Kamerun – Teil 3: Vom Traumstrand ins Krankenhaus

Eigentlich wollten wir viel mehr von Kamerun sehen und auch das zweite unserer drei Spendenprojekte, nämlich die von der Organisation Pro Wildlife e.V. geförderte Schimpansen-Auffangstation in Limbe in Nähe des Mount Camerouns besuchen. Doch sowohl der westliche Küstenabschnitt als auch der Norden Kameruns wird von blutigen Auseinandersetzungen und Anschlägen überschattet. Internationale als auch nationale Behörden warnen vor einer Reise in diese Gebiete und daher entscheiden wir uns schweren Herzens, Kamerun nur kurz zu durchreisen und lieber einmal später, wenn die Sicherheitslage wieder stabil ist, in einem gesonderten Urlaub das Land in seiner Gänze zu besichtigen.

Müll und ausgebrannte Fahrzeuge prägen immer wieder das Straßenbild

Unser Weg führt uns daher nach Kribi – einem im Süden liegenden Küstenort, der neben traumhaften Ständen auch noch einen beeindruckenden Wasserfall vorzuweisen hat. Dessen Besonderheit ist die Tatsache, dass er sich direkt ins Meer ergießt. Nachdem wir zahllose nervige Polizei- und Sicherheitsstopps mit betrunkenen Beamten am frühen Morgen über uns ergehen haben lassen und kurz vor Kribi angekommen sind, werden wir von einer „Straßen-Sicherheitskontrolle“ rausgezogen. Der stark nach Schnaps stinkende Beamte in weißer Uniform beschuldigt uns, eine durchgezogene Fahrbahnmarkierung überfahren zu haben. Das stimmt zwar, allerdings war dies notwendig, da an der Seite ein LKW geparkt hatte, der nur durch umfahren über den Mittelstreifen umfahren werden konnte. Wir merken sofort, dass das Gebaren der Beamten nicht auf Tatsachen beruht, sondern lediglich Show ist, um uns einzuschüchtern und Geld abzuknöpfen. Entsprechend bleiben wir ruhig und bekommen nach einigen Minuten Diskussion, einem kurzen Wutausbruch des betrunkenen Beamten und dem Einschreiten eines nüchtern erscheinenden Kollegen endlich unsere Papiere zurückgereicht. Weiter geht die Fahrt zur Küste.

Die Stadt begrüßt uns gleich mit einem quirligen Stadtbild. Ein uns entgegenkommendes Moped, auf dessen Gepäckträger ein toter Hai festgezurrt wurde und rechts und links vom Fahrzeug baumelt, lässt uns bereits erahnen, dass es hier in Kribi nicht langweilig werden wird. Und tatsächlich, als wir auf den Parkplatz einer Unterkunft mit Campingmöglichkeit fahren, entdecken wir sogleich unsere Freunde Amy & Christos, die hier einige Stunden zuvor eingetroffen sind. Gemeinsam machen wir uns am Strand entlang auf den Weg in Richtung Lobé Wasserfälle. Hier gibt es traumhafte kleine Buchten, inoffizielle, kleine Strandrestaurants bestehend aus ein paar Stühlen und Tischen und luxuriöse Ferienresorts. Für jeden Geldbeutel ist hier etwas dabei. Der Spaziergang ist dabei am Ende deutlich beeindruckender als die Lobe Wasserfälle an sich.

Diese scheinen eine DER touristischen Attraktionen Kameruns zu sein – und so tummeln sich hier neben internationalen und einheimischen Touristen auch jede Menge Verkäufer, die ihre Touri-Ware an den Mann oder die Frau bekommen wollen. Nachdem wir einige Bilder von den Fällen gemacht haben, beschließen wir die Wasserfälle Wasserfälle sein zu lassen und auf ein kühles Getränk und ein paar frische Meeresfrüchte zurück zu einem der malerisch gelegenen kleinen Strandrestaurants zu laufen und abseits von den Touristen den Tag zu genießen.

Lokale Touristen vor den Wasserfällen – man beachte die modischen Akzente

Und tatsächlich werden wir bei einem Restaurant, bestehend aus einem Tisch und zwei Bänken und einer Schaukel fündig. Der Besitzer läuft sogleich los, um kalte Getränke beim Kiosk in der Stadt zu kaufen und bereitet dann nach traditioneller Kochkunst Breadfruit und Garnelen auf der Glut in einem Loch im Sandboden zu, die anschließend auf einem Bananenblatt serviert werden.

Hier lässt es sich aushalten

Das Ganze dauert beinahe 3 Stunden, doch die Zeit bis zum Essen ist an so einem fantastischen Ort leicht zu überbrücken und so springen wir noch einmal vorm Essen ins Meer und lauschen den spannenden Erzählungen unserer beiden Freunde, die in den letzten zwei Tagen einiges erlebt haben.

Das Leckere Essen gepaart mit der angenehmen und lockeren Atmosphäre lässt diesen Nachmittag zu einem der schönsten der gesamten Reise werden. Die Aussicht auf einen gemeinsamen, gemütlichen Abend mit frisch gekauften Gin Tonic wäre so schön gewesen, hätte sich nicht plötzlich mein Magen bemerkbar gemacht.

Zurück an unserer Camping-Stelle setzen Magenkrämpfen und Schweißausbrüche und Schüttelfrost ein, gefolgt von Übelkeit, Durchfall und Erbrechen. Und so wandelt sich der traumhafte Nachmittag am Strand in eine Horror-Nacht, die ich nie vergessen werde. Da ich mich alle 15 Minuten zur Toilette schleppe, beschließen Max und ich, dass er im Zelt und ich unten in Rotkäppchen schlafe. Je länger die Nacht anhält, desto schwacher werde ich und schaffe es zum Teil nur auf allen Vieren die paar 100 Meter Strecke zwischen Auto und Sanitäranlagen zurückzulegen. Doch nicht nur die Krankheit an sich, sondern auch die Angst mir Malaria eingefangen zu haben, halten mich die ganze Nacht wach. Als am nächsten Morgen die Sonne aufgeht, fühle ich mich wie von einem Auto überfahren. Ich schaffe es nur noch von Max gestützt aufzustehen und zittere am ganzen Körper. Zum Glück erfahren wir, dass es in Kribi neben dem öffentlichen Krankenhaus auch ein privates Behandlungszentrum gibt. Dieses steuern wir gleich in der Früh an und ich werde sofort in ein Zimmer gebracht, an einen Tropf gehängt und mit Flüssigkeit und Elektrolyten versorgt. Zum Glück bin ich die einzige Patientin in dem 4-Bett Zimmer und bis auf die schwarzen Raupen, die im ganzen Zimmer herumkriechen und ein paar komischen Flecken an der Wand, scheint hier die Hygiene besser zu sein, als ich es mir die ganze Nacht ausgemalt hatte.

Das Ergebnis der Untersuchungen ist eindeutig: Es ist keine Malaria. Ich habe mir stattdessen eine Amöben Ruhr eingefangen – sprich Parasiten über verunreinigte Nahrung oder Flüssigkeit. Dank dem schnellen Gang ins Krankenhaus sei eine Beschädigung der inneren Organe, die mit einem derartigem Parasitenbefall einhergehen können, unwahrscheinlich. Mit Hilfe von diversen Schmerztabletten und Antibiotika sollte ich schnell wieder fit werden. Doch erst einmal muss ich im Krankenhaus bleiben und aufgepäppelt werden, um den Nährstoff- und Flüssigkeitsverlust wieder auszugleichen und wieder zu Kräften zu kommen. Während ich auf meinem Krankenbett dahinvegetiere und den vorm Krankenzimmer Fußball spielenden Kindern zuhöre, macht sich Max auf den Weg in die Stadt, um dort Lebensmittelvorräte für Gabon zu besorgen und das Auto voll zu tanken.

Da es seit den frühen Morgenstunden unaufhörlich regnet und damit einen längeren Aufenthalt am Strand nicht wirklich erstrebenswert macht, beschließen wir noch heute nach Ebolowa zu fahren. Dort wohnt ein südkoreanischer Freund unseres nigerianischen Couchsurfing-Gastgebers Jaco, der angekündigt hatte uns sehr gerne bei sich aufzunehmen. Trotz meines instabilen Zustands und der Aussicht auf einige Stunden Fahrt, hält uns in Kribi nichts mehr und ich möchte nur noch weg aus dem Krankenhaus und mich bei unserem noch unbekannten südkoreanischen Gastgeber ordentlich ausruhen.

Doch dass die kommenden 170 Kilometer mindestens genauso schrecklich werden würden wie die letzte Nacht, ahnen Max und ich nicht, als wir gegen Mittag das Krankenhaus hinter uns lassen. Bereits beim Verlassen der Stadt hätten wir es ahnen sollen. Ein Polizeiposten gibt uns ein Zeichen zu stoppen und verlässt widerwillig bei strömenden Regen seine trockene Hütte, um zu unserem Auto zu laufen. Er warnt uns, dass die vor uns liegende Straße sehr schlecht sei und es nicht ratsam wäre bei derartigem Regen nach Ebolowa zu fahren. Vielmehr würde er uns raten, über die Hauptstadt Yaounde zu fahren, auch wenn dies ein Umweg von mehreren hundert Kilometern bedeuten würde und wir somit sehr sicher Ebolowa nicht vor Sonnenuntergang erreichen würden. Der Gedanke die ganze Strecke des gestrigen Tages wieder zurückfahren zu müssen und voraussichtlich erneut in Yaounde übernachten zu müssen wiederstrebt uns. Wir entscheiden uns gegen den Umweg und setzen die Fahrt unbehelligt fort, ohne auf die Warnungen des Polizisten zu hören. Ein großer Fehler, wie sich herausstellt! Während ich mit meinen Magenkrämpfen, der Übelkeit, der Müdigkeit und meinem schmerzenden Körper kämpfe, kämpfen Max und Rotkäppchen mit der Straße. Der Regen, der nun schon seit Stunden vom Himmel herunterfällt, hat die Straße, welche sich ca. 2 Kilometer hinter dem Polizeiposten von einer gut geteerten Straße in eine Sandpiste verwandelte, aufgeweicht und zu einer rutschigen, schlammigen und unberechenbaren Fahrbahn gemacht. Aufgrund der vielen tiefen Schlammlöcher und dem unebenen Weg kommen wir tatsächlich nur langsam mit durchschnittlich 20 km/h voran und dank der dunklen Gewitterwolken ist es bereits um kurz nach vier Uhr dunkel.

Die Straße gleicht einem Schlammsee – und der Zustand wird von Stunde zu Stunde schlimmer

Die Gegend ist nur schwach besiedelt und wegen des schlechten Wetters sind kaum Personen zu sehen, da die meisten sich in ihre trockenen Rundhütten zurückgezogen haben. Alle anderen, die sich trotz des Wetters nach draußen wagen, sind von Kopf bis Fuß durchnässt und laufen zumeist barfuß über die Schlammpisten. Die wenigen Fahrzeuge, die uns auf der Strecke begegnen sind meist restlos mit Menschen überfüllt, die trockenen Fußes und möglichst schlammfrei von A nach B kommen wollen. Zudem besitzen sie meist nur einen – wenn überhaupt -funktionierenden Scheinwerfer und stellen damit immer wieder überraschend auftauchende Hindernisse da.

Ich bin nach einigen Stunden Fahrt so entkräftet, dass ich mich kaum noch festhalten und gegen die durch die Schlaglöcher ausgelösten Stöße wehren kann. Max ist ebenfalls aufgrund der unruhigen Nacht und der strapaziösen Fahrt am Ende seiner Kräfte. Doch die Stadt Ebolowa will und will nicht näher kommen. Inzwischen ist es stockdunkel und nur vereinzelte Taschenlampen-Kegel und Feuer lassen darauf schließen, dass rechts und links der Straße immer wieder Personen und Hütten sind. Das Wasser bahnt sich erbarmungslos ihren Weg durch die Schwachstellen der englischen Tür-Dichtungen unseres Land Rovers, wodurch langsam der Fußraum unangenehm feucht wird. Unser Plan, hier irgendwo an einem Seitenstreifen wild zu campen und die restliche Strecke am nächsten Morgen im Hellen zurückzulegen wird leider durch die Tatsachen zunichte gemacht, dass wir (A) in der Dunkelheit und bei dem Regen kaum Wildcamping-Spots erkennen, (B) wir uns in dichtem Wald befinden, wo man nur ganz selten rechts und links von der Straße abfahren kann und (C) die wenigen Fläche, wo wir uns vorstellen könnten zu campen, komplett unter Wasser stehen und wir Gefahr laufen würden am nächsten Morgen von dort nicht mehr eigenmächtig aus dem Schlamm rausfahren zu können. Verzweiflung, Müdigkeit und Angst, aus eigener oder fremder Unachtsamkeit zeitnah mit Rotkäppchen in einem Graben zu liegen, machen sich bei uns breit. Und so fahren wir weitere 3 Stunden durch die Dunkelheit, bis wir endlich die Vororte von Ebolowa erreichen, wo es vereinzelt Elektrizität gibt und wir endlich auf ein baldiges Ende dieser Horror-Fahrt hoffen können. Da wir seit Kribi kein Telefonnetz geschweige denn Internetverbindung mehr hatten, konnte ich mit Kung, unserem Couchsurfing Freund, keinen Kontakt aufnehmen. Endlich geht meine WhatsApp mit der Nachricht unseres heutigen Eintreffens raus und er schickt mir grünes Licht, dass wir bei ihm bleiben können. Doch im Dunkeln in einer Stadt ohne Straßenbeleuchtung ein Haus zu finden, das man nur von einem Bild kennt, stellt sich als weitere Herausforderung heraus. Unzählige Male fahren wir die angegebene Straße hoch und runter, biegen in dunkle Seitengassen ab und leuchten mit unseren Scheinwerfern in Hinterhöfe. Kung kommt uns Gott sei Dank nach einer 20-minütigen erfolglosen Suche zu Fuß entgegen und ist, dank seines asiatischen Aussehens auch leicht als unser Host zu identifizieren. Doch bei der Einfahrt zu seiner Unterkunft haben wir erneut Pech. Aufgrund der Dunkelheit übersieht Max die Enge der kleinen Brücke, die über den Abwasserkanal führt und rutscht mit dem Hinterreifen in den kleinen Bach. Mit vereinten Kräften bekommen wir Rotkäppchen wieder rausgeschoben und das Auto scheint zumindest auf den ersten Blick keinen größeren Schaden genommen zu haben. Endlich können wir unser über und über mit Schlamm verspritztes Auto im Hinterhof des Gebäudes parken. Und zu unserer Überraschung erwartet uns dort ein uns allzu bekanntes Auto: Tatsächlich haben sich Amy & Christos heute Morgen, als wir in Eile in Richtung Krankenhaus aufgebrochen sind, entschieden nach Ebolowa zu fahren. Ihr ursprünglicher Plan, länger in Kribi und an der Küste zu bleiben, wurde durch den Dauerregen zu Nichte gemacht. Da es in Ebolowa keine Camping-Optionen gibt, die Hoteloptionen teuer und dreckig waren, entschieden sich die beiden fürs Couchsurfing. Und Kung, der nicht mehr mit unserer heutigen Ankunft gerechnet hatte, hatte spontan den beiden zugesagt. Mit unserer spontanen Nachricht, dass wir doch heute eintreffen würden, war er etwas überrumpelt worden. Doch da Kung Couchsurfing liebt und niemals jemanden abweisen würde, beschloss er kurzerhand uns sein Zimmer anzubieten, während er bei einem Freund übernachtet. Zwar sind wir überwältigt von dieser Gastfreundschaft und Herzlichkeit, doch leider stellt sich schnell heraus, dass dies auch bedeutet, dass wir in seinem nicht gereinigten Zimmer und im schon lange nicht mehr frisch bezogenen Bett schlafen würden. Da wäre wahrscheinlich eins der Hotels doch sauberer gewesen. Doch in diesem Moment ist mir alles egal. Während die anderen noch gemeinsam von Kung zubereitetes, südkoreanisches Schwein süß-sauer und eine von Amy zubereitete Reispfanne essen, liege ich bereits in Kungs Zimmer und schlafe tief und fest. Ungeachtet, wie muffig und dreckig es hier ist, mein Körper braucht Ruhe und diese bekommt er nun endlich nach fast 10 Stunden Fahrt.

Rotkäppchen nach der Schlammfahrt am nächsten Morgen