Trotz Kälte und Müdigkeit quälen wir uns um 3 Uhr morgens aus dem Zelt. Die Nacht war wahnsinnig kalt, da wir mit unseren Sommerschlafsäcken nicht wirklich auf Temperaturen unter dem Gefrierpunkt eingestellt waren. So dick wie möglich eingepackt und mit Stirnlampen ausgestattet stapften wir also Richtung Feuerstelle, wo bereits Tee zubereitet wird. Unser Koch – nur in kurzen Shorts und Sandalen gekleidet – steigt dabei gekonnt immer wieder über die zwei noch am Boden schlafenden Porters hinweg, die sich lediglich mit einem dünnen Laken zugedeckt hatten und eng aneinander geschlungen am Boden dösen. Auf diesen Anblick hin unterdrücke ich ab sofort jedes Jammern über die kalte Nacht – die Jungs hier mussten bei weitaus schlechteren Bedingungen zurechtkommen. Wortlos trinken wir also unsere Tasse Tee, um kurz darauf den Aufstieg Richtung Pic Boby zu beginnen. Im Stockdunklen stapfen wir also unter leicht bedecktem Sternenhimmel stetig aufwärts. Die Taschenlampe erleuchtet dabei lediglich einen Meter des vor einem liegenden Trampelpfads, die Natur um einen herum ist nicht weiter auszumachen. Erst beim Abstieg sehen wir später, dass wir teilweise sehr steile Felswände und abschüssiges Gelände passiert haben. Die Wanderung verläuft primär schweigend – jeder kämpft dabei mit sich, der Kälte und der Erschöpfung, die der immer steiler werdende Weg verursacht. Doch nach zwei Stunden Fußmarsch fängt es an zu dämmern und wir erreichen schließlich um 05:15 Uhr pünktlich zum Sonnenaufgang den Gipfel des Pic Boby. Ein unbeschreiblicher, traumhafter Ausblick erwartet uns, der selbst mit dem Foto nicht eingefangen werden kann. Die Strapazen haben sich mehr als gelohnt:
Wäre es nicht so kalt, würden wir hier noch zig Stunden in die Weite von Madagaskar blicken und den Ausblick genießen. Doch nach einer Stunde sind wir komplett durchgefroren und beschließen gemeinsam mit Freddy uns auf den Rückweg zu machen. Immerhin erwartet uns am Camp heißer Tee und Frühstück.
Auf der Strecke zurück sind wir beeindruckt von dem Weg, den wir zuvor im Dunkeln passiert haben. Immer wieder bleiben wir stehen, um den gigantischen Ausblick ins Landesinnere zu genießen und Fotos zu machen.
Freddy hat es sich scheinbar zur heutigen Tages-Aufgabe gemacht, uns sämtliche Felsformationen zu zeigen, die im Entferntesten an Gegenstände oder Tiere erinnern. Eins von Freddys Steinobjekten seht ihr hier – na, was könnte das sein? 🙂
Am Camp angekommen, werden wir schon von einem gedeckten Tisch empfangen. Wenn man bedenkt, dass die Jungs sämtliches Equipment zu Fuß bis zum Lager hochtragen müssen, lassen sie es uns an nichts fehlen: Neben einer Thermoskanne haben sie es sogar geschafft eine Tischdecke – oder sagen wir lieber ein altes, mit Cartoons bedrucktes Bettlaken aufzutreiben, das über den Frühstückstisch gespannt ist. Das Baguette vom Vortag wird über dem Feuer geröstet und dazu gibts Marmelade und Margarine – einfach herrlich nach der Wanderung in der Sonne zu sitzen und zu mampfen.
Doch auch das Frühstück ist irgendwann vorbei – wir packen unsere Sachen zusammen und machen uns auf den Weg Richtung Tal. Immerhin müssen wir die Horrorstrecke von gestern wieder zurückgurken. Aussichten, die wir versuchen bis zum Erreichen des Parkplatzes zu verdrängen. Der Weg geht über die Hochebene, vorbei an kleinen Bächen.
Freddy erzählt uns, dass zur Regenzeit hier deutlich mehr Tiere zu finden sind und das Gras saftig grün leuchtet mit vielen bunten Blumen dazwischen. Wie stark die Trockenzeit in diesem Jahr ausfällt, wird uns bewusst, als wir durch den im Reiseführer als „spannenden Trockenwald mit vielen endemischen Tieren wie Lemuren, Makis, Chamäleons & Schmetterlingen“ laufen, der bis auf ein paar schwarze Holzreste komplett abgebrannt ist. Eine Schande, da dieser Fleck Erde als UNESCO-Weltnaturerbe geschützt war und viele der dort ansässigen Tiere vom Aussterben bedroht sind und in den Flammen umgekommen zu sein scheinen. Ein trauriger Anblick nach so viel Schönheit, die wir kurz zuvor auf dem Pic Boby erleben durften.
Auch heute scheint der Nationalpark und die umliegenden Hügel nicht vom Feuer verschont zu bleiben. Ringsum lassen sich Rauchschwaden am Horizont ausmachen. Und als wir endlich vom Weg aus unser Auto entdecken, sehen wir, dass auch am gegenüberliegenden Hügel ein Feuer lodert. Mit Schrecken stellen wir fest, dass das Feuer genau den Weg zu nehmen scheint, den wir mit dem Auto passieren müssen. Auf die Frage hin, was die Regierung denn gegen derartige Brände macht, zuckt Freddy nur hilflos mit den Schultern.
Es gibt weder Feuerwehr noch Löschflugzeuge in Madagaskar, daher können derartige Feuer über Tage andauern und zig Hektar Fläche vernichten. Man kann einfach nur dabei zusehen und hoffen, dass das Feuer nicht vom Wind in die „falsche Richtung“ getrieben wird und das eigene Hab und Gut zerstört.
Am Parkplatz angekommen, gibt es erst einmal eine Cola von einem Getränkestand in der Nähe des Autos – ob hier heute sonst noch Kundschaft vorbeikommt, wage ich zu bezweifeln…
Da das Feuer bis auf Weiteres keine Weiterfahrt erlaubt, machen wir es uns erst einmal beim Parkplatz gemütlich, spielen mit dem kleinen Hund des Hüttenbesitzers und essen unser Lunch.
Nach ca. 1h sehen wir zwei Geländewagen, die sich langsam durch das noch schwelenden Feuer quälen. Da es beide nach einigen Anläufen tatsächlich durchs Feuer schaffen, entscheiden wir uns ebenfalls aufzubrechen. Mit leicht mulmigen Gefühl (man bedenke unseren tropfenden Diesel-Tank von den Vortagen) fahren wir langsam dem Brandherd entgegen. Da der Wind sehr ungleichmäßig weht, kommt es immer wieder dazu, dass das scheinbar nur noch schwelende Feuer wieder aufflammt und in Form von mannshohen Flammen über die Straße weht. Doch unsere Porter, die ebenfalls im Auto wieder einen Platz gefunden haben, zögern nicht lange. Sie springen mit ihren kurzen Hosen und Badelatschen aus dem Auto, greifen sich ein paar Äste und fangen an, in der Glut stehend das Feuer niederzuschlagen.
Die beherzte Aktion hilft kurzfristig das Feuer etwas zu reduzieren und wir können uns durch den Rauch kämpfen. Die restliche Wegstrecke verläuft ähnlich holprig wie die Hinfahrt – immer wieder müssen die Bretter auf den Brücken gerade gerichtet werden, oder jemand aussteigen, um unser Auto über die Brücke zu lotsen. Umso glücklicher sind wir, als wir dann verstaubt und verschwitzt in Ambalavao zurück sind. Doch bevor wir unter die dringend notwendige Dusche springen, versuchen wir noch das Auto von dem zentimeterdicken Sandstaub zu befreien, der sich in jede Ritze gesetzt hat und aus allen Ecken quillt. Abends gibts noch eine große Portion Soussison (madagassische Würstel) mit Gemüse und Pommes. Danach fallen wir glücklich und zufrieden in unsere Betten. Was für ein ereignisreicher Tag?!