Der dritte Tag in Guinea-Bissau startet wenig ereignisreich. Zunächst versuchen wir vergeblich in der Stadt ein Hotel mit einigermaßen stabilen Internet aufzutreiben. Leider erfolglos. Und so laufen wir bis zum vereinbarten Abholtermin des Elfenbein-Visums noch zu Fuß durch Bissau. Vorbei am Hafen, dem alten Fort und diversen anderen Bauten, die auf die frühere Anwesenheit der Portugiesen schließen lässt. Eigentlich hatten wir ja den Plan von Bissau aus mit dem Boot auf eine der vermeintlich traumhaften Inseln von Guinea-Bissau zu fahren. Das Insel Archipel gilt als absoluter Geheimtipp sowohl hinsichtlich ihrer Flora & Fauna als auch den dort präsenten Eco-Hotels. Doch nachdem ich Kontakt mit einem der Hotels aufgenommen habe, erweist sich sowohl die Anreise als schwierig und zeitintensiv (4h Bootsfahrt) und allein schon die Überfährt als unbezahlbar (250 Euro). Naja, man muss sich ja auch noch ein paar Destinationen für später aufbewahren. Da Guinea-Bissau rundum überzeugt, wird es sicher nicht der letzte Besuch in diesem facettenreichen Land gewesen sein.
Wir holen also mittags unser Visum, während die Hitze bereits wieder unerbittlich vom Himmel knallt und verlassen Bissau gen Osten. Es geht über ziemlich schlechte und schlaglochreiche Straßen zu einem Wasserfall – oder vielmehr Wasserstufen – wo wir unser Nachtquartier aufschlagen. Wir klettern noch einige Zeit über die wahnsinnig malerisch gelegene Wasserlandschadt und schauen den Einheimischen beim Waschen und Fischen zu. Zurück bei unserem Stellplatz erfahren wir, dass wir das Auto umparken und in Nähe des ohrenbetäubend laut brummenden Generators, der nachts die Stromversorgung sichert, abstellen sollen. Nach einigem hin und her gelingt es uns mit dem Besitzer darauf zu einigen, dass er um 11 Uhr abends anstatt wie gewohnt 2 Uhr morgens das laute Monster abstellt. In Wirklichkeit wird es dann 12 Uhr, aber das hatten wir uns bereits gedacht – afrikanisches Zeitgefühl trifft europäisch-spießige Pünktlichkeit. Die Nacht wird also laut und schwül-heiß, aber das Leben ist ja auch kein Wunschkonzert.






Am nächsten Tag starten wir früh los, mit dem Wissen, dass wir einige Kilometer schlechter Straße vor uns haben. Das heutige Ziel: Jemberem oder genauer gesagt der Nationalpark Cantanhez, der laut Reiseführer zwar der am schwersten zu erreichende, aber gleichzeitig auch schönste Park Guinea-Bissaus sein soll.



Wir machen noch kurz Pause beim nächsten Dorf Quebo um Baguette, Kaffee und Schmalzgebäck auf dem Markt fürs Frühstück und Mittagessen zu kaufen, dann biegen wir auf eine nicht enden wollende Sandpiste ab, die von einer breiten Sandstraße mit wenigen Unebenheiten zunehmend schmäler und unbefahrbarer wird. Allmählich wandelt sich die Landschaft und wird urwaldig. Gleichzeitig klettert das Thermometer wieder unbarmherzig in die Höhe und knackt in Kürze die 40 Grad Marke. Wir kämpfen uns langsam, aber stetig durch den dichten Wald. Nicht ohne die ein oder andere Klettereinheit meinerseits auf Rotkäppchens Dach, um zu niedrig hängende Äste möglichst ohne große Kratzer auf der Solarzelle oder gar Beschädigung der Verkabelung über das Dach des Landys zu bekommen.




Nach einiger Arbeit und viel Schweiß sind wir dann endlich in Jemberem und dem einzigen dazugehörigen Campingplatz. Dort erspähen wir gleich ein uns wohl bekanntes Auto. Die beiden Engländer Christos und Amy sind seit knapp 2 Tagen hier und wir freuen uns über die zwei bekannten Gesichter. Nachdem wir uns ein wenig erholt haben und das mitgebrachte Baguette verdrückt haben, machen wir uns auf eine kleine Erkundungstour durch den umliegenden Wald. Vielleicht haben wir ja Glück und können auf eigene Faust ein paar Schimpansen erspähen. Der Pfad führt uns vorbei an Ananaspflanzen, Cashewnussträuchern und Bananenstauden. Es ist schon faszinierend diese Pflanzen wachsen zu sehen – kennt man sie bei uns doch nur importiert aus dem Supermarkt. Vor allem die Cashew-Frucht mit ihrem süß-säuerlichen Geruch und der harten Nuss unterhalb des Fruchtkerns ist was ganz Neues für uns.



Die Dorfbewohner, die wir bei unserer kleinen Wanderung treffen, sind alle höflich und unaufdringlich. Ein Junge versucht uns mittels Affengeräuschen klar zu machen, dass er wüsste, wo die Schimpansen seien. Wir folgen ihm einige Minuten in Richtung Wald, wo er uns dann zu erklären versucht, dass hier abends gegen 5 Uhr oft Affen wären und sie hier essen. Oder zumindest ist es das, was wir denken zu verstehen. Portugiesisch ist nicht wirklich eine intuitive Sprache, müssen wir feststellem. Da wir unserer Sprachkenntnisse nicht sicher sind und auch die Aussicht bei Sonnenuntergang irgendwo allein im Dickicht auf Schimpansenjagd zu gehen nicht sooo verlockend klingt, schließen wir uns lieber den beiden Engländern an und vereinbaren eine morgige Tour mit einem Local-Guide.

Das bedeutet um halb 5 Uhr am kommenden Morgen aufstehen, im Dunkeln Turnschuhe schnüren, schnell noch nen Kaffee kochen und schon geht’s bei Mondschein auf Schimpansen Trekking. Die Erfahrung im Dunkeln zuerst durch das noch friedlich schlummernde Dorf zu laufen und danach auf einen Trampelpfad einzubiegen, der vorbei an den letzten Hütten, dann Plantagen und schließlich dichten Wald führt, ist einzigartig. Dabei sind wir alle ziemlich vertieft in unsere Gedanken und gehen vorwiegend schweigend hinter unserem Guide her. Hochkonzentriert, um auf dem unebenen Weg nicht zu stolpern. Dabei wir einem mal wieder klar, wie schwer sich die anderen Sinne tun, wenn man plötzlich den Sehsinn nicht mehr einsetzen kann. Nach einem ca. halbstündigen Marsch biegen wir vom Pfad ab ins dichte Regenwaldgestrüpp. Es gibt keinen Weg mehr, sondern der Guide kämpft sich im Dunkeln durchs hohe, vom Morgentau feuchte Gras und kappt ab und an mit seiner Machete ein paar störende Äste ab. Wir folgen im Gänsemarsch durch die Dunkelheit ohne zu wissen, was unter uns und neben uns gerade so kreucht und fleucht. Schließlich gibt uns unser Guide ein Zeichen, dass wir leise sein und ihm so lautlos wie möglich folgen sollen. Das ist bei knackenden Ästen und den teils tückischen Löchern im Boden gar nicht so einfach. Schließlich erreichen wir einen Ort unterhalb niedrig hängender Äste, wo wir nun warten sollen. Und so stehen wir in absoluter Dunkelheit inmitten des Regenwalds, umgeben von dickem Geäst und warten. Nie hätte ich geglaubt, dass Warten tatsächlich so anstrengend sein kann und man sich konzentrieren muss, wenn man 45 Minuten regungslos an einem Ort steht und das einzige Geräusch vom knurrenden Magen ausgeht, der auf ein baldiges Frühstück hofft. Und plötzlich – als sich gerade das Licht einen Weg durch den morgendlichen Nebel sucht, hören wir sie – die Schimpansen scheinen aufzuwachen. Immer wieder ertönt der ein oder andere Schrei aus den hohen Bäumen über uns. Es raschelt und wir sehen mehrmals dunkle Schimpansenkörper hoch über unseren Köpfen sich von Ast zu Ast schwingen. Auch die Morgentoilette wird nicht ausgelassen und es prasselt plötzlich Affenpipi neben uns auf den Boden. Leider sind die Tiere viel zu weit oben und viel zu schnell, wodurch in Kombination mit dem seichten Licht das sich gerade erst durch das Dickicht kämpft, keine längeren Beobachtungen oder gar Schnappschüsse ergeben.




Zwar sind wir ein wenig traurig, dass wir die vom Aussterben bedrohten Tiere nicht wirklich näher sehen konnten, aber ein Erlebnis war es allemal – vor allem, wenn man auf dem Rückweg erst erkennt, welchen Weg wir tatsächlich im Dunkeln zurückgelegt haben. Zurück am Camp gibts erst einmal Frühstück und dann gehts wieder ab auf die Straße, zurück durch den Dschungel und dann immer der Grenze Richtung Guinea entgegen. Es ist heiß, die Hauptstraße massenhaft von Schlaglöchern durchsetzt und wir versuchen Strecke zu machen. Doch der Plan heute noch über die Grenze zu kommen, stellt sich als zu ambitioniert heraus. Da es hier kaum Hotels und keine Campingmöglichkeiten gibt, halten wir nach Wildcamping-Spots Ausschau. Doch hinter jeder verheißungsvoll aussehenden Ecke versteckt sich eine Hütte oder gar ein Dorf. Und auf Familienanschluss und Beratschlagungen mit dem Dorfältesten haben wir heute weder Lust noch Nerven.



So landen wir nach 2-stündiger Suche schließlich ziemlich ermattet und müde vom frühen Aufstehen bei einem Wild-Camping Spot in einer scheints als Lehmgrube für den Hausbau genutzten Stelle. Zwar ist das nächste Dorf nicht weit und die Zaungäste vorprogrammiert, doch kurz vor Sonnenuntergang sind wir froh ein einigermaßen gutes Fleckchen zum Campen gefunden zu haben. Und tatsächlich werden wir von den Leuten in Ruhe gelassen. Die vorbeikommenden Viehhirten und vereinzelte Fahrradfahrer halten Abstand von ins und grüßen aus der Ferne. Wir aber kochen uns nur noch schnell ein Abendessen, bevor wir in einen tiefen Schlaf fallen. Ein weiterer ereignisreicher Tag und der letzte in Guinea-Bissau geht zu Ende.