschürften Ware anpreisen, wobei die Boomphase zumindest für die lokale Bevölkerung vorbei zu sein scheint. Große internationale Firmen haben das Geschäft im maximalen Umfang an sich gerissen. Der Film „Blood Diamonds“ kommt einem beim Passieren der Städte unvermeidlich ins Bewusstsein. Was doch so kleine, funkelnde Steine für ein Unheil anrichten können, während sie im Rest der Welt als das schönste & erstrebenswerteste Gut vermarktet werden (Tiffany & Co. haben hier ganze Arbeit geleistet).


Unser heutiges Ziel sind aber nicht die Diamanten-Städte sondern Tiwai Island. Ein von der örtlichen Bevölkerung organisierter Nationalpark, der einiges an Abenteuer verspricht. Gut durchgeschüttelt und verschwitzt kommen wir gegen Abend an einem der Dörfer an, von wo aus man laut Reiseführer ans andere Ufer übersetzen und Wanderungen durch den Regenwald machen kann. Zwar gibt es hier kein offizielles Parkbüro, dafür aber geschäftstüchtige Dorfbewohner, die uns ihren Campingplatz zeigen und erklären, was wir am nächsten Tag alles unternehmen können. Wir vereinbaren eine Wanderung für den nächsten Morgen, gönnen uns eine Bucket Shower (anstatt fließend Wasser und Dusche gibt es oftmals nur einen großen Eimer mit Wasser, der per kleinem Schöpfgefäß über den Körper gegossen werden kann) und genießen noch ein kaltes Bier mit Blick auf den Fluss von unserem Stellplatz aus.

Im Morgengrauen werden wir am nächsten Tag von unserem Guide abgeholt. Zuerst geht es per Einbaum über den wunderschönen und friedlich schimmernden Fluss, um dann per Pedes in die Tiefen des Urwalds auf Tiwai Island einzutauchen. Unser Guide ist motiviert und führt uns in kürzester Zeit zu einem Baum voll roter Colobus Affen, die gerade ihr Frühstück einnehmen. Zudem queren Perlhühner unseren Weg und wir haben Glück und entdecken Diana Monkeys und Mongos.












Dabei verlassen wir immer wieder den Wanderweg und laufen querfeldein durch den dichten Wald. Auf dem Rückweg bekommen wir zudem noch Einblicke in die örtliche Naturheilkunde. Mit Baumharz als Klebemittel und weicher Rinde als Pflaster werden hier Wunden verklebt. Ein natürlich und zu 100% abbaubares Pflaster. Außerdem gibt es noch Baumpuder gegen Malaria und weitere natürliche Mittelchen, aus denen man Fischgift herstellen kann. Bis zu 200 Fische gleichzeitig kann man so fischen, während im Nachgang durch Kochen des Fisches das Gift verschwindet und für den Menschen unbedenklich ist. Zudem lässt uns unser Guide noch süß-säuerliche Regenwaldfrüchte kosten.
Nach so viel Erlebten und so viel neuem Wissen, geht’s zum Ausruhen und Mittagessen für ein paar Stunden zurück zum Festland. Dort hängen wir unsere Hängematte auf und genießen ein paar ruhige Stunden. Immer wieder bekommen wir dabei Besuch aus dem Dorf – sei es Kinder, die uns trockene Nussfrüchte zum Snacken vorbeibringen, oder Erwachsene, die uns Schmalzgebäck verkaufen.






Auch werden wir eingeladen beim Empfang einer 10-köpfigen Touristengruppe dabei zu sein, die per traditionellem Tanz mit Getrommel begrüßt wird. Ein interessantes aber aufgrund der gestellten Inszenierung auch eher peinliches Schauspiel, von dem wir uns schnell wieder zurückziehen.






Am späten Machmittag brechen wir zum nächsten Abenteuer auf – eine Einbaumtour auf dem Fluss. Dabei hoffen wir auf Pygmäen-Nilpferde und Krokodile zu treffen. Ohne genau zu wissen, was uns erwartet, trotten wir hinter unseren Guide her dem Fluss entgegen. Da scheinbar mal wieder jemand ohne zu fragen den Einbaum unseres Guides ausgeliehen hat, schnappt er sich kurzerhand ein anderes Boot und schneidet uns schnell mit gekonnten Schlägen ein paar Bambus-Sitze zurecht, die in die Wand des Einbaums gekeilt werden. Das kann ja ne wackelige Angelegenheit werden!

Wie wackelig, merken wir erst als wir den Fluss hinabtreiben und das Boot von der ersten Stromschnelle erfasst wird. Da ist Schlauchbootfahren auf der Isar bei Hochwasser ein Klacks dagegen. Vor allem, wenn man eigentlich mit dem Einbaum unterwegs ist, um Krokodile und die vom Aussterben bedrohten Pygmäen-Nilpferde zu sehen, wird einem doch etwas anders. Immer wieder wird unser fahrbarer Untersatz von der Strömung herumgeschubst oder bleibt auf einer seichten Stromschnelle stecken.








Unser Guide flucht leise vor sich hin, da scheint’s das geliehene Boot deutlich schwerer ist und sich dadurch schlechter manövrieren lässt. Nach einer halben Stunde weißt er uns schließlich an auszusteigen – Bootswechsel ist angesagt. Und tatsächlich, nach 5-minütiger Wanderung am Flussufer, finden wir einen neuen Einbaum – seinen privaten wie sich später herausstellt. Dieser ist zwar leichter, dafür deutlich wackeliger als der Vorgänger und die Wände des Bootes hören bereits 2cm oberhalb der Wasseroberfläche auf. Die Tatsache, dass wir bei dieser Tour keine Krokodile oder Hippos entdecken ist uns bei so einem instabilen Untersatz dann tatsächlich ganz Recht. Anstatt der Raubtiere entdecken wir allerdings Affen, die wir beim Trinken am Fluss beobachten und diverse Vögel, die malerisch den Fluss kreuzen.
Zudem zeigt uns unser Guide noch den traditionellen Fischfang am Fluss Moa – dabei wird ein Bereich mit Bambus abgesteckt und eine Falltür eingebaut. Über mehrere Tage werden die Fische angefüttert, damit diese in großen Scharen sich im Bambusgehege aufhalten. Nach ca. einer Woche versteckt sich dann der Fischer nach der Fütterung hinter einer Bambusmatte mit kleinen Gucklöchern und wartet einige Stunden, bis die Fische massenweise im Wasser schwimmen. Mit einem gekonnten Zug an dem Falltorseil, fällt dieses zu und die Fische sind gefangen. Jetzt müssen sie nur noch per Netz aus dem Gehege gefischt werden.



Nach Sonnenuntergang sind wir wieder zurück bei Rotkäppchen – ein abenteuerlicher Tag geht somit langsam zu Ende.
