Kamerun – Teil 1: Von einer Rutschpartie der Extraklasse

Die erste Nacht in Kamerun – genauer gesagt an der Grenze Kameruns – war nass und stürmisch. Über Stunden ergoss sich der Regen sintflutartig über uns und unsere Autos und erst am Morgen, als Max und ich schließlich aus Rotkäppchen klettern (wir haben diese Nacht die Innenliegefläche von 1m x1,90m in Rotkäppchen unserem nicht ganz wasserdichten Zelt vorgezogen), hört es endlich auf zu regnen. Entsprechend zerknittert und unausgeschlafen machen wir uns ans Kaffeekochen.

Doch neben der Tatsache, dass wir erneut eine nicht gerade erholsame Nacht hinter uns haben, macht uns die vor uns liegende Strecke Kopfzerbrechen. Die gestrige rote Sandstraße hat sich über Nacht in eine Matschpiste mit tief ausgewaschenen Furchen entwickelt. Unsere Sorgen werden dabei nicht kleiner als wir beim Frühstück beobachten, wie sich einer der voll beladenen Pinzgauer-Trucks mit 6×6-Antrieb den schlammigen Hang hinunterkämpft und dabei 3 Personen neben dem Gefährt herlaufen und alle paar Meter dicke Holzblöcke und Steine unter die Reifen werfen, um ein unkontrolliertes Abrutschen des Fahrzeugs zu vermeiden. Unsere Überlegung noch einige Stunden zu warten und die Straßen etwas abtrocknen zu lassen, wird durch die am Horizont aufziehenden nächsten Regen- & Gewitterwolken zu Nichte gemacht. Und so ergeben wir uns unserem Schicksal und wagen uns auf die Straße. Dieses Mal sind Max und ich wieder die Vorhut unseres 2-Auto-Konvois und müssen uns daher umso mehr konzentrieren, um nicht wegzurutschen oder irgendwo steckenzubleiben. Max übernimmt wieder das Steuer und ich habe die Aufgabe uns durch die Schlammpisten zu navigieren. Das heißt dabei nicht nur den richtigen Weg zu finden, sondern auch vorausschauend zu versuchen Max bei der Entscheidung die weniger schlammige, rutschige oder gefährliche Strecke zu wählen.

Fast vier Stunden kämpfen wir uns so über die 100 Kilometer nach Banyo – nicht ohne dabei mehrmals ohne Kontrolle über das Auto durch den Matsch bergab zu rutschen oder ähnliches bei unseren Freunden im Rückspiegel zu beobachten. Die entgegenkommenden Motorräder, Fahrzeuge oder Fußgänger kommen uns dabei noch mehr draufgängerisch vor als wir uns schon fühlen. Wer hier heute freiwillig unterwegs ist, muss lebensmüde sein!

Aus dem Weg – wir können nicht bremsen!

Der Schlamm spritzt in alle Ritzen des Autos und mit der Zeit können wir kaum noch aus dem Fenster sehen, da das ganze Gefährt von oben bis unten mit rotem Schlamm überzogen ist. Der Regen setzt immer wieder ein und macht die Fahrt noch nervenaufreibender als sie eh schon ist.  

Hier ein paar Eindrücke im Video:

Endlich erreichen wir trotz mehreren unkontrollierten Rutscheinheiten Banyo – die erste größere Stadt hinter der Grenze. Hier wollen wir Geld abheben, eine SIM-Card kaufen, Lebensmittel besorgen und noch viel wichtiger – endlich wieder Diesel tanken. Doch obwohl Banyo eine relativ große Stadt ist, stellt sich schnell heraus, dass es hier keine Bank und keinen Geldautomaten gibt, über den wir an Geld rankommen können. Die zwei Wechselstuben der Stadt, an denen wir versuchen Geld einzutauschen, haben ebenfalls geschlossen und niemand kann uns sagen, wo wir hier CFA gegen unsere Euro- oder Dollarvorräte eintauschen können. Ohne Geld können wir nicht tanken und ohne aufzutanken kommen wir nicht in die nächste Stadt. Uns graut schon davor hier ein bis zwei Tage festzusitzen bis wir an Geld rankommen können.

Doch plötzlich kommt mir eine Idee. Mein Vater hatte mir vor der Reise zwei kleine Plastiktüten in die Hand gedrückt mit „Restgeld“, das er bei den letzten Afrika-Urlauben nicht aufgebrauch hatte. Dieses Geld hatten wir bereits im Senegal versucht zu verwenden, wurden dabei aber nur ausgelacht und man hatte uns versichert, dass diese Geldscheine maximal noch in einem Museum begeisterte Abnehmer finden würden und nicht mehr gehandelt werden. Dabei muss man allerdings wissen, dass es CFA Franc (XOF) für die Westafrikanischen Staaten wie Senegal gibt, aber auch CFA Franc (XAF) für die zentralafrikanischen Staaten, zu denen sich auch Kamerun zählt. Beide Währungen sind an den Euro gekoppelt und haben den gleichen festen Wechselkurs obgleich die zentralafrikanische Währung nicht in den westafrikanischen Ländern akzeptiert wird und umgekehrt. Also krame ich aus unserem Geldversteck das Plastiktütchen hervor, über das in Senegal noch gelacht wurde und halte einige der darin befindlichen Scheine und Münzen einem der freundlichen Passanten unter die Nase und frage ihn, ob das eine akzeptierte Währung in Kamerun sei. Er mustert den Schein kurz und zeigt mit dem Daumen nach oben. Überglücklich zählen wir die Scheine und Münzen und stellen fest, dass wir umgerechnet im Besitz von ca. 40€ sind und wir zumindest beide Autos halbvoll tanken können, um in die nächstgrößere Stadt zu gelangen. Doch die Freude währt nicht lange! Als wir die Tankstelle im Stadtzentrum erreichen, winkt der Tankwart gleich ab und gibt uns das Zeichen: Kein Diesel! Man gibt uns allerdings den Tipp, dass bei der Ortsausfahrt sich ebenfalls noch eine Tankstelle befindet bei der wir unser Glück versuchen können. Und tatsächlich – in dieser nicht mehr wirklich funktionstüchtig wirkenden Tankstelle, wo erst einmal der Generator angelassen werden muss, damit wir Diesel zapfen können, kommen an mehr oder weniger frischen Diesel. Es kann also endlich weitergehen!

Es geht bergauf-bergab über rote, löcherdurchsetzte und ausgewaschene Sandpisten. Vorbei an unzähligen kleinen Dörfern und grünen Hügeln. Zum Glück wird der Himmel langsam heller und die Sonne kommt sogar zum Vorschein. Nachdem wir weitere 3 Stunden gefahren und am Wegrand noch ein paar frische Brote, 2 Tomaten und eine Avocado gekauft haben, finden wir endlich einen gemütlichen Mittagsspot. Die ganze Anspannung der letzten Stunden fällt von uns ab und wir sind einfach nur glücklich, dass wir diesen nervenaufreibenden Morgen zusammen mit unseren Autos unbeschadet überstanden haben und nun auch noch genug Benzin im Tank haben, um in die nächstgrößere Stadt zu kommen. Zwar lassen uns die Straßen erahnen, dass dies heute sicher nicht mehr der Fall sein wird, doch das frische Brot und der herrliche Ausblick über die satt-grüne Ebene unter uns lässt uns diese Gedanken für einen kurzen Moment vergessen.

Nach der kurzen Mittagspause springen wir wieder ins Auto und weiter geht’s. Die Leute am Wegesrand sind ähnlich aufgeschlossen wie die Bevölkerung in Nigerias Hochland. Man winkt uns freundlich zu, sobald wir mit unserem Auto um die Ecke biegen. Was uns dabei auffällt sind die vielen Menschen, die schon mittags betrunken oder angetrunken in Grüppchen zusammensitzen. Kaum einer der Männer scheint hier tatsächlich einer Arbeit nachzugehen, sondern sich vielmehr dem Alkohol zu widmen, während die Frauen Wäsche waschen, Haare flechten oder sich um die Kinder kümmern. Dieses Alkoholproblem in der Bevölkerung, das in Kamerun omnipräsent zu sein scheint, schockiert uns auch noch in den kommenden Tagen, in denen wir das Land durchreisen. Die Arbeitslosigkeit wird hier mit vom Staat subventionierten alkoholischen Getränken runtergespült und lässt die Hoffnung an einen Aufschwung im Land schwinden. Doch nicht nur der Alkoholkonsum fällt uns ins Auge. Auch die wunderschön mit Zeichnungen und Mustern verzierten Lehmhütten, die wir immer wieder vom Auto aus beobachten können, sind neu für uns. Und so trotzen wir über zig Stunden Autofahrt den schlechten Straßen und versuchen uns an der Landschaft, den Leuten und deren verzierten Hütten zu erfreuen.

Kurze Cola-Verschnaufspause am Straßenrand

Als es anfängt zu dämmern, beginnen Max und ich Ausschau nach einem geeigneten Campingplatz zu halten. Es gibt keine Pensionen, Restaurants oder Hotels hier, die wir ansteuern und um Erlaubnis für eine Übernachtung im Zelt auf ihrem Gelände bitten könnten. Das einzige sind kleine Bars, bei denen aber ab dem späten Nachmittag nun große Ghetto-Blaster und Lautsprecher aufgebaut werden und die eher auf eine durchfeierte Nacht anstatt auf einen erholsamen Schlaf hoffen lassen. Und so entschließen wir uns einen Wildcamping-Spot zu suchen. Wie so oft scannen wir während der Fahrt links und rechts die kleinen Wege ab, immer auf der Suche nach einer Abzweigung in ein nicht einsehbares Terrain. Und tatsächlich – nach 30-minütiger Suche – haben wir Glück. Rechts von der Straße liegt ein offenes Gelände, das wohl zum einen als Kuh- und Ziegenweide genutzt wird, zum anderen zum Abbau von Lehm. Und so schaffen wir es unsere Autos so zu parken, dass sie von der Straße aus nicht ausmachbar sind. Während Amy und ich Abendessen zubereiten, kümmern sich Max & Christos um Feuerholz. Und so sitzen wir kurze Zeit später gemütlich zusammen und öffnen noch zur Feier des Tages einen aus Deutschland (!) mitgebrachten und durch Mauretanien geschmuggelten Wein. Unter Sternenhimmel vorm Lagerfeuer sitzend und mit einem Wein in der Hand lässt es sich aushalten und mit einem zufriedenen Lächeln den Tag Revue passieren.