Guinea – Teil 1: Von schlechten Straßen und spektakulären Wanderungen

Die letzte Nacht in Guinea-Bissau kurz vor der Grenze nach Guinea verläuft vollkommen ungestört. Die Leute halten respektvoll Abstand zu uns Fremden und auch nachts werden wir nicht gestört. Erst als um 5 Uhr morgens der Muezzin lauter als in jeder bisherigen Großstadt anfängt seine Gläubigen zum Gebet aufzurufen, ist unser ruhige Schlaf jäh zu Ende. Als dann gegen 6 Uhr die Kühe neben uns anfangen zu grasen und laut zu schmatzen, stehen wir auf. Und so sind wir die Ersten und scheints auch eine der eher seltenen weißen Gäste, die hier die Grenze erreichen. Die letzten 100 Kilometer hierher waren Horrorstraßen, die sich wohl kaum jemand freiwillig antun möchte und auch auf Guinea’s Seite erwartet uns alles andere als eine gut befahrbare, befestigte Straße.

Die Grenze – bestehend aus einem Schlagbaum, diversen kleinen Holzverkaufsständen und zwei halb verfallenen Gebäuden – je eins auf Guinea und Guinea-Bissau Seite empfängt uns verschlafen und unaufgeregt. Die Beamten sitzen zum Teil in zivilen Jogginghosen rum und sind am Frühstücken oder schlafen noch friedlich. Auf Guinea Seite dagegen sind die Beamten etwas fideler und weniger lethargisch in den Tag gestartet und so wird uns gleich als erstes erklärt, dass Guinea ganz anders ist als die umliegenden Länder und wir Glück haben, dass wir keine Franzosen sind, die mag man hier nämlich nicht. Wie wir später auch mehrfach miterleben werden, ist Guinea tatsächlich ein sehr stolzes Land, das bei seiner Unabhängigkeit strikt weitere Verbundenheit mit Frankreich ablehnte und sich gegen die Währungsunion und andere französische Institutionen oder gar Hilfen Frankreichs entschieden hat. Dies hat leider schnell zu einer steten Abwärtsspirale der Wirtschaft und auch sämtlichen öffentlichen Einrichtungen geführt und sorgt auch jetzt noch in Kombination der unlängst dramatischen Ebola Kriese für bittere Armut im Land. Dennoch fasziniert dieser Stolz und der teils idealistische Wille keine Unterdrückung von außen erfahren zu müssen auf der Reise immer wieder und macht das Volk von Guinea einzigartig.

Typische Hütte in Guineas Westen

Nachdem wir die Grenzformalitäten erfolgreich hinter uns gelassen haben, zuckeln wir auf weiterhin schlechter Straße der ersten Großstadt entgegen, um dort Geld abzuheben und Vorräte aufzufüllen. Die Bevölkerung hier scheint noch ärmer als in Guinea-Bissau zu sein und anstatt der freudig, herzlichen Begrüßung und dem enthusiastischen Winken der Kinder, wirken die Leute deutlich schüchterner wenn auch freundlich.

Nach ca. 30 Kilometer Fahrt erblicken wir endlich etwas, was wir schon seit Wochen vermisst haben: Berge. Nach einer so langen Flachlandpartie, fühlen wir bergverwöhnten Bayern uns gleich wohl.

Das ist an dem Tag allerdings auch das einzige Highlight. Den Rest des Tages wird einiges an Strecke zurückgelegt mit nur kurzen Pausen am Wegesrand.

Am späten Nachmittag erreichen wir schließlich vollkommen durchgeschwitzt und sandig von den zeitweise abenteuerlichen Pistenstraßen die Grosstadt Labe. Dort befindet sich auch unser heutiges Quartier Hotel Tata, wo wir campen können und noch viel wichtiger: Duschen. Nachdem das Auto mit Hilfe eines Kehrbesens einigermaßen entstaubt wurde, damit man nicht bei jeglicher Berührung sofort wieder dreckig ist, gönnen wir uns eine Dusche und gehen anschließend bei Dämmerung auf die Suche nach Essbarem. Dass wir mehrere Stunden brauchen würden, um ein Restaurant zu finde und eine kilometerlange Odyssee durch die Stadt auf uns nehmen würden, ist uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar – vielleicht auch besser so, sonst wären wir wohl auf eine überteuerter Pizza bei unserer Unterkunft eingekehrt.

Nichts ahnend machen wir uns also zu Fuß auf und werfen uns ins Stadtgewusel. Überall flitzen hupend Mopeds mit Affenzahn an einem vorbei, auf der Suche nach neuer Kundschaft. Dazu muss man wissen, dass Labe primär Mopeds statt normale Pkws als Taxis nutzt. Gleichzeitig drücken sich Menschenmassen beladen mit allen möglichen Waren an einem vorbei auf dem schmalen Randstreifen. Wie wir später feststellen müssen, laufen wir leider komplett in die falsche Richtung und gelangen immer wieder an entweder geschlossene Restaurants, oder welche, die den Generator zur Stromgewinnung direkt neben den Essenstischen aufgestellt haben, d.h. eine Unterhaltung nahezu unmöglich machen. Als wir endlich ein offenes Restaurant entdecken, wo uns eine junge Kellnerin ins Innere bittet, denken wir endlich fündig geworden zu sein. Doch als wir uns hinsetzen und fragen, welche der Gerichte auf der Karte erhältlich seien, meint sie nur, dass der Koch nicht da sei und sie einmal nachfragen müsse, wann dieser wieder zurückkommt. 5 Minuten und ein Telefonat später erklärt sie uns, dass der Koch beim Feiern wäre und heute wohl gar nicht mehr auftauchen würde. Wir aber gerne morgen wiederkommen können. Also geht’s mit hängendem Magen und bereits schmerzenden Beinen weiter auf Restaurantsuche. Als die Sonne untergegangen ist, werden wir endlich fündig. Zwar brennt dort kein Licht, aber man weißt uns einen Tisch zu und Max darf bei der Feuerstelle hinter dem Haus das vorhandene Fleisch begutachten. Getränke werden vom Kiosk nebenan für uns besorgt. Die Welt scheint wieder in Ordnung.

Endlich Abendessen

Einziger Punkt, der uns noch Sorgen bereitet: wie sollen wir im Dunkeln zurück zum Zelt kommen? Straßenbeleuchtung gibt es hier keine und ein einsamer Fußweg in vollkommener Dunkelheit scheint leichtsinnig und geradezu eine Einladung für Taschendiebe und Schlimmere. Und so kommt es, dass wir auf einem Motorradtaxi enden – dem hupenden Gefährt, das ich bei unserer ausgiebigen Stadttour verflucht habe und mich im Hellen keine 10 Pferde dazu gebracht hätten aufzusteigen. Auf jeden Fall ein weiteres Erlebnis im Dunkeln an Max geklammert durch Schlaglöcher zu brettern!

Labe am nächsten Morgen

Nach so viel Großstadt wollen wir am nächsten Tag nur noch raus in die Natur. Gesagt, getan. Auf nicht enden wollender Ruckelpiste nähern wir uns schließlich Hassan – einem vielfach empfohlenen Tourguide, der in Guinea die besten geführten Wanderungen in der Fouta Djalon Gegend durchführen soll.

In Hassans Dorf angekommen, müssen wir erst einmal warten, bis der Chef eintrifft. In der Zwischenzeit werden wir bereits mit Mittagessen versorgt und können uns in der Hängematte umgeben von Kindern, Hühnern & Co. etwas ausruhen. Als Hassan eintrifft, werden wir genauso herzlich empfangen, wie sein vorauseilender Ruf es erahnen hat lassen. Er entschuldigt sich, dass er heute einer Hochzeit beiwohnen muss und daher sein Sohn uns zum Wandern begleitet. Aber er wird uns am nächsten Morgen auf einen anderen Walk mitnehmen. Und so stiefeln wir kurze Zeit später bei 40 Grad los, seinem 12-jährige Sohn und dessen Freund hinterher, ohne zu wissen, was uns erwartet. Die einzige Info war, dass wir Badesachen und genügend Wasser mitbringen sollen. Die Wanderung führt uns hinab in ein beeindruckendes Schluchtental, wo sich Wasserfälle und Flüsse entlang schlängeln und sich großartige Ausblicke bieten.

In der Ferne sehen wir ein paar Warzenschweine queren und auch sonst sind Flora und Fauna beeindruckend. Auch die mitgebrachten Badesachen kommen zum Einsatz. In einer der Flussschluchten kann man nämlich in Wasserbecken planschen. Bei der Hitze lassen wir uns das nicht zweimal sagen und klettern die Felsen runter zum Wasser.

Zurück im Dorf bekommen wir nicht nur ein leckeres Abendessen serviert, sonder auch ein ordentliches Gewitter ab. Die angebotene Rundhütte nehmen wir daher gerne in Anspruch und verbringen die Nacht dort, auch wenn das Bett mehr als gewöhnungsbedürftig in der Mitte schweizer-taschenmesser-artig zusammenläuft und einen erholsamen Schlaf nahezu unmöglich macht, da Kopf und Füße in die Luft ragen, während die Körpermitte in einer Senke verschwindet.

Nach einem ausgiebigen Baguette Frühstück, machen wir uns vor der großen Hitze auf den Weg zum zweiten Walk in der Fouta Djalon Region.

Dieses Mal mit dem lustigen und geschwätzigen Hassan, der uns nicht nur viel über die Natur und Kultur erzählt, sondern sehr abwechslungsreiche Wege wählt. Zuerst geht’s durch taubehangene Gräser zu einer atemberaubenden Klippe.

Danach steigen wir stetig bergab durch jungelige Wälder, um schließlich in einer Schlucht mit dicken Lianen und steil aufsteigenden Felsblöcken zu landen. Dort darf ich dann meine „Tarzan und Jane Qualitäten“ unter Beweis stellen und mich an Lianen hängend durch die Schlucht bewegen. Max bevorzugt den normalen Gehweg – bzw. seine Variante: „Irgendjemand muss ja Fotos machen…“

Nach 4-stündiger Wanderung und zig imposanten Eindrücken später, erreichen wir wieder das Dorf. Leider liegen noch einige Kilometer Fahrt vor uns, weshalb wir uns nach Verewigung in Hassan’s Gästebuch wieder in den Landy schwingen und weiter Richtung Süden fahren.