Nach einer ruhigen Nacht und einem gemütlichen Frühstück an unserem Wildcamping Spot in Kamerun machen wir uns gemeinsam mit unseren Freunden Amy & Christos auf den Weg nach Foumban. Dort wollen wir uns den Sultanspalast des südlichsten Sultanats Kameruns ansehen und etwas mehr über die Kultur und Geschichte dieses Ortes erfahren.

In Foumban angekommen, parken wir unsere Autos direkt vor dem Palast und werden sogleich freudig von einem der selbsternannten Museumsführer in Beschlag genommen. Auch wenn wir keine großen Fans von einer geführten Tour durch das staubige Museum sind, lassen wir uns geduldig von dem Guide die vielen alten Trachten, Waffen, zeremoniellen Utensilien und Gegenstände, die auf die jahrhundertealte Geschichte des Sultanats zurückgehen, zeigen. Neben aufwändig gefertigten Trachten und einem kunstvoll mit Kauri-Muscheln verzierten Thron, befinden sich hier auch diverse Musikinstrumente und traditionelle Masken, die einem die Kultur des Bamoun-Volkes näherbringen.




Die Gegenstände werden dabei ungeschützt vor Staub, Licht und der tropisch-feuchten Hitze in einem Stockwerk des Palastes aufbewahrt. Allerdings erklärt man uns, dass nebenan ein großes neues Museumsgebäude gebaut wurde, das zukünftig die wertvollen Relikte der Vergangenheit sicher aufbewahren soll. Dieses Gebäude wurde nach zig Jahren Bauzeit nun endlich fertig gestellt, doch da der König seit knapp einem Jahr keine Zeit hatte das Gebäude einzuweihen, muss man weiterhin mit den alten Ausstellungsräumen vorliebnehmen.
TIA – This Is Africa!

Während das neue Gebäude in Form einer riesigen Spinne (Symbol für Weisheit) erbaut wurde, die von zwei Schlangenköpfen eingerahmt ist (Symbol für Macht), erinnert der bisherige Sultanspalast doch eher an ein norddeutsches Backsteingebäude. Der Grund für diesen deutsch anmutenden Gebäudestil soll eine Abbildung von deutschen Gebäuden auf einer Postkarte gewesen sein, nach welcher der Sultan seinen Palast erbauen ließ. Dieses Gebäude dient neben dem Ausstellungssaal des Museums bis heute als Wohnort für den Sultan, der hier zusammen mit seinen Bediensteten haust. Jeden Freitag, so erzählt man uns, findet eine feierliche Zeremonie in Foumban statt, bei der die nahegelegene Moschee aufgesucht wird und das traditionelle Freitagsgebet abgehalten wird. Dabei soll der Sultan zusammen mit seinem Hofstaat durch die Stadt schreiten und bejubelt werden. Schade, dass heute kein Freitag ist und wir das Schauspiel nicht mitansehen können.
Der Sultan, oder vor Ort auch Fon genannte wird und zeitlich als König fungiert, ist einer von vielen traditionellen Machtträgern Kameruns. In der Bamoun-Region ist der aktuelle König Njoya der 19. Fon und kann auf eine lange vorherrschende und ausgeprägte Kultur zurückblicken. So führte einer seiner Vorfahren, nachdem zuerst das Christentum und danach der Islam als die wahre Religion für das Volk ausgerufen worden war, eine Mischreligion ein: Eine Mischung aus Christentum, Islam und Bamoun-Traditionen. Ein bunter Mix aus allem, der das „Beste“ aus den Religionen filtern soll. Zum einen kann man nun dank des Christentums ohne Bedenken Alkohol konsumieren, zum anderen darf man mehrere Frauen gleichzeitig in seinem Harem halten und die Traditionen des Bamoun-Stamms konnte ebenfalls aufrechterhalten werden. Neben diesen und weiteren netten Anekdoten und Geschichten aus der Sultan-Historie in Foumban ist mir besonders die Geschichte des 15. Fon namens „Ngoungoure“ in Erinnerung geblieben. Als dieser zum Fon ernannt und feierlich inthronisiert wurde, soll er sich derartig über diese Ehre gefreut haben, dass er sogleich an einem Herzinfarkt gestorben ist. Daher betrug seine Amtszeit lediglich 30 Minuten, was auch auf einer Gedenktafel, die alle jemals herrschenden Fons in Foumban zeigt, zu entnehmen ist. Ein komisches Volk, diese Bamoun!

Gesättigt mit den ganzen Informationen und kulturellen Eindrücken, verlassen wir das Museum. Natürlich nicht, ohne noch einer kleinen musikalischen Vorführung auf den traditionellen Musikinstrumenten Kameruns zu lauschen.




Jetzt wird es aber höchste Zeit, um notwendige Besorgungen zu machen! Und so suchen wir erst einmal einen funktionierenden Bankautomaten, um wieder genügend Bargeld bei der Hand zu haben, kaufen dann eine SIM-Card für Kamerun und nach gescheitertem Abschluss einer Autoversicherung für die restlichen afrikanischen Länder, lassen wir uns noch über den örtlichen Obst-& Gemüsemarkt treiben.

Als wir gerade mit den Marktfrauen über die Preise für Mangos, Zwiebeln und frische Tomaten feilschen, werde ich plötzlich von einem Irren mit einem Kugelschreiber angegriffen. Wie aus dem Nichts steht er plötzlich in seinen zerlumpten Klamotten neben mir und sticht mehrmals mit seinem blauen Stift auf meinen Arm ein. Während ich ihn wegschubse und Max ihn anbrüllt, kümmern sich auch die Marktfrauen sofort um ihn und schimpfen auf den geistig verwirrten Mann ein. Sie geben ihm zu verstehen, dass er sich aus dem Staub machen solle. Zwar hat der Angriff bis auf einen blauen Strich auf meinem Arm und einen Schrecken nichts hinterlassen, dennoch geht mir die Situation nicht so schnell aus dem Kopf. Wieder einmal sind wir einem geistig Verwirrten begegnet, der von der Bevölkerung geduldet wird, solange er nicht negativ auffällt. Es gibt scheinbar keine Angehörigen, die sich um ihn kümmern, geschweige denn ärztliche Pflegeeinrichtungen, die sich des Mannes annehmen würden. Vielmehr scheint er hier auf den Straßen Foumbans zu leben – ohne Aussicht auf Hilfe oder Verbesserung seiner Lebensumstände. Als ständige Gefahr für die Bewohner der Stadt. Anstatt Wut über den Angriff, empfinde ich tiefes Mitleid mit dem Mann und seinen Lebensumständen und bin traurig, dass derartige Zustände noch immer alltäglich in vielen afrikanischen Städten und Dörfern sind und sich niemand dieser Personen annimmt bzw. annehmen kann.

Als wir alle Besorgungen erledigt haben, verlassen wir Foumban in Richtung eines Klosters südlich der Stadt. Hierzu haben wir gelesen, dass es dort selbst gerösteten Kaffee und selbstgemachte Marmelade zu kaufen geben soll. Auch die Erlaubnis hier zu campen soll hin und wieder gegeben werden. Doch als wir gegen 2 Uhr nachmittags am Kloster erscheinen, sehen wir keinen Mönch weit und breit. Wir durchstreifen die Kirche und die umliegenden Gebäude, bis wir endlich auf einen nur im Unterhemd und kurzen Shorts bekleideten Mönch treffen. Scheinbar herrscht hier gerade so etwas wie Siesta und mit Besuch hatte man nicht gerechnet. Man schließt uns freundlicherweise den kleinen Klosterladen auf und wir kaufen frischen Kaffee für unsere kleine, italienische Bialetti Kaffeemaschine.

Gemeinsam mit unseren Freunden gönnen wir uns noch ein Baguette-Mittagessen auf der Motorhaube von Rotkäppchen und diskutieren die Optionen für die kommende Nacht. Obwohl das Kloster nette Zimmer im Angebot zu haben scheint und auch eine gute Option zum Campen darstellt, entscheiden wir uns für eine Weiterfahrt.

Während Amy & Christos zu einem Wasserfall fahren wollen und dort neben einem ausgiebigen Bad am Wasserfall wildcampen werden, haben Max und ich Lust auf eine richtige Dusche. Schon seit Tagen träumen wir von fließendem Wasser, einem richtigen Bett und ein bisschen Luxus. Und so trennen sich unsere Wege – nach gut einer Woche gemeinsamer Fahrt durch Nigeria und den Schlamm Kameruns und unzähligen gemeinsamen Erlebnissen. Über eine sandige Straßen machen wir uns auf in Richtung Villa Boutanga in der Nähe von Bangangte.

Die Villa Boutanga ist ein etwas extra-vagant gestaltetes Hotel, das umgeben von Bäumen auf einem Hügel in 1500 m Höhe erbaut wurde und somit nicht nur einen wunderbaren Rundumblick verspricht, sondern dank seiner Lage mitten in der Natur für uns genau das Richtige zu sein scheint, um ein wenig die Seele baumeln zu lassen. Doch als wir dort eintreffen, verdunkelt sich der Himmel und leichter Regen beginnt einzusetzen. Das wars wohl mit dem erhofften Ausblick.





Da kein Hotelgast vor Ort zu sein scheint, schaffen wir es mit etwas Überredungskunst den Rezeptionisten davon zu überzeugen, dass wir für den Preis des einfachen Zimmers das große Zimmer bekommen, das über mehrere Treppen zu erreichen ist und wie ein kleiner Turm über den restlichen Zimmern thront. Wir können unser Glück kaum glauben – für umgerechnet 35€ bekommen wir ein Zimmer, das nicht nur einen tollen Ausblick verspricht, sondern auch noch sauber, modern eingerichtet ist und über fließendes, heißes (!) Wasser verfügt. Und es gibt sogar Bademäntel! Wir sind im absoluten Paradies angekommen!

Nach einer Nacht in einem bequemen Hotelbett und einem Morgen mit wunderbarem Blick in die weite, grüne Landschaft Kameruns, machen wir uns zu Fuß auf, um das Gelände rund um das Hotel zu erkunden. Der Betrieb des Hotels ist nämlich eng verknüpft mit der Arbeit einer NGO namens „Fondation Gacha“, die neben einem Waisenhaus, einer Kulturstätte und einer riesigen Privatsammlung von antiken Kunstgegenständen aus Kamerun sich um die Ausbildung von Jugendlichen und den Erhalt des kulturellen Erbes Kameruns kümmert. Die Fondation Gacha wird dabei vom Hermes Gründer aus Paris unterstützt und diese Zusammenarbeit erklärt schließlich auch die stilvoll eingerichteten Zimmer des Hotels und deren extravagantes Aussehen. Auf dem Gelände sind diverse traditionelle Hütten und Gebäude in realer Größe aufgebaut und man kann diese betreten und nachempfinden, wie dort gekocht und gelebt wurde bzw. noch immer wird. Auch die Privatsammlung der Stiftung dürfen wir besichtigen. Diese erweist sich als umfangreicher, gepflegter und noch beeindruckender als die Museumssammlung des Palasts in Foumban.







Zurück am Hotel packen wir schweren Herzens wieder unsere 7 Sachen und schwingen uns in Rotkäppchen. So ein bisschen Luxus hat uns dann doch nach so langer Zeit ganz gutgetan.
Doch das Abenteuer ruft und wir düsen weiter – sofern es uns die schlechten Straßen erlauben – in Richtung Hauptstadt Kameruns: Yaounde. Dabei sehen wir immer wieder Königspaläste und Altäre zur Huldigung des Sultans am Straßenrand.



Die Fahrt ist zäh und unser Vorhaben in der Stadt unsere übrig gebliebenen nigerianischen Naira einzuwechseln bzw. eine Autoversicherung für die zentalafrikanischen Länder abzuschließen scheitert. Geschlagene 4 Stunden verbringen wir damit, diverse Banken und Versicherungen abzuklappern – leider ohne Erfolg.

Entsprechend geknickt und erschöpft von den ewigen Diskussionen mit den Bank- & Versicherungsangestellten, kommen wir schließlich bei unserer Unterkunft etwas außerhalb des Stadtzentrums von Yaounde an: Ein Waisenhaus, das seit mehreren Jahren von einem polnischen Pfarrer betrieben wird und laut unserer Reise-App von vielen anderen Overland-Reisenden als Übernachtungsort gelobt wurde. Doch die Unterkunft stellt sich leider etwas anders heraus als wir uns das vorgestellt hatten. Im Hinterhof zwischen dem Wohnhaus des Pastors und den Schlafstätten der Waisenkinder dürfen wir unser Auto parken und das Zelt aufstellen. Wir werden zwar begrüßt, aber ein tiefergehendes Gespräch mit dem Pastor entsteht nicht. Auch eine Führung über das Gelände des Waisenhauses wird uns nicht angeboten. Vielmehr beginnt man, nachdem wir unser Rotkäppchen im Hof geparkt haben, neben dem Auto den Rasen zu mähen. Da wir keinen anderen Rückzugsort haben, sind wir dem Geräuschpegel hilflos ausgesetzt – also doch keine Ruheoase in Mitten der Großstadt!
Da wir uns erhoffen über ein gemeinsames Abendessen mehr von der Organisation zu erfahren, stimmen wir dem Vorschlag zu, uns heute abends bekochen zu lassen. Doch auch dieses Vorhaben endet darin, dass wir im Hinterhof sitzend allein unser Essen zu uns nehmen, während die Kinder und der Pastor scheints in einem anderen Raum schon zuvor zu Abend gegessen haben. Wir fühlen uns etwas isoliert und nicht wirklich willkommen – da hätten wir auch auf einem anonymen Privatgrundstück campen können.

Unsere Stimmung wird am nächsten Morgen nicht besser, als wir um 5 Uhr in der Früh vom Kehrbesengeräusch neben unserem Auto geweckt werden. Eines der Kinder muss scheinbar vor dem Weg in die Schule noch den Hof kehren – ungeachtet ob dort Gäste nächtigen oder nicht. Und so klettern auch wir vor Sonnenaufgang aus dem Zelt und beobachten das morgendliche Treiben, das ab 6 Uhr auf dem Hof einsetzt. Die weißen Tauben (wohl ein Hobby des Pastors), die ebenfalls im Hinterhof in einem großen Käfig gehalten werden, werden frei gelassen und dürfen eine Runde über dem Gelände drehen. Dabei beobachten wir, wie ein Greifvogel immer wieder die Vogelschar angreift und zu guter Letzt eins der Tiere verletzt und ein weiteres erfolgreich zwischen seinen Krallen mit sich fortträgt. Wenn das jeden Morgen so passiert, sind wohl bald keine weißen Tauben mehr übrig. Wir scheinen aber die einzigen gewesen zu sein, die Zeugen dieses grausamen Schauspiels wurden. Alle anderen wuseln unbehelligt über den Hinterhof und die Kinder starten in unterschiedlichen Schuluniformen bekleidet in Kleingruppen in Richtung Schule. Da wir keine große Lust haben, hier weiterhin so links liegengelassen zu werden, machen wir uns ebenfalls daran unser Zelt zusammenzuklappen und nach einer Tasse frisch gebrühten Kaffee aufzubrechen. Natürlich nicht, ohne noch nach einem Geschenk für die Kinder gefragt zu werden. Wir überreichen einige der aus Deutschland mitgenommen Fußballtrikots, doch kann ich es mir nicht verkneifen zu erwähnen, dass ich über die anonyme Behandlung enttäuscht bin und hoffe, dass zukünftige Gäste wieder mehr in die täglichen Geschehnisse eingebunden werden. Schade, wir hätten wirklich gerne mehr von dem Projekt erfahren und dieses unterstützt. Ob es vielleicht auch an uns und unserem schlechten Französisch gelegen hat? Wir werden es wohl nie erfahren!
Tolle Berichte und sehr schöne Fotos! 👍🏻📸
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